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Der Verkäufer. Oliver Bierhoff steht bei vielen Fans in der Kritik.

© dpa

WM-Analyse der Nationalmannschaft: Oliver Bierhoff und sein Ja, aber

Während sich Joachim Löw in Selbstgeißelung übt, tut sich Oliver Bierhoff schwer mit dem Eingeständnis seiner Fehler. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Stakeholder sind laut Wikipedia Personen, die ein berechtigtes Interesse am Verlauf oder Ergebnis eines Prozesses oder Projektes haben. Stakeholder sind aber offenbar auch Menschen, die beim Deutschen Fußball-Bund mehr zu sagen haben als dessen Präsident. Reinhard Grindel hatte vor kurzem angedeutet, dass das Label „Die Mannschaft“ für die deutsche Nationalmannschaft wegen fehlender Akzeptanz im Volk wohl wieder abgeschafft werde. Der Ausdruck gilt vielen als Beleg für die Abgehobenheit des Verbandes, für das Primat der Vermarktung vor dem Sport. Und wenn Grindel so etwas ankündigt, sollte man davon ausgehen, dass es auch umgesetzt wird.

Bei Oliver Bierhoff, der „Die Mannschaft“ erfunden hat, hörte sich das nun geringfügig anders an. Der Manager der Nationalmannschaft hat sich gegen eine emotionale Ad-hoc-Entscheidung in dieser Angelegenheit ausgesprochen. Statt das umstrittene Label umgehend vom Markt zu nehmen, sollten sich erst einmal die Stakeholder mit dem Thema beschäftigen.

Dass Bierhoff und das Publikum der Nationalmannschaft in verschiedenen Welten unterwegs sind, ist keine neue Erkenntnis. Die Nationalspieler sind unnahbar und schotten sich ab? Sie sind doch im Trainingslager auf Fahrrädern zum Training gefahren! Eine Verständigung scheint unter solchen Bedingungen schwer möglich, zumal sich der smarte Manager und die Kurve auch auf unterschiedlichen Sprachebenen bewegen: Der Ausdruck Stakeholder gehört jedenfalls nicht zum aktiven Wortschatz des gemeinen Fußballfans.

Der Unmut richtete sich gegen Bierhoff

Dass sich beide Seiten wenig zu sagen haben, wurde auch am Mittwoch wieder deutlich, als Bierhoff zusammen mit Joachim Löw vor der Presse saß und die missratene WM zu erklären versuchte. Während der Bundestrainer sich in Selbstgeißelung für Fortgeschrittene übte, war Bierhoffs Vortrag eher ein Ja, aber ...

Das blamable Vorrunden-Aus der Nationalmannschaft bei der WM in Russland hatte in erster Linie sportliche Gründe, fällt also in das Ressort des Bundestrainers; trotzdem ist Bierhoff stellvertretend für alles Schlechte und viele Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht worden. Die Kritik an ihm war überzogen, sie war in Teilen auch unredlich. Um es mal ein bisschen überspitzt zu formulieren: Bierhoff, der für die Vermarktung der Nationalmannschaft zuständig ist, wurde dafür angefeindet, dass die Nationalmannschaft vermarktet worden ist.

In seiner Verteidigungssuada hat er darauf hingewiesen, dass nicht nur der Verband finanziell von der Vermarktung der Nationalmannschaft abhängt, sondern auch der gesamte Amateurfußball. Das ist sicher nicht falsch. Aber manchmal kann man Recht haben – und sollte es trotzdem einfach mal für sich behalten.

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