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Undurchdringlich und hölzern. Alberto Contador konnte gestern in Paris seinen wenig spektakulären dritten Tour-Sieg feiern. Foto: dpa

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Radsport: Die Tour de France prickelt nicht mehr

Alberto Contador langweilt die Radsportwelt bei seinem dritten Tour-Sieg. Nicht einmal als Bösewicht taugt der Spanier.

Alberto Contador ist eigentlich auf einem guten Weg. Im Alter von 27 Jahren hat er seit gestern bereits dreimal die Tour de France gewonnen – und hat die Gelegenheit, noch mehr zu erreichen. Dass er eine legendäre Gestalt im Radsport wird, ist allerdings nicht zu erwarten. Gegen die Aura der anderen drei Fahrer, die in der Tour-Geschichte je dreimal triumphieren konnten, kommt er nicht an. Philippe Thys etwa, Sieger von 1913, 1914 und 1920, holte seinen ersten Toursieg trotz einer gebrochenen Gabel. Die wurde nicht von einem flink herbei eilenden Techniker repariert, sondern von einem zufällig anwesenden Fahrradhändler auf offener Straße. Thys kassierte für diese unerlaubte Hilfe 10 Strafminuten. Der Belgier profitierte aber von dem gleichen Malheur seines Kontrahenten Eugene Christophe, dem die Gabel mitten auf dem Tourmalet brach – fern von allen Fahrradhändlern der Welt. Was hat Contador mehr geleistet als Louison Bobet (Sieger 1953, 1954, 1955), dessen Training im Juniorenalter darin bestand, Nachrichten der Resistance an den Deutschen vorbeizuschmuggeln?

Auch im Vergleich mit Greg LeMond, der als erster Amerikaner 1986 die Tour gewann und seine Siege Nummer zwei (1989) und drei (1990) nach einem Jagdunfall mit Schrotkugeln im Leib erreichte, sieht Contador blass aus. Erst recht, wenn man bedenkt, dass LeMond sich recht früh gegen die Praxis des Dopings aussprach und sich weder von den Tricks eines Floyd Landis oder Lance Armstrong einschüchtern ließ. Landis drohte LeMond im Jahr 2006 – damals wollte er der Welt noch weismachen, er sei nicht gedopt – dass er bekanntgeben werde, dass LeMond als Kind sexuell missbraucht worden war. LeMond hatte Landis von dieser Geschichte erzählt, weil er ihm klarmachen wollte, dass man vor seiner Geschichte nicht davonlaufen kann. Armstrong nutzt gegenwärtig jede Gelegenheit, LeMond als einen zänkischen und neidischen Alten hinzustellen.

Contador kann zwar auch verlässlich auf die Feindschaft des Texaners zählen. Dies aber nicht, weil er erzählt hätte, wie die Wettkampfvorbereitung im gemeinsamen Team Astana 2009 vor sich gegangen ist. Contador besaß nur die Frechheit, Armstrong den angestrebten achten Toursieg zu vermasseln.

Dass Contador darüber redet, wie die Verhältnisse im Radsport wirklich sind, ist nicht zu erwarten. Er geht nicht einmal über goldene Brücken, die ihm gebaut werden. Als ihn am Sonnabend nach dem Zeitfahren in Pauillac ein amerikanischer Journalist fragte, wie er sich als Sieger der „saubersten Tour“ der letzten Jahre fühle, verfinsterte sich sein Gesicht. Er nutzte die Gelegenheit nicht, sondern stammelte nur, dass jeder Junge, der Rad fahre, davon träume, mal die Tour zu gewinnen. Das Wörtchen „sauber“ kam bei ihm nicht vor.

Das Reden ist nicht die große Stärke des Alberto Contador. Er schweigt und siegt, er siegt und schweigt. Gesundheitliche Probleme und Dopinggerüchte schweigt er einfach weg. Seine einzige Erfüllung ist der Sieg. Lediglich als er gestern die Ziellinie in Paris überquerte – der Brite Mark Cavendish gewann die Schlussetappe im Sprint – strahlte er über das ganze Gesicht und reckte drei Finger für seine drei Siege in die Luft. Seinem Gegenspieler Andy Schleck hingegen kann man immer vom Gesicht ablesen, wie es ihm geht.

Contador hingegen bleibt hölzern und undurchdringlich. Im medialen Spiel bleibt ihm neben Schleck nur die Rolle des bösen Jungen. Vor dieser Konsequenz schreckt er aber zurück. Nach seinem Antritt beim Kettenschaden des Luxemburgers hatte er es in der Hand, von einem der langweiligsten zum finstersten Gesellen des Pelotons zu werden. Doch erschrocken ruderte er zurück und platzierte bei Youtube ein Entschuldigungsvideo. Contador bleibt es so vorbehalten, nach Fünffach-Sieger Miguel Indurain der zweite große spanische Langweiler der Tour de France zu werden. Schlechte Aussichten für den Radsport.

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