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Potsdam: Castor und Chaoten: Polizei lässt Fußball ausfallen

Weil Beamte den Atomtransport sichern sollen, müssen Vereine zwei Spiele absagen. Betroffen ist auch das brisante Spitzenduell in Babelsberg gegen Halle.

Potsdam/Schöneiche - Die Brandenburger Polizei hat am Wochenende nicht genügend Einsatzkräfte im Land, um zwei Fußballspiele zu schützen. Weil mehr als 300 Beamte zur Absicherung des Castor- Transportes nach Niedersachsen reisen und Verstärkung aus anderen Bundesländern nicht verfügbar ist, muss am Sonnabend das Spitzenspiel in Potsdam zwischen den Traditionsklub SV Babelsberg 03 und dem Halleschen FC ausfallen. Ebenfalls abgesagt wurde das fünftklassige Oberligaspiel zwischen Germania Schöneiche und dem DDR-Rekordmeister BFC Dynamo.

Die Sicherheitsbehörden verweisen vor allem auf die Brisanz des Spiels in Potsdam, zu dem 4000 Zuschauer erwartet wurden, allein 1500 aus Halle. Das Szenario wäre dieses gewesen: In der Szene des HFC agieren viele rechte Schläger. Die Babelsberger Fans hingegen haben zwar keine radikalen Hooligans, aber 80 aktenkundige „Problemfans“ der zweithöchsten Polizei-Kategorie „B“, die gute Kontakte ins linke Milieu von Potsdam und Berlin haben.

Zwar hat die Polizei bei Fußballspielen in Babelsberg eine funktionierende Taktik bei der Anreise zum Stadion entwickelt: Die Fans laufen über zwei parallel verlaufende Straßen vom S-Bahnhof zum Stadion. Doch vor dem Spiel wird in der Innenstadt eine Demonstration für linke Jugendkultur mit 1000 Teilnehmern stattfinden, die die Polizei am Sonnabend sichern muss. Um zusätzlich das Spiel zu begleiten, reicht die Zahl der Beamten nicht.

„Wir bedauern die Entscheidung“, sagte der Babelsberger Geschäftsführer Ralf Hechel, der aber auch sagt, dass „sicherlich drei Kontaktbereichsbeamte nicht gereicht hätten“. Da das Regionalligaspiel nun an einem Mittwochabend im Dezember nachgeholt werde, würden weniger Zuschauer kommen. Der Verein rechnet mit Ausfällen von 25 000 Euro.

Verschoben wurde auch die Partie zwischen Schöneiche und dem BFC Dynamo, zu der 800 Fans erwartet wurden. „Absolut unverständlich!“ schimpft nun Günter Neumann, 57, Präsident von Schöneiche. „Wir hatten in Schöneiche noch nie Ärger. Hier reichen vier Polizisten, 15 Ordner und drei Feuerwehrleute aus Erkner.“ Der BFC-Kapitän sei übrigens sein Nachbar, und ein gewisser Bodo Rudwaleit schon lange Kunde in seinem Autohaus. „Mit dem laufe ich schwatzend über den Platz – ohne Probleme“, sagt Neumann.

Jener Rudwaleit war früher DDR-Nationalkeeper, ist heute BFC-Torwarttrainer und das Idol der Dynamo-Anhänger. Der BFC-Fanbeauftragte, Rainer Lüdtke, ist verwundert: „Das wäre ein normales Fußballspiel auf einem normalen Dorfplatz gewesen.“ 400 Fans wären mit der Straßenbahn angereist. Beim BFC tummelten sich zwar in der Vergangenheit bei brisanten Spielen gern Krawalltouristen, aber zu Randale kam es lange nicht mehr. In Berlin wurde kein Spiel abgesagt.

André Görke

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