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Mode: Ausstellung „Fast Fashion“: Die Industrie gewinnt immer

Die Ausstellung „Fast Fashion“ im Museum für Europäische Kulturen zeigt den miserablen Zustand der Textilbranche. Neue Perspektiven tut sie jedoch nicht auf.

Es soll keinen Zweifel geben, womit wir es hier zu tun haben: dem Bösen. Das zieht schreienden Angorakaninchen bei lebendigem Leib das Fell über die Ohren, macht, dass Fabriken einstürzen, vergiftet Flüsse und lässt völlig übermüdete Näherinnen schuften. Mit diesen Bildern beginnt die Ausstellung „Fast Fashion“ im Museum für Europäische Kulturen. Sie zeigt, was die Textilindustrie mit unserer Welt macht. An ihrer ersten Station im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe war sie 2015 ein so großer Erfolg, dass sie anschließend in Dresden, St. Gallen, Manila, Jakarta, Melbourne und Köln gezeigt wurde. Nun schließt sich der Kreis in Berlin.

Claudia Banz, die Kuratorin der Ausstellung, arbeitet inzwischen hier am Kunstgewerbemuseum. Zur Eröffnung erklärte sie, dass sich in den vergangenen vier Jahren in der Textilindustrie nichts verändert hat. Immer noch wird die Umwelt zerstört, die Löhne sind weiter viel zu niedrig, und es wird viel zu viel produziert, um dem Kaufrausch weiter zu befeuern.

Das stimmt zwar, aber da die Ausstellung seit 2015 nicht verändert wurde, fallen neue Entwicklungen unter den Tisch. Zum Beispiel gibt es heute viel mehr, vor allem kleine Labels, die neue Materialien entwickeln, Produktionsbedingungen verändern und für Transparenz in der Lieferkette sorgen. Und es gibt politische Initiativen wie die Forderung des französischen Präsidenten Macron an François-Henri Pinault, den CEO des Mode- und Luxuskonzerns Kering, einen Pakt für nachhaltige Mode zu schließen, was am Rande des G7-Gipfels in Biarritz im vergangenen Juli auch passiert ist.

Hatte man 2015 beim Gang durch die Ausstellung das gute Gefühl, dass sich endlich jemand über die Zustände empört, würde man heute jedoch mehr als nur den erhobenen Zeigefinger erwarten. Diese Erwartung wird auch nicht von dem zweiten, neu kuratierten Teil der Ausstellung, „Slow Fashion“, erfüllt. Selbst die Parade der Kleider, die am Eingang Spalier stehen und unterschiedliche Modekonzepte darstellen, ist noch die gleiche: ein bunter Mantel der italienischen Edelmarke Moschino, ein Kleid von H&M, das Karl Lagerfeld für den Discounter entwarf, eins vom nachhaltigen Label Armedangels und ein Anzug von Jil Sander für Uniqlo. So soll vorgeführt werden, dass man sich nicht mehr darauf verlassen kann, was gut und schlecht gemachte Kleidung ist. Claudia Banz nennt das „Demokratisierung der Mode durch Fast Fashion, die dann aus dem Ruder gelaufen ist.“

Die Ausstellung hat vermutlich dazu beigetragen, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass etwas gründlich schiefläuft in der Art und Weise, wie wir mit Kleidung umgehen. Das wird in einer Grafik verdeutlicht: Ein T-Shirt ist neben einem Stück Käse abgebildet, beides ausgepreist mit 4,99 Euro. Über ökologisch hergestellte Lebensmittel haben viele von uns gelernt, was gutes Essen kostet. Dies muss erst recht für etwas gelten, das wir auf der Haut tragen.

Dass an unserer Mitschuld an dem gezeigten Elend kein Zweifel aufkommen soll, führt spätestens der dritte Raum vor, der durch einen Vorhang in der Mitte geteilt ist. Auf der einen Seite kann man sich die schlimmen Folgen von Fast Fashion ansehen: den Aralsee, der wegen übermäßiger Baumwollproduktion austrocknet und Videos von Tieren, die für die übermäßige Wollproduktion gequält werden. Hinter dem Vorhang kann sich der Besucher dann wie in einer Umkleidekabine vor einem Spiegel selbstkritisch betrachten.

Wo der erste Teil sehr global berichtet, bleibt der zweite so lokal und improvisiert, dass es schwerfällt, Rückschlüsse auf die Gesamtentwicklung zu ziehen. Fünf Einzelpersonen hat Judith Schühle, die Kuratorin des Museums für Europäische Kulturen, ausgesucht, zum Beispiel Jenna Stein, die Kleidertauschpartys organisiert, oder Rut Meyburg, die aus alten Ledersofas Taschen näht. Die Ausstellung schließt mit drei Puppen, die nachhaltige Kleidung tragen. Aber diese „europäische Familie“ bietet keinen hoffnungsvollen Blick in eine bessere modische Zukunft, sie ist eher eine sehr nüchterne Bestandsaufnahme. So sehen fair und ökologisch edel, aber modisch langweilig gekleidete Menschen aus.

„Fast Fashion“ bietet umfassende Informationen über den Zustand der Textilindustrie. Wer sie anschaut, der versteht, warum bedenkenloses Shoppen unverantwortlich ist. Was vor vier Jahren wie ein Paukenschlag wirkte, hätte jedoch spätestens für die letzte Station Berlin, wo gerade in Sachen Ökomode viel passiert, weiterentwickelt werden müssen. Die Menschen werden nicht aufhören, sich mit Kleidung selbst zu verwirklichen. Eine solche Ausstellung müsste sich heute um die Frage drehen, wie die Textilindustrie das sozial und ökologisch verträglich hinbekommt.

- Fast Fashion, bis 2. August 2020 im Museum für Europäische Kulturen.

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