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Bin ich schon im Ziel? Vincenzo Nibali jubelt beim Giro d’Italia, auch wenn die Ziellinie im Schnee kaum zu erkennen ist.

© dpa

Radsport: Vincenzo Nibali gewinnt den Giro d'Italia

Der Giro d’Italia quälte die Radprofis mit unwirtlichen Bedingungen. Als Herr über Schnee, Regen und die gesamte menschliche Konkurrenz erwies sich Sieger Vincenzo Nibali aus Italien.

Endlich Sonne, dachten sich die Rennfahrer, als sie die letzte Etappe des Giro d’Italia vom Örtchen Riese Pio X nach Brescia in Angriff nahmen. Zwei Wochen in Regen und Schneegestöber hatten den sommerlichen Auftakt in Neapel längst in den Hintergrund gerückt. In die mageren Körper hatte sich die Kälte eingefressen. Viele Profis, unter ihnen Titelverteidiger Ryder Hesjedal und Toursieger Bradley Wiggins, waren entkräftet abgereist. Der Schnee hatte zuletzt auch die Technik geschlagen. „Ich hatte Schaltprobleme auf den letzten Kilometern“, sagte Cadel Evans, der vom zweiten auf den dritten Platz zurückgefallen war, um seinen Rückstand auf dem Anstieg zu den Drei Zinnen zu erklären. Der Schnee lag so dick auf seinem Schaltwerk, dass es die Kette einfach nicht mehr auf einen anderen Gang transportieren konnte. Und so kurbelte der BMC-Kapitän in zu kleiner Übersetzung verzweifelt dem enteilenden Kolumbianer Rigoberto Uran hinterher.

Als Herr über Schnee, Regen und die gesamte menschliche Konkurrenz erwies sich Vincenzo Nibali. Der Sizilianer eroberte beim Zeitfahren in Saltara, das eigentlich als Krönungszeremonie für Wiggins gedacht war, das Rosa Trikot. Er gab es danach nicht nur nicht ab, sondern vergrößerte mit zahlreichen Attacken Tag für Tag seinen Vorsprung und gewann erstmals die Italien-Rundfahrt. „Das ist mein Naturell. Ich kann nicht anders als anzugreifen. Manchmal will ich den Tagessieg, manchmal nur den Vorsprung in der Gesamtwertung ausbauen“, sagte er.

Im Laufe dieses Giro d’Italia ersetzte der Astana-Mann das Wörtchen „oder“ durch „und“. Er holte sich überlegen den Sieg beim Zeitfahren am Donnerstag und entschied auch die vom Profil her entschärfte, von den Wetterbedingungen her aber wieder erschöpfend schwer gemachte Königsetappe in den Dolomiten. Durch wirbelnde Schneeflocken fahrend überquerte er auf den Drei Zinnen als Erster die kaum noch erkennbare Ziellinie.

Sich seines Triumphes bewusst bedankte er sich bei seinen Unterstützern. Er dankte den Organisatoren, dass sie diese Etappe doch noch möglich gemacht hatten und widmete den Sieg seiner Frau. Der Giro-Schneekönig erlaubte sich noch einen Seitenhieb auf das größere Sportevent des Samstags. „Wenn in anderen Sportarten der Ball nicht vom Boden zurückspringt, wird gar nicht erst angepfiffen. Wir müssen aber immer weiter machen.“

Nibali geht als Triumphator der wohl härtesten Rundfahrt der letzten Jahre in die Geschichte ein. Der Sieger von Vuelta (2011) und Giro etabliert sich zugleich als ein ernsthafter Kandidat für kommende Frankreichrundfahrten. „Ich bin in der gleichen Verfassung wie letztes Jahr in Frankreich. Nur damals fehlte mir das Gelände, um den Unterschied zu machen“, blickte der Tourdritte auf die vergangene Saison zurück. Dies ist als deutliche Kampfansage zu verstehen. Bei diesem Giro d’Italia konnten weder der wieder erstarkte Toursieger von 2011, Cadel Evans, noch – bis zu seinem Ausscheiden – der aktuelle Titelträger Bradley Wiggins dagegen halten. Auch neue, wie die Kolumbianer Betancur (AG2R) und Uran (Sky) hielt Nibali in Schach. Die Tour in diesem Jahr lässt er noch aus. „Ich konzentriere mich auf die WM in Florenz. Man muss auch wissen, wie weit die Kräfte reichen“, meinte er.

Überschattet war der Giro von zwei Dopingfällen. Sie führten allerdings zu im Radsport bisher selten zu erlebenden Konsequenzen. Aufgrund der positiven Wettkampfprobe des Franzosen Sylvain Georges suspendierte sich dessen Rennstall AG2R für die kommende Tour de Dauphine selbst. Beim Dopingfall Di Luca entschuldigten sich Team und Sponsor, dass sie einem Mann mit seiner Vergangenheit noch einen Kurzzeitvertrag gegeben hatten. Di Luca war bereits zwei Mal zu Sperren wegen Dopings verurteilt worden.

Der Giro d’Italia hatte also von allem etwas: Kräftige Spuren der unrühmlichen Dopingvergangenheit dieses Sports, Wetterunbilden, die zur Absage einer Etappe führten, und einen lebhaften Wettbewerb, der in seiner Dramatik eher an eine Kette von Eintagesrennen erinnerte als an eine vorhersehbare Rundfahrt.

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