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Protestaktion von Amnesty gegen die Menschenrechtsverletzungen in Katar.

© IMAGO/epd

Weitere Vorwürfe vor dem Turnier: „Während Katar sich auf die WM vorbereitet, verhaften Sicherheitskräfte LGBT-Personen“

Kurz vor Beginn der WM belasten neue Berichte von Menschenrechtsorganisationen Katar. Das Emirat selbst sieht darin eine „beispiellose Kampagne“.

Weiße Shirts sind an einer Leine aufgehängt und flattern durch den Wind, unmittelbar vor dem Brandenburger Tor. Darauf stehen Begriffe wie „Zwangsarbeit“, „Pressezensur“ und „Gewerkschaftsverbot“. Einige sind mit braunen und roten Flecken übersät – symbolisch für das Blut und den Schweiß der Arbeitsmigrant*innen auf den WM-Baustellen in Katar. Davor stehen zwei Menschen in schwarzen Anzügen und Zigarre im Mundwinkel, die angestrengt Geldscheine sortieren – Milliardensummen, die der Weltfußballverband Fifa und Katar in die Ausrichtung der WM investiert haben.

So ereignete es sich vor wenigen Tagen bei einer Kunstaktion von Amnesty International, bei der die Menschenrechtslage in Katar und Sportwashing bei Großveranstaltungen, wie es in der Vergangenheit bei Russland oder China der Fall war, angeprangert wurden. Die anhaltenden Vorwürfe sind auch der Grund, weshalb der Golfstaat sich einer „beispiellosen Kampagne“ ausgesetzt sieht.

So jedenfalls formulierte es der Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani bei einer emotionalen Rede am Dienstag. Vergleichbares habe er noch in keinem Gastgeberland erlebt, sagte er. Anfangs sei sein Land der Auffassung gewesen, dass einige Kritikpunkte nützlich seien, um überfällige Veränderungen einzuleiten. „Aber uns wurde bald klar, dass die Kampagne weitergeht, sich ausdehnt, Verleumdung und Doppelmoral einschließt.“

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Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander

Tatsächlich hat Katar einige arbeitsrechtliche Reformen erlassen, wenn auch viel zu spät. Nachdem bekannt wurde, dass seit WM-Vergabe rund 15.000 Arbeitsmigrant*innen ums Leben gekommen sind, häufte sich die Kritik an den Arbeitsbedingungen. Ausbleibende Löhne, Massenunterkünfte und schwere körperliche Arbeit bei 50 Grad Temperatur zählten zu den Hauptkritikpunkten.

Deshalb führte der Golfstaat unter anderem einen Mindestlohn und ein Gesetz ein, das die Arbeitszeit regelt. Häufig werden die Reformen in der Praxis allerdings nicht umgesetzt.

In anderen Bereichen, zum Beispiel beim Umgang mit queeren Personen, die weiterhin kriminalisiert werden, hat Katar jegliche Reformversuche unterbunden. Das wurde auch im jüngsten Bericht von Human Rights Watch (HRW) deutlich, aus dem hervorgeht, dass die Polizei in den vergangenen Jahren wiederholt queere Menschen willkürlich festgenommen und misshandelt haben soll.

Das Emirat weigert sich, die Todesfälle umfassend aufzuklären

Insgesamt dokumentierte HRW sechs Fälle von schweren Schlägen und fünf Fälle von sexueller Belästigung in Polizeigewahrsam. Der letzte Fall soll sich erst im September ereignet haben. Diese Berichte stehen im Kontrast zu den Aussagen von Fifa-Präsident Gianni Infantino, der nicht müde wurde zu betonen, dass jeder bei der WM willkommen sei - „unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung.“

„Während Katar sich auf die Ausrichtung der Fußball-WM vorbereitet, verhaften und misshandeln Sicherheitskräfte LGBT-Personen, nur weil sie so sind, wie sie sind – offenbar in der Überzeugung, dass die Übergriffe der Sicherheitskräfte nicht gemeldet und nicht kontrolliert werden“, sagt Rasha Younes von HRW.

Während Katar sich auf die Ausrichtung der Fußball-WM vorbereitet, verhaften und misshandeln Sicherheitskräfte LGBT-Personen.

Rasha Younes

Auch im Hinblick auf die arbeitsrechtlichen Reformen ist fragwürdig, inwieweit diese langfristig bestehen bleiben. Die Aussage Al-Thanis lässt Zweifel daran, ob diese auch nach der WM, wenn die öffentliche Aufmerksamkeit nicht mehr auf dem Golfstaat liegt, und Medien sowie Politiker*innen abreisen, eingehalten werden.

Nach wie vor weigert das Emirat sich, die Todesfälle anzuerkennen und umfassend aufzuklären. Erst vor wenigen Tagen sprach das Organisationskomitee von drei Todesfällen, die direkt mit Unfällen auf den Baustellen zutun hätten und 37 weiteren Todesfällen, die damit indirekt in Zusammenhang stünden. Das Irritierende: Amnesty spricht von 15.000 toten Arbeitsmigrant*innen zwischen 2010 und 2019 – eine Zahl, die sogar von den katarischen Behörden stammt.

Menschenrechtsorganisationen und einige Fußballverbände fordern deshalb einen Entschädigungsfonds für die Familien in den Herkunftsländern, die der Tod ihrer Haupternährer*innen oftmals in tiefste Armut stürzt. Inwiefern das Emirat Katar dieser Forderung auch nach der WM nachkommt, ist durchaus fragwürdig und dürfte maßgeblich davon abhängen, wie groß der politische Druck dann noch ist.

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