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Das "Kochzimmer" in Potsdam: Die Küche, von David Schubert geführt, firmiert unter dem Etikett "Neue Preußische Küche".

© ©redpear/AndreasKermann

Von Tisch zu Tisch: Kochzimmer

Jörg Frankenhäuser zog von Beelitz nach Potsdam an den Neuen Markt. Der Michelin-Stern ist weg, sollte aber wieder zu holen sein

Das hat sicher weh getan: Weil plötzlich ein passender Raum in Potsdam frei war, ist das „Kochzimmer“ im Herbst von Beelitz umgezogen – unglückliches Timing, denn damit war der hart erkämpfte Michelin-Stern weg. Aber Beelitz ist ein Saisonziel, mit dem Spargelrummel hatten sie es ohnehin nicht so im Kochzimmer. Und der neue Raum in der „Gaststätte zur Ratswaage“ hat Geschichte, er ist mal vor Jahren von Gottfried Specker geprägt worden, bevor viele andere damit erfolglos blieben.

Er hat aber einen eingebauten Nachteil: Es ist ein Schlauch mit Flüsterakustik, der – wohl aus Denkmalschutzgründen – nur diffus von den Wänden her beleuchtet werden kann. Aber je voller es ist, desto angenehmer wird es, und Patron Jörg Frankenhäuser ist erkennbar bemüht, mit Berliner Zungenschlag und Wohlfühlpullover jegliche Weihestimmung zu unterdrücken. Für die Küche, die von David Schubert geführt wird, hat er sich das ulkige Etikett „Neue Preußische Küche“ ausgedacht. Adler im Schlafrock? Im Grunde ist es die gleiche Stilistik wie vorher, regional fundiert mit modischen Ausflügen in die weite Welt; man könnte sagen, dass das bei Kaiser Wilhelm ja auch irgendwie so war.

Wir haben es hier mit der typisch kleinteiligen Gegenwartsküche zu tun, die überwiegend auf vertrauten Geschmacksmustern aufbaut, aber immer noch einen Dreh in der Hinterhand hat. Schubert würzt an der Grenze nach unten mit viel Respekt vor den Produkten. Mehr als zehn Gänge pro Abend sind nicht verfügbar, arrangiert zu Menüs (72 bis 99 Euro) und à la carte. Sehr gut gelingen vor allem die kleinen Fischgänge wie der roh marinierte Zander mit Kräutereis, Staudensellerie, Queller, Kalamansi-Gel und einem markanten Hauch Dill. Das klingt eventuell ein wenig überladen, funktioniert aber tadellos. Die recht klassische Hummer-Bisque bekommt durch kleine Zimtperlen, die eine aromatische Brücke zu Blutorangenstreifen und Schwarzwurzel schlagen, einen überraschenden Kick. Auch vegetarisch funktioniert diese Methode ganz gut: Petersilienwurzeln plus Püree, einen Tick unterwürzt, mit allerhand Knusper und Knister aus Haselnüssen und Gewürzpflaume, Frisée-Salat, Gewürzöl...

Schön fester Kabeljau, ein winziges Stück, kommt in schaumiger Buttersauce mit geröstetem Blumenkohl und Lauch ganz brav, aber die intensive Aromatik salziger Pomelo dreht es dann doch ins Spannende. Bei der gebratenen Entenbrust ist es andersherum: Hier bezirzt das klare, ausgezeichnet herausgearbeitete Entenaroma stärker als die feinsinnig ziselierte, aber etwas daneben stehende Begleitung aus Kohlrabi, Kirsche und einem Hauch Estragon. Das Rehrückenfilet, dankenswerterweise konventionell gebraten, entfaltet sich auf einem Hintergrund von Buchweizen, Rosenkohlblättern, Aronia-Gel und Buchenpilzen sehr angenehm.

Die deutsch-französische Weinkarte bietet gute Namen

Zwei Desserts sind verfügbar, gegenwärtig eine erfrischende Kombi aus Honigparfait, Quittenwürfeln und Apfelschaum mit einem Hauch Espresso sowie eine spätweihnachtliche Schokoschnitte mit Cassis-Püree, Birne, Pfefferkuchen und Pistazieneis, die mir – Geschmackssache – zu sehr dem modischen Thema „Schokolade drunter und dann irgendwas drumrum“ folgte. Die deutsch-französische Weinkarte, eher tief als breit sortiert, bietet gute Namen; ordert man die Weinbegleitung glasweise, kann auch anderes hinzukommen, hochwertig und fair bepreist. Bilanz: Das mit dem Michelin-Stern sollte im kommenden Herbst zu reparieren sein.

- Kochzimmer, Am Neuen Markt 10, Potsdam, Tel. 0331-20090666, Di-Sa ab 18, So auch 12-15

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