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DDR-Vergangenheit: Junge Linke wollen Klarheit über Stasi-Tätigkeiten

In Brandenburg kritisieren Abgeordnete ihre eigene Partei. Die CDU lehnt derweil Gerrit Große als Landtagsvize ab.

Potsdam - Die Absage der Union zur designierten Landtags-Vizepräsidentin Gerrit Große von den Linken kam prompt. Und scharf: Die Union werde nach den Enthüllungen der letzten Wochen keine Linke mit „unklarer Biografie“ in irgendein Amt wählen, erklärte CDU-Oppositionsführerin Johanna Wanka. Sie persönlich, so fügte Wanka hinzu, hätte es sowieso für klüger gehalten, die Stasi-Überprüfung des Landtages abzuwarten. Seit die Zahl der vorher bekannten und jüngst enttarnten früheren Stasi-IMs der 26 im September gewählten Abgeordneten auf sechs gestiegen war, wächst das Misstrauen, richten sich die Blicke auf die Linke-Regierungsfraktion.

Und Große, bislang im Landtag allgemein als Bildungsexpertin anerkannt, bis in die Reihen der Union hinein, ist da sogar ein ziemlich typisches Mitglied. Zu DDR-Zeiten war die heute 55-jährige Deutsch- und Musiklehrerin, seit 1988 auch Schulleiterin, was sie bis 1991 blieb. Sie sei, so heißt es in der Koalition, auf Kommunalebene zwei Mal bei der Birthler-Behörde überprüft worden. Es ist diese Fünfziger-Generation, die die auf 25 Abgeordnete geschrumpfte Fraktion prägt. Das Durchschnittsalter beträgt 48 Jahre, bei 65 Jahren liegt es im rund 9000 Mitglieder zählenden Landesverband.

In der Fraktion dominieren Politiker der um die Wendezeit nachrückenden SED-Elite der zweiten Reihe, aus den mittleren und unteren Etagen von Partei- und Staatsapparat, dem Schuldienst. 1989 waren sie so um die 30 Jahre alt, blieben nach der Wende bei der PDS und machten dort Karriere. Es sind Leute wie Ralf Christoffers, jetzt Wirtschaftsminister, der an der SED-Parteihochschule studierte und Dozent war. Der Parlamentsgeschäftsführer Christian Görke war Sport- und Geschichtslehrer, Margitta Mächtig Kreischefin der Pionierorganisation im Barnim.

Auch die früheren Stasi-IMs, deren Verstrickungen seit eineinhalb Jahrzehnten bekannt waren und die ihre Direktwahlkreise gewonnen hatten, ordnen sich hier ein: Fraktionschefin Kerstin Kaiser lehrte Sprachen an der SED-Hochschule in Kleinmachnow, der Innenpolitiker Hans Jürgen Scharfenberg war Parteisekretär an der Akademie für Staat und Recht, einer Kaderschmiede für Funktionäre, in Potsdam. Und Axel Henschke aus Frankfurt (Oder) war zwei Jahre Aufseher in einem Stasi-Gefängnis, verließ dann die Stasi, wurde aber ein paar Jahre später als IM wieder rückfällig. In der Hierarchie der alten SED-Nomenklatura ist die zurückgetretene frühere Landtagsvizepräsidentin Gerlinde Stobrawa, die nach Akten der Birthler-Behörde als IM „Marisa“ spitzelte, was sie bestreitet, heute die Ranghöchste. Stobrawa, die als Bürgermeisterin in Bad Saarow den Ruf einer „Salonkommunistin“ hatte, war 1989 Vizechefin des Rates des Bezirkes in Frankfurt (Oder).

Aber da sind auch, was zum Gesamtbild gehört, die Jüngeren und ganz Jungen, immerhin sieben Abgeordnete. Bei ihnen war die Enttäuschung über die Ex-Mitglieder Gerd-Rüdiger Hoffmann, aber auch Renate Adolph, die ihre IM-Vita verleugnet hatten, besonders groß. „Was kommt da noch? Wer belügt die Wählerschaft, die Partei und mich?“, fragte etwa Torsten Krause. Inzwischen eint alle die wachsende Hoffnung, dass es bei der Stasi-Überprüfung keine neuen Fälle mehr gibt. Die Stimmung beschreibt der Abgeordnete Peer Jürgens so: „Die Unruhe legt sich langsam.“

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