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Tadej Pogacars Leistungsdaten werden inzwischen von Experten ganz genau unter die Lupe genommen.

© imago images/Panoramic

Überlegenheit ruft Zweifler auf den Plan: Tadej Pogacar fährt in seiner eigenen Liga

Der Slowene Pogacar hat die Tour die France fast nach Belieben dominiert. Vor allem eine Allzeitbestmarke sorgt für Stirnrunzeln.

Im Frontbereich des Busses vom Team UAE stapelten sich in den vergangenen Tagen die Plüschlöwen. Tadej Pogacar hat sie seit der achten Etappe nach jedem Teilstück als Träger des Gelben Trikots vom Hauptsponsor der Tour de France erhalten. Schon 2020 beendete er die Frankreich-Rundfahrt als Sieger, doch in diesem Jahr hat er diese Leistung noch einmal getoppt.

Erneut gelangen Pogacar drei Etappensieg, zwei in den Bergen, einer im Zeitfahren. Er ist wie im Vorjahr bester Jungprofi, konnte sich dazu aber sogar noch das Bergtrikot sichern und schon frühzeitig war diesmal klar, dass der 22 Jahre alte Slowene das Rennen überlegen gewinnen würde.

Nur das Grüne Trikot war für ihn außer Reichweite, der Brite Mark Cavendish trug es am Sonntag auf der letzten Etappe nach Paris auf die Champs-Élysées. Dort gewann der Belgier Wout van Aert vom Team Jumbo-Visma, es war sein dritter Etappensieg.

„Man muss weit in die Vergangenheit des Radsports zurückgehen, um ähnliche Leistungen zu finden. Er fuhr bei dieser Tour in einer eigenen Liga“, konstatiert David Brailsford mit Blick auf Pogacar. Der Chef von Ineos Grenadiers, einst dominierender Rennstall bei der Tour, jetzt mit einem dritten Gesamtrang und ganz ohne Etappensieg abgespeist, bewundert Pogacar regelrecht.

„Man muss erst einmal den Mut haben, solch einen Angriff 34 Kilometer vor dem Ziel zu wagen. Ich habe viel Respekt vor ihm“, bezog sich der Waliser auf die achte Etappe dieser Tour.

Eine Attacke als Schlüsselmoment

Die Attacke am Col de Romme und das Ausbauen des Vorsprungs am folgenden Col de la Colombiere stellte den Schlüsselmoment dieser Tour dar. Drei Minuten und zwanzig Sekunden holte Pogacar insgesamt auf beiden Anstiegen heraus und durfte sich danach das Gelbe Trikot überstreifen.

Für Stirnrunzeln sorgte vor allem die Allzeitbestmarke am Col de Romme von 26 Minuten und 29 Sekunden. Die bisherige Bestzeit hielten mit 26:49 Minuten die Gebrüder Schleck, Alberto Contador und Andreas Klöden, gefahren bei der Tour de France 2009. Die Etappe damals hatte allerdings ein schwereres Profil. Auf seine direkten Verfolger fuhr Pogacar eine Minute und sieben Sekunden heraus.

„Schaut man sich deren Daten an, sieht man aber, dass sie nicht alles gaben“, meint David Walsh, britischer Radsportjournalist und der erste, der Lance Armstrong ernsthaft auf den Zahn fühlte, bei einem Gespräch im Pressezentrum der Tour. Walsh verfügt nach eigenen Angaben auch über einige Leistungsdaten Pogacars. Und er hält sie für nachvollziehbar.

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Am Col de la Colombiere holte Pogacar etwa zwei Minuten auf die konsternierten Verfolger heraus. Er verpasste die absolute Bestzeit nur um zwei Sekunden. Die wurde 2018 vom Iren Dan Martin erzielt. Die damalige Verfolgergruppe, angeführt von Team Sky, brauchte nur drei Sekunden länger.

Das bedeutet: Pogacar war in diesem Jahr auf dem Niveau des Teams Sky aus dem Jahr 2018. Man kann es auch so sehen: 2018 waren der Bergzug des britischen Rennstalls sowie eine weitere Handvoll von Klassementfahrern anderer Teams auf dem Niveau, auf dem anno 2021 der Solist Pogacar agierte.

Solist war er, weil die meisten seiner Rivalen durch Stürze lädiert waren und teilweise sogar ausschieden. Vielen ihrer Helfer ging es nicht anders. „Das merkt man natürlich. Es fehlt an Power, es gibt keine Dominanz“, analysiert Matt White, Teamchef von BikeExchange.

Angezweifelt wird Pogacars Leistung dennoch. Der Dopinganalytiker Antoine Vayer rechnet die Zeiten am Berg und das Körpergewicht von einzelnen Fahrern zu individuellen Wattzahlen hoch und überführt diese Werte der besseren Vergleichbarkeit wegen auf ein standardisiertes Körpergewicht von 78 Kilogramm.

Bei manchen Werten im Bereich von Lance Armstrong

Diesen Werten zufolge bewegt sich Pogacar tatsächlich teilweise im Bereich von Lance Armstrong. Deshalb nennt Vayer den Slowenen gern „Pogastrong“.

Bei mehr als 30 Minuten andauernden Anstiegen allerdings, die Vayer als Grundlage für sein bekanntes Dopingradar nimmt, war Pogacar bislang nur ein einziges Mal in dem Bereich von 430 bis 450 Watt. Den bezeichnet Vayer als „orange Zone der Wunder“.

Das war allerdings nicht bei der Tour, sondern bei Pogacars Etappensieg in Prato di Tivo beim diesjährigen Tirreno Adriatico. In den von Vayer so genannten „Mutanten-Bereich“ ab 450 Watt, stößt Pogacar zumindest im veröffentlichten Zahlenwerk gar nicht vor.

Er war bei dieser Tour auch nicht unangreifbar. Am Mont Ventoux fand er in Jonas Vingegaard einen zwischenzeitlichen Bezwinger. Weitere Grenzen gab es für Pogacar in den Pyrenäen. Er holte dort zwar zwei Etappensiege, gestand aber auch ein: „Ich wollte eigentlich früher attackieren, aber ich kam einfach nicht weg.“ Das legt nahe, dass er vielleicht doch nicht der Überfahrer ist, zu dem ihn viele bereits ernannt haben.

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