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Mit beiden Beinen auf dem Boden. Burton-Chefin Donna Carpenter ist Pragmatikerin und Visionärin zugleich.

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Mode und Sport: Snowboard-Herstellerin Donna Carpenter: "Man braucht Diversität, um innovativ zu sein"

Ein Interview mit Donna Carpenter, Chefin des Snowboard-Herstellers Burton. Sie sorgt seit 35 Jahren dafür, dass sich Frauen in der einstigen Männerdomäne wohlfühlen. Sehr zum Nutzen der Firma.

Die US-amerikanische Snowboardfirma Burton wurde vor 40 Jahren von Jake Burton gegründet, einem Snowboarder der ersten Stunde. Seit 35 Jahren gehört auch seine Frau Donna zur Geschäftsführung. Sie übernahm die Leitung der Firma, als ihr Mann schwer erkrankte. Gerade ist sie für ein paar Wochen in der europäischen Niederlassung in Innsbruck. Ihren Europaaufenthalt nutzt für einen kurzen Abstecher nach Berlin. Auch hier will sie vor allem über ein Thema sprechen: Frauen und Beruf.

Donna Carpenter, Sie sind Vorreiterin in der Förderung von Frauen, warum ist Ihnen das so wichtig?
Als Firma willst du die besten Talente und wenn deine Firma nur unter der Hälfte der Bevölkerung Talente sucht, dann verpasst sie eine Menge. Und man kann nicht innovativ sein, wenn alle, die über Inhalte und Probleme nachdenken, dieselben Erfahrungen und den gleichen Hintergrund haben. Man braucht Diversität, um innovativ zu sein.

Wie kamen Sie zu der Erkenntnis?
Es war mein Mann Jake: Wir saßen mit 20 Direktoren des Unternehmens zusammen und es waren nur drei Frauen im Raum. Jake drehte sich zu mir um und sagte: ,Das könnte ein Problem für uns werden.’ Das war vor 30 Jahren. Wir hätten niemals den weiblichen Markt erreicht, wenn wir nicht Frauen in entscheidenden Positionen hätten. Die Ski-, Surf- und Skateboard-Industrie ist sehr männerdominiert.

Und was hat sich in Ihrer Firma getan?
Ich habe realisiert, wer die Entscheidungen über Frauenprojekte und Frauenmarketing fällt, das waren Männer. Eine Produktmanagerin sagte, wir haben ein Snowbaord für Jungs, wir brauchen auch eins für Mädchen, da gibt es einen Markt. Das war vor 13 Jahren. Auf dem Snowboard für Jungen waren Roboter abgebildet und es war grün. Das für Mädchen war pink mit Robotern – Job erledigt. Aber kein Mädchen will ein Snowboard mit Robotern. Ich sagte: ,Da müssen Blumen drauf’. Gott sei Dank komme ich von ganz oben, und konnte es durchsetzen. Wir haben eine Designerin eingestellt und 200 Prozent mehr verkauft. Wenn wir das Design nicht geändert hätten, hätte einer unserer Manager nach zwei Jahren festgestellt: Mädchen wollen keine Snowboards, wir stellen das wieder ein.

Und wie war es mit der Kleidung?
Als ich zum ersten Mal mit unseren Athletinnen darüber sprach, waren sie skeptisch. Wir hatten da diese wunderschöne Sportlerin, die trug immer große Männersachen. Als ich sie fragte: ,Wir machen jetzt auch Sachen für Frauen, warum trägst du sie nicht?’ antwortete sie: ,Wenn du bei den Jungs mitspielen willst, musst aussehen wie die Jungs’. Das ist 15 Jahre her und die Dinge haben sich wirklich geändert.

Es ging also darum, die Kultur zu verändern?
Ja, man muss die komplette Kultur ändern, wenn man die weiblichen Konsumenten erreichen will. Aber das ist das Allerschwerste. Als ich anfing, die Leute zu fragen, warum es so hart für Frauen ist, gefördert zu werden, sagten die meisten: ,wegen der Kultur’. Die ist halt wie eine Party für Jungs oder eine Umkleide für Männer. Wir haben festgestellt, es müssen mindestens 30 Prozent Frauen sein, damit sich etwas bewegt. Wenn du nur eine Frau unter zehn Männern hast, macht das keinen Unterschied, sie würde versuchen, sich wie ein Mann zu geben.

Geben sich Frauen im Beruf denn anders als Männer?
Was ich festgestellt habe: Frauen haben nicht genug Selbstbewusstsein und Männer haben zu viel. Ich denke, wir müssen da eine gute Balance finden. Wir müssen den Frauen die Werkzeuge geben, damit sie sich trauen zu sagen: ,Ich kann das machen’.

"Frauen haben nicht genug Selbstbewusstsein und Männer zu viel"

Was sind das für Werkzeuge?
Nichts passiert, weil du es dir wünschst, du musst aktiv werden. Das Erste, was wir verändert haben, war die Elternzeit. Hier in Europa gibt es staatliche Programme, in den USA tut die Regierung nichts für junge Eltern. Es sollte kein Problem sein, wenn Frauen Mütter werden wollen. Wir haben so viele Jahre in diese Frauen investiert. Sie sind gut, kennen ihren Job. Warum sollten wir sie jetzt verlieren? Und das Zweite ist Mentoring. Alle Frauen sagten, in einem Raum mit überwiegend Männern entwickelt sich kein natürliches, organisches Mentoring. Bei Männern ist es oft simpel: ,Lass uns nachher ein Bier trinken und du erzählst mir von deiner Karriere.’

Das ist in vielen Firmen das einzige Netzwerk: zusammen Bier zu trinken.
Man muss ein anderes Netzwerk knüpfen. Wir haben ein sehr formelles Mentoring-Programm gestartet. Wir bildeten die Frauen aus, die schon seit langer Zeit bei Burton waren, um die Frauen, die neu dazu kamen, zu unterstützen. Nach zwei Jahren hatte die Hälfte der Frauen ihre Position verändert - und nach einer Weile fragten die Männer: ,Und was ist mit uns?’ Jetzt bieten wir es für Frauen und Männer an. Und du musst es von der Spitze tun. Ich bin die Besitzerin der Firma und es war nicht einfach!

Brett mit Aussicht. Snowboarderin Anna Gasser, die Österreicherin wurde schon WM-Zweite.
Brett mit Aussicht. Snowboarderin Anna Gasser, die Österreicherin wurde schon WM-Zweite.

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Helfen Sie anderen Firmen mit Ihren Erfahrungen?
Ich bekomme jetzt Anrufe von Firmenchefs – die sagen, ‚Ich habe ein Problem. Mein ganzes Leitungsteam ist männlich, das ist nicht gut, was kann ich tun?’ Vor allem bei der Motorradbranche scheint es noch schlimmer zu sein als bei uns Snowboardern. Wir können helfen, also erzähle ich, was wir gemacht haben.

Und war es für Sie selbst ein großer Schritt, ein Boss zu werden?
Über die Jahre hatte ich verschiedene Positionen. Die Leitung habe ich 2009 mitten in der wirtschaftlichen Krise übernommen. Unser größtes Problem war Japan – also habe ich mich die ersten Jahre darauf konzentriert, und dann ist meine Verantwortung gewachsen, es kam das Nachhaltigkeitsprogamm dazu.

Ist das auch ein Frauenthema?
Nein, das ist schon sehr geschlechterübergreifend. Anfangs dachten wir, wir könnten eigentlich gar nichts machen, weil wir so ein schlimmes Produkt anbieten. Wir machen Snowboards und Stiefel, aber es gehört einfach zu unserer DNA mit der Nachhaltigkeit im Sport zu arbeiten. Der meiste Druck kam von den Mitarbeitern. Einige schlossen sich zusammen, um Müll zu trennen und zu recyceln und Leute zu überzeugen, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren. Sie haben mich gedrängt, etwas zu tun.

Es ist für Ihre Kunden wichtig?
Das sollte es sein und es wird auch immer wichtiger – Sportler wie die Surfer denken, ihre Kunden kümmert es nicht, aber die Outdoor-Unternehmen wie North Face und Jack Wolfskin, die wissen, dass es wichtig ist.

Die Outdoor-Industrie lässt doch hauptsächlich in Asien herstellen, oder?
Ja, aber viele unserer Boards werden in Österreich hergestellt. Aber auch bei der Produktion sind die Europäer sehr viel weiter als die Amerikaner. Unser österreichischer Hersteller hat ein sehr innovatives System, sie nutzen den Müll, um damit alles zu heizen und warmes Wasser zu produzieren, es ist ein geschlossener Kreislauf. Er ist der größte Snowboardhersteller in der Welt und er ist in der Lage im Wettbewerb mit Asien zu bestehen, weil er so innovativ ist.

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