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Endgültig historisch. Im vergangenen Juli sprang Markus Rehm 8,24 Meter weit und wurde in Ulm Deutscher Meister. Seit Montag steht fest, dass Weite und Titel auch offiziell in die Geschichte der deutschen Leichtathletik eingehen.

© dpa

Paralympischer Sport: Markus Rehm bleibt Deutscher Meister

Prothesenweitspringer Markus Rehm darf seinen Titel als Deutscher Meister behalten und auch weiterhin an Titelkämpfen teilnehmen. Paralympische und nichtbehinderte Atlethen werden in Zukunft aber getrennt gewertet.

Als Paralympics-Sieger Markus Rehm am Montagvormittag die mit Spannung erwartete E-Mail des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) erreichte, war es mit der Konzentration auf seine Arbeit als Orthopädietechniker in einem Troisdorfer Unternehmen vorbei. Der unterschenkelamputierte Weitspringer erhielt zahlreiche Glückwunsch-SMS und Telefonanrufe. Der für die Wettkampforganisation zuständige DLV-Vizepräsident Frank O. Hamm hatte dem 26-Jährigen schriftlich mitgeteilt, dass er seinen bei den deutschen Meisterschaften in Ulm gewonnenen Titel behalten darf.

Von „tollen Nachrichten“ vom Verband berichtet der Sportler vom TSV Bayer Leverkusen, der am 26. Juli den Wettbewerb mit 8,24 Metern gewonnen hatte vor dem inzwischen zurückgetretenen Christian Reif (8,20 Meter). Denn Markus Rehm kann auch mit einer weiteren Entscheidung des DLV-Präsidiums gut leben: Ab dem 1. Januar sind Behinderte bei Titelkämpfen startberechtigt, werden aber getrennt gewertet. „Das ist erst einmal die fairste Lösung. Aber ich hoffe, dass weiter nach einer Lösung für die Zukunft gesucht wird.“

Hamm war nach dem Riesensatz des Prothesenspringers vom DLV beauftragt worden zu prüfen, ob Markus Rehm den Titel regelkonform gewonnen habe. Der Funktionär aus Aachen hatte letztlich die knifflige Frage zu klären, ob die Carbonprothese dem Paralympics-Star einen Vorteil gegenüber Springern ohne orthopädisches Hilfsmittel verschaffe. Eine Auswertung der in Ulm vorgenommenen biomechanischen Messungen durch Wissenschaftler des Olympiastützpunkts Frankfurt am Main hatte ergeben, dass die Sprünge nicht vergleichbar seien und zudem einen Vorteil nahegelegt. Markus Rehm war vom DLV daraufhin auch nicht für die EM in Zürich nominiert worden.

Hamms Entscheidung zugunsten von Rehm erinnert an die juristische Maxime, wonach im Zweifel für den Angeklagten zu entscheiden sei. „Nach Prüfung aller vorliegenden Unterlagen und einigen ausführlichen Expertengesprächen deutet vieles darauf hin, dass die von Ihnen ausgeführten Sprünge nicht vergleichbar sind mit dem Weitsprung anderer Spitzenathleten“, heißt es im Begründungsschreiben des DLV an Markus Rehm. „In diesem Zusammenhang ist zu verdeutlichen, dass die Internationalen Wettkampfregeln der Leichtathletik auch nicht darauf abzielen, ob ein wie auch immer geartetes Hilfsmittel zunächst einmal einen eventuellen Nachteil eines Athleten ausgleicht, sondern dass es schon dann unzulässig ist, wenn es an irgendeiner Stelle einen Vorteil bietet, den ein Athlet ohne dieses Hilfsmittel nicht hat.“

Die Messungen indizierten „stark, dass ein solcher Vorteil gegeben ist. Allerdings lässt dieser sich nicht mit absoluter Sicherheit aus den bisherigen Ergebnissen ableiten, und insofern ist in der Frage zu Ihren Gunsten zu entscheiden.“ Rehms Leistungen von Ulm würden daher nicht aberkannt. Er dürfe den Titel des Deutschen Meisters behalten.

Um Diskussionen wie nach Ulm zu vermeiden und Inklusion dennoch zu leben, beschloss das DLV-Präsidium eine nationale Regelung, wonach künftig behinderte und nichtbehinderte Athleten gemeinsam starten dürfen, aber getrennt gewertet werden. Der DLV wolle damit „Rechtssicherheit“ schaffen, solange die Frage nach einem möglichen Vorteil durch eine Prothese nicht eindeutig geklärt oder eine internationale Regelung nicht gefunden sei, sagte Präsident Clemens Prokop. Der DLV wolle das Thema beim Kongress des Weltverbands vor der WM in Peking im August zur Sprache bringen. „Der DLV ist auf dem richtigen Weg. Auch ich möchte klare Fakten haben“, sagte Rehm.

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Reinhard Sogl

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