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Stéphane Richer (Eisbären Berlin) übernimmt zunächst das Traineramt, nachdem Clement Jodoin entlassen worden ist.

© imago/Matthias Koch

Trainer Jodoin muss gehen: Die Eisbären beenden ein Missverständnis

Nach den vielen Heimniederlagen zuletzt reagiert der Berliner DEL-Klub. Sportdirektor Stéphane Richer wird Interimstrainer.

Am späten Dienstagabend wirkte Clement Jodoin wie ein Mensch, der Abschied nimmt von einem Lebensabschnitt. Der Trainer der Eisbären sah angegriffen aus. Dieser Kerl von einem Mann entschuldigte sich mit zittriger Stimme bei allen Angestellten des Berliner Eishockey-Klubs für die kurz zuvor erlittene vierte Heimniederlage in Folge. Das 2:5 gegen Nürnberg war das 29. Spiel von Jodoin als Cheftrainer der Eisbären, die nach dieser Pleite auf Platz neun in der Tabelle abrutschten. Und es war das letzte Spiel von Jodoin als Trainer in Berlin. Am Mittwochabend gab der Klub bekannt, dass sich die Wege trennen. Sportdirektor Stéphane Richer wird als Interimstrainer einspringen, die Co-Trainer Steffen Ziesche und Gerry Fleming bleiben.

Geschäftsführer Peter John Lee sagte am Mittwochabend dem Tagesspiegel: „Wir wollten am Dienstag nicht in einer emotionalen Situation entscheiden. Heute haben wir viel geredet, vor allem auch mit unserem Aufsichtsratsvorsitzenden Luc Robitaille in Los Angeles. Er trägt die Entscheidung mit.“ Wie lange Richer hinter der Bande stehen soll, sei noch nicht klar. Man werde das nach den nächsten Spielen entscheiden, sagte Lee. „So wie zuletzt mit den Heimniederlagen ging es einfach nicht mehr weiter.“

Die Eisbären haben mit der Demission von Jodoin ein Missverständnis beendet, das sie womöglich eine gute Saison kostet. Dass derjenige, der Jodoin vom Co- zum Cheftrainer beförderte, nun die Mannschaft coachen soll, ist aber etwas merkwürdig. Gut, man kennt diese Konstellation aus dem Sport, etwa von Ralf Rangnick beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig – oder auch von Richer selbst, der schon in Hamburg immer mal als Co-Trainer einsprang, wenn es nicht lief.

Jodoin trifft nicht allein die Schuld

Schon am Freitag haben die Eisbären ihr nächstes Heimspiel gegen Augsburg – eine fünfte Niederlage in Folge könnte auch so langsam die Geduld des Berliner Publikums erschöpfen. Von den Eisbären erwarten die Fans aufgrund deren glorreicher Vergangenheit mit sieben Meistertiteln eben mehr als sie zuletzt gezeigt haben. Dass allerdings Jodoin allein die Schuld an der Misere trifft, ist nicht richtig. Wobei es um die Autorität des 66 Jahre alten Kanadiers im Team wohl nicht mehr allzu gut bestellt war, aber das kam sicher auch mit dem Misserfolg.

Bei diesem Thema kommt man bei der Ursachenforschung auch auf Richer: Der Sportdirektor hat die Mannschaft vor der Saison nicht so verstärkt, wie es nötig gewesen wäre und sich anscheinend verschätzt, was den Zustand seiner vermeintlichen Führungsspieler wie Micki DuPont oder André Rankel betraf. Denn die sind in die Jahre gekommen und längst nicht mehr auf dem Höhepunkt ihres Könnens.

Zudem ging nach der Vorsaison mit Petri Vehanen ein Weltklassetorwart, der der „Mannschaft in fast jedem zweiten Spiel den Arsch gerettet hat“, wie Jodoins Vorgänger Uwe Krupp einmal in einer lauten Minute gesagt hat. Der hastig nach Saisonbeginn geholte Kanadier Kevin Poulin hat nicht die Präsenz von Vehanen. Gegen Nürnberg zerdepperte er nach drei frühen Gegentoren den Schläger und wechselte sich dann selbst aus – so reißt ein Torwart die Mannschaft nicht mit.

Dass Richer in der Personalpolitik daneben lag, kam auch in seiner Zeit bei den Hamburg Freezers vor. Das Team kam mit ihm nie über das Viertelfinale in der Deutschen Eishockey-Liga hinaus – sechs Jahre war er dort Trainer, Sportdirektor und auch mal Co-Trainer. Bis die Freezers 2016 von Eigner Philip Anschutz abgewickelt wurden. Es wird spannend bei den Eisbären, die Spannungen dürften sich mit der Trainerentlassung kaum entladen hinter den Kulissen.

Haus am See

Clement Jodoin dagegen sollte es gut gehen. Der Trainer hatte zuletzt ohnehin von seinem Haus in Kanada geschwärmt, das an einem schönen See liegt. Da kann Jodoin nun seinen Ruhestand genießen oder eben warten, ob noch ein gutes Angebot kommt: Cheftrainer war der Mann ohnehin nicht gern, das Amt des Assistenten lag ihm mehr. Auch bei den Eisbären, die er nun nach insgesamt anderthalb Jahren verlässt.

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