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Sport: Silvio Zoff Rücktritt: "Der falsche Mann" - Nach Berlusconis Kritik tritt Italiens Nationaltrainer zurück

Das Thema der Zeit nach der Europameisterschaft 2000 sollte für Italiens Fußballer eigentlich schon die Weltmeisterschaft 2002 sein. Deren Gewinn erscheint nach der bravourösen Steigerung der anfangs als erfolglos gesetzten "Azzurri" bis hin zum Endspiel durchaus möglich.

Das Thema der Zeit nach der Europameisterschaft 2000 sollte für Italiens Fußballer eigentlich schon die Weltmeisterschaft 2002 sein. Deren Gewinn erscheint nach der bravourösen Steigerung der anfangs als erfolglos gesetzten "Azzurri" bis hin zum Endspiel durchaus möglich. Ein kleiner Nachbrenner zur EM 2000 waren gerade noch die massiven diplomatischen Auseinandersetzungen der italienischen Regierung mit der holländischen wegen der unbegründeten Festnahme von sechs Fernsehleuten. Diese hatten bei der EM unzulängliche Behinderten-Zugänge zum Stadion gefilmt. Doch am Montag ließ eine unerwartete Nachricht ganz Italien aufhorchen: Der Medienzar und Oppositionsführer Silvio Berlusconi, im Nebenamt auch Chef des AC Milan, feuerte verbal eine derartige Breitseite gegen den allseits gefeierten Nationaltrainer Dino Zoff, dass dieser am Dienstagmorgen seinen Rücktritt erklärte.

Der Coach sei "total unfähig", habe "alles falsch" gemacht, "keinerlei Strategie" erkennen lassen, "die falschen Leute eingesetzt" und sei überhaupt für immer "der falsche Mann auf diesem Platz", hatte sich Berlusconi am Montagabend echauffiert. Dieses geschah während des begeisterten Empfangs, den Italiens Tifosi ihrer Mannschaft bei der Heimkehr bereitet hatten. Nach der einhelligen Wertung nahezu aller Experten war das Endspiel allenfalls durch Pech, nicht aber durch irgendwelche Kunstfehler seitens des "direttore tecnico" der italienischen Mannschaft verloren gegangen.

Was in Berlusconi gefahren ist, sich derart quer zu allen Würdigungen der italienischen Nationalmannschaft zu stellen, bleibt auch engen Freunden ein Rätsel. Selbst seine politischen Partner, von der Nationalen Allianz bis zum Christlich Demokratischen Zentrum, haben sich scharf gegen seine Schelte gewandt. Sogar sein Lieblingstrainer Arrigo Sacchi, der vor dem Turnier stark gegen Zoff polemisiert hatte, verteidigt den so unerwartet Angegriffenen: "Er hat alles herausgeholt, was herauszuholen war."

Nicht einmal die eigenen Vereinsfans folgen dem Mailänder Experten - er solle lieber zusehen, dass sein eigener Klub besser als auf Platz fünf abschneide, ließ ein "Forza Milan"-Fan im Radio wissen. Ein anderer bemerkte, Berlusconi habe Italiens Nationalfußball seit jeher mehr geschadet als genützt. Zum Beispiel, als er seinerzeit Sacchi auf den Posten des Nationaltrainers hievte und diesem danach so viel in die Arbeit hineinredete, dass der nicht mehr ein noch auswusste; so auch, als seine Medien dem Sacchi-Nachfolger Maldini keine Minute Zeit ließen, einen wirklichen Neuaufbau der Mannschaft durchzuführen. Bereits nach kurzer Zeit hatte die Presse ihn wieder aus dem Amt gemobbt.

Die meisten Kommentatoren in Italien suchen nach psychoanalytischen Erklärungen: Verspürt der Medienzar etwa Hass auf den erfolgreichen Coach, der es allen gezeigt hat - was gemeinhin nur Berlusconi für sich in Anspruch nimmt? Ärger, dass seine düsteren Prophezeihungen vor dem Turnier ("Die fliegen schon in der Vorrunde raus") nicht eingetreten sind? Oder auch Angst, dass sich die Hochstimmung des Wir-können-es-ja-doch-wieder, die auch nach dem 1:2 nicht ganz abgerissen ist, politisch transformieren könnte und der Regierung, der man in letzter Zeit auch nicht viel zutraute, wieder etwas Vertrauen verschaffen?

Oder ist es wieder einmal, wie schon oft, die Eitelkeit dessen, der meint, selbst immer alles besser zu können ("Wenn er Titten hätte, würde er auch noch die Fernsehansage in seinen Kanälen machen", hat ihn einmal ein Biograf beschrieben). Zoff jedenfalls hat seinen Rücktritt auf eine einfache Formel gebracht: "Ich brauche von niemandem Lektionen in puncto persönlicher Ehre und Ansehen - und schon gar nicht von einem Herrn Berlusconi."

Dieser muss nun mit ansehen, wie ganz Italien vor dem überraschend Zurückgetretenen auf dem Bauch liegt und ihn bittet, doch zu bleiben.

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