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Sport: Wortkarg und direkt

Wie lebt es sich im Artland? Ein Erfahrungsbericht

Quakenbrück liegt an der Bundesstraße 68, die von Cloppenburg nach Nordrhein-Westfalen reicht. Aber Quakenbrück befindet sich, genau wie Cloppenburg, noch tief in Niedersachsen. Man kommt auch mit dem Zug nach Quakenbrück, über Osnabrück. Vor dem Quakenbrücker Bahnhof nutzen die Züge nur ein Gleis, früher waren es mal zwei.

In den letzten Jahrzehnten hat sich Quakenbrück sehr verändert, es ist vielfältiger geworden. In den Neunzigerjahren kamen viele Russlanddeutsche hierher. Eine Zeitlang gab es im Stadtteil Hengelage, direkt an der Durchgangsstraße, einen Laden namens „Traum“. Im Schaufenster lagen russischer Kitsch, CDs und alle möglichen Memorabilia. Inzwischen hat der Laden wieder dichtgemacht.

Insgesamt befindet sich Quakenbrück aber im Aufschwung – nicht nur wegen der Basketballer, die nach dem umliegenden, flachen Artland den Namen „Artland Dragons“ tragen. Die Einwohnerzahl ist auf 13 000 gestiegen. Die „Quakenbrücker Musiktage“ sind zur festen Größe der Stadt geworden, vergangenes Jahr spielte der englische Star-Geiger Nigel Kennedy in der Artland-Arena – dort, wo sonst die Dragons ihre Heimspiele austragen.

Es lässt sich nicht behaupten, dass den Quakenbrückern im Wandel der Zeiten die Tradition oder gar das Niedersächsisch-Bodenständige abhanden gekommen sei – im Gegenteil. Am vergangenen Wochenende hat der Stadtteil Hengelage wieder sein Schützenfest gefeiert. Wie jedes Jahr wurde der Stand mit dem Adler aufgebaut, die Straßen und der Festplatz waren geschmückt. Ein Ritual wie der 1. Mai in Kreuzberg, nur friedlicher.

Schützenfeste geben vor allem der männlichen Bevölkerung in der Region, die auch wortkarg sein kann, eine Gelegenheit, aus sich herauszugehen. Wenn er will, kann der Quakenbrücker sehr einsilbig werden. Vor einigen Jahren – noch zu D-Mark-Zeiten – kam ein Quakenbrücker in einen Blumenladen und sagte lakonisch: „Einmal 20 Mark, bunt.“ Die Verkäuferin wusste gleich, was gemeint war: Der Mann, der sich nicht mit der lyrischen Beschreibung der Gladiolen, Nelken und Rosen aufhalten mochte, wollte einen bunten Strauß für 20 Mark.

Wenn der Quakenbrücker wütend ist, kann er direkt werden. Anfang der Achtzigerjahre machte der Fall eines Mannes aus Quakenbrück bundesweit Schlagzeilen, der spätabends in seiner Kneipe kein Bier mehr bekam, weil er zu betrunken war. Der Mann ging nach Hause, aber nicht, um seinen Rausch auszuschlafen. Stattdessen startete er einen Bagger aus dem heimischen Fuhrpark. Mit dem Gerät durchbrach er die Außenmauer seiner Stammkneipe; mit der Baggerschaufel kam er direkt vor dem Tresen zum Stehen. Der Kneipenwirt schenkte dem Mann trotzdem kein Bier mehr aus.

Die Basketball-Begeisterung in Quakenbrück hat nicht nur Vorteile. Fußball hat in der Stadt keinen leichten Stand – jedenfalls muss man diesen Eindruck bekommen, wenn man mit dem fußballbegeisterten Sohn irgendwo im Stadtzentrum vergeblich nach einem Bolzplatz sucht. Im Stadtpark ist das Ballspielen untersagt. Und die Leute halten sich dran.

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