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Glücklich erschöpft. Gerald Ciolek im Ziel des Rennens von Mailand nach Sanremo.

© AFP

Radprofi Gerald Ciolek: Über Afrika in die Weltspitze

Diesseits von Afrika: Der Kölner Radprofi Gerald Ciolek hat sich über das südafrikanische Qhubeka-Team wieder in die Weltspitze gefahren.

Nicht wie Phönix aus der Asche, eher wie ein gerade den Springfluten entronnener Schiffbrüchiger sah Gerald Ciolek aus, als er im März das chaotische Regenrennen von Mailand nach Sanremo mit einem überraschenden Sieg über den Favoriten Peter Sagan beendet hatte. Ciolek hatte sich damit nach jahrelangem Hinterfahren einen absoluten Paukenschlag ausgesucht, um wieder in die Weltspitze vorzudringen.

An diesem Mittwoch fährt Ciolek nun beim deutschen Radklassiker „Rund um den Finanzplatz-Eschborn Frankfurt“ – früher besser bekannt als das Rennen "Rund um den Henninger Turm" – mit, und seit seinem Sieg bei Mailand-Sanremo gehört er nun genauso zum Favoritenkreis wie der WM-Vierte John Degenkolb, Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin und der Tour-Etappengewinner André Greipel. In diesen Kreis ist der 26 Jahre alte Kölner über Umwege gefahren. In diesem Jahr war er zum unterklassigen südafrikanischen MTN Qhubeka Team gewechselt. „Jetzt kann man sagen, dass sich die Entscheidung gelohnt hat“, erklärt er. Umgeben von afrikanischen Jungprofis und Europäern der zweiten und dritten Garde war ihm geglückt, was ihm zuvor bei höher eingestuften Teams wie T-Mobile, Milram und Quick Step niemals gelungen war. Das hatte bei T-Mobile und Quick Step seine Ursache in der hohen teaminternen Konkurrenz. Im früheren deutschen Musterrennstall überstrahlte der aufgehende Stern von Mark Cavendish die zartere Korona des Gerald Ciolek. Bei Quick Step war Ex-Weltmeister Tom Boonen als Kapitän gesetzt, wenn er auch nur in die Nähe von Normalform kam. Bei Milram hingegen hielt Ciolek ebenso wenig wie sein Co-Kapitän Linus Gerdemann dem Verantwortungsdruck stand.

Dass jetzt vieles anders ist, Ciolek auch in anderen Rennen dieser Saison mehrfach den Massensprint gewann, macht dessen neuer Sportlicher Leiter Jens Zemke auch an der besonderen Mission der Mannschaft fest: „Die Jungs fahren nicht nur um eigene Siege und Platzierungen, sondern für afrikanische Schulkinder.“ Co-Sponsor Qhubeka ist eine Stiftung, die Fahrräder an afrikanische Schulkinder verteilt. „Viele Kinder bei uns müssen eine Stunde oder länger zur Schule laufen. Mit einem Fahrrad sparen sie 40 Minuten. Und die können sie zum Lernen nutzen“, erklärt Zemke. Um an ein Fahrrad zu kommen, müssten die Kinder aber auch Bäume pflanzen oder Müll wegräumen. Auch Ciolek, der im Trainingslager in Südafrika eine Übergabe von Fahrrädern erlebt hat, findet das Projekt „interessant“.

Neben der Berührung mit einer Lebensrealität jenseits des Profisports spielt für Cioleks Leistungsexplosion weiter eine Rolle, dass er jetzt nicht nur nominell Kapitän ist, sondern auch die Statur und Kompetenz hat, diese Rolle auszufüllen. Die Kollegen schauen auf ihn. Und ein Neuprofi wie Songezo Jim, der dank seines Talents dem Leben in den Townships entronnen ist, mobilisierte bei Mailand – Sanremo die allerletzten Kräfte, um seinen Kapitän vorn dabei zu halten und die Grundlage für den bisher größten Erfolg des afrikanischen Radsports zu legen. Dessen Coverboy ist nun der blonde Deutsche.

Freilich gibt es auch profanere Gründe dafür, dass Ciolek gerade jetzt den Leistungssprung getan hat, den viele dem U-23-Weltmeister von 2006 schon viel früher zugetraut hatten. „Ich bin in dieser Saison später in den Wettkampfbetrieb eingestiegen und hatte mehr Zeit zum Trainieren. Dabei habe ich größeren Wert auf Krafttraining gelegt“, sagt er.

Ob sein jüngster Erfolg mit größerer Sauberkeit im Peloton zusammenhängen könnte, möchte er nicht näher erörtern. „Ich habe auch in den Jahren zuvor den einen oder anderen schönen Sieg erreicht.“

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