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Was soll das? Thomas Morgenstern hat bei Rückenwind keine Chance, ganz weit vorn zu landen – und ist nach dem Wettkampf entsprechend bedient.

© dpa

Skispringen - Vierschanzentournee: Windlotterie im Bergisel-Stadion von Innsbruck

Von einem fairen Wettkampf mit gleichen Chancen für alle war das dritte Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck am Samstag weit entfernt. Entsprechend heftig fielen hinterher die Reaktionen aus.

Wutentbrannt reckte der Vater von Thomas Morgenstern die rechte Faust in Richtung Juryturm. Doch es war unklar, ob die Herren, die am Samstagnachmittag in Innsbruck über die Freigabe der Springer auf der Bergiselschanze entschieden, ihn überhaupt wahrnehmen konnten. Ihr Sicherheitsabstand zur Familie Morgenstern war allerdings mehr als sinnvoll. „Bei Thomas Morgenstern herrscht höchste Explosionsgefahr“, berichtete der österreichische Cheftrainer Alexander Pointner, „der Sportler fühlt sich vorgeführt und verarscht.“ 

Das dritte Springen der Vierschanzentournee hatte sich aufgrund stark wechselnder Winde zu einem einzigen Glücksspiel entwickelt. Thomas Morgenstern verlor dabei, denn er hatte gleich doppelt Pech. Erst hinderte ihn im ersten Durchgang starker Rückenwind am Fliegen. „Ich verstehe nicht, warum man nicht eine Minute warten kann, damit die Sportler gleiche Verhältnisse haben“, ärgerte sich Thomas Morgenstern. Dann brach die Jury den zweiten Durchgang wegen widriger Wind- und Lichtverhältnisse ab. Und verweigerte dem Österreicher eine Chance zur Wiedergutmachung. Immerhin hat Thomas Morgenstern mit Platz acht noch das Beste aus den schwierigen Bedingungen gemacht. Als Dritter der Gesamtwertung hat er durchaus Chancen auf den Tourneesieg. „Dass er noch dabei ist, ist sensationell“, lobte Pointner. 

Es siegte überraschend der Finne Anssi Koivuranta vor dem Schweizer Simon Ammann und dem Polen Kamil Stoch, die allesamt vom Aufwind begünstigt waren. Der zweite Fis-Renndirektor Miran Tepes fasste das Motto des Tages schon vor dem ersten Durchgang zusammen: „Skispringen ist eine Outdoorsport, da gehört manchmal auch Glück dazu.“ Zu den Glücklicheren zählte auch der 21 Jahre alte Österreicher Thomas Diethart, der mit Platz fünf seine Führung in der Gesamtwertung der Vierschanzentournee knapp vor Simon Ammann verteidigen konnte.

Die Deutschen konnten sich erneut nicht ganz vorn platzieren

Es war überraschend, dass das Springen überhaupt stattfinden konnte. „Wir hatten heute eine besondere Situation, dass wir ein Skispringen bei Föhn hatten“, gab Fis-Renndirektor Walter Hofer zu. Seit Donnerstag hatte der Wetterbericht vor starken Föhnwinden in Innsbruck gewarnt. Schon auf der Autobahn empfing das elektronische Verkehrsleitsystem die Kraftfahrer am Samstagvormittag mit den Worten: „Achtung, Seitenwinde auf der Europabrücke, angepasst fahren!“ Das galt auch für die Skispringer. Eine plötzliche Windböe gefährdete sogar den Österreicher Wolfgang Loitzl, der mit rudernden Armen gerade noch einen Sturz vermeiden konnte. Mit nur 70 Metern landete er auf dem letzten Platz. Per Scheibenwischer-Geste machte er deutlich, was er von diesem Wettbewerb hielt. 

Etwas Pech hatte auch das deutsche Team, in dem Severin Freund und Marinus Kraus einen guten zweiten Sprung absolvierten. Doch dann schwenkte Walter Hofer beide Arme, brach den zweiten Durchgang ab, weshalb nur der erste Durchgang gewertet wurde. „Wir müssen die Skispringer sicher runterbringen“, sagte der Skisprung-Chef. Für Bundestrainer Werner Schuster kam der Abbruch zu früh, zumal anschließend kurzzeitig akzeptable Windbedingungen herrschten. „Man hätte noch mehr kämpfen müssen, um den Durchgang zu Ende zu bringen“, sagte er. So verbuchte sein Team mit den Rängen elf (Richard Freitag), 13 (Marinus Kraus), 15 (Severin Freund) und 18 (Andreas Wellinger) das bisher schwächste Ergebnis bei der Tournee. „Wir haben versucht, uns herauszukämpfen, aber für die Spitze hat es nicht gereicht“, sagte Werner Schuster. 

Ganz anders bei Simon Ammann, der unmittelbar nach Thomas Morgenstern den plötzlichen Aufwind zum weitesten Sprung des Tages nutzte: 133,5 Meter. Der Doppelolympiasieger von Salt Lake City und Vancouver hat mit 9,4 Punkten Rückstand auf Diethart vor dem abschließenden Springen in Bischofshofen am Montag noch gute Chancen auf seinen ersten Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee. Entsprechend begeistert jubelte er im Auslaufraum. Nicht so schön aber fanden das viele Österreicher unter den 22 150 Zuschauern im Bergisel-Stadion. Einige Fans reckten neun überdimensionale Buchstaben in die Höhe: BLEDA WIND. Auf Deutsch: Blöder Wind.  

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