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Armin Laschet (CDU).

© REUTERS/Hannibal Hanschke

„Sag den Leuten, sie können dir vertrauen“: Vom Bergmanns-Sohn zum CDU-Vorsitzenden – und bald Kanzler?

In Armins Laschets Rede spielt Vater Heinz eine entscheidende Rolle. Seine Worte sind nicht brillant, aber schlau – und emotional. So konnte Laschet überzeugen.

Von Robert Birnbaum

Die Zukunft der CDU braucht einen Moment, bis sie sich freuen kann. Armin Laschet hat in den Sekunden davor noch mit seinem typisch skeptischen Blick auf die virtuelle Säule geschaut, die gleich das Ergebnis der Stichwahl zum CDU-Vorsitzenden anzeigen wird.

Erst als man im Monitorbild erkennen kann, dass Friedrich Merz am anderen Ende des Podiums „Herzlichen Glückwunsch“ sagt, lösen sich seine Mundwinkel. Der vielfach Belächelte, der Umfrageverlierer, der kleine Bergmannsohn aus Aachen hat es geschafft. Und dem großen Merz bleibt nur ein Trost: Er geht an diesem Samstag nicht als einziger Verlierer aus der Berliner Messehalle.

Womit, um das gleich vorauszuschicken, nicht Norbert Röttgen gemeint ist. Den Außenpolitiker hat das Alphabet auf den letzten Rednerplatz in der Vorstellungsrunde verwiesen. Der ist meistens undankbar, weil bei den Zuhörern die Konzentration nachlässt. Vieles haben sie auch schon von den Vorrednern gehört.

Zusammenhalt, Mannschaftsgeist, „Liebe zu unserem Vaterland, Leidenschaft für Europa“, und dass die CDU gebraucht werde – wer wollte das nicht von den 994 Delegierten, die Generalsekretär Paul Ziemiak als in den digitalen Parteitag eingeloggt melden kann. Nur sieben fehlen zu den kompletten 1001. Das ist rekordverdächtig.

Aber es geht ja auch wirklich um viel. Um mit Röttgen zu sprechen: „Es geht um die Zukunft der CDU, es geht um die Zukunft der christdemokratischen Idee!“

„Volkspartei muss man immer neu werden“

Der Siegburger wippt dabei hinter dem Rednerpult mit dem ganzen Körper auf und ab. Engagiert ist seine Rede ja. Er doziert nicht so akademisch wie oft im Fernsehen, wenn er dort als Experte die Feinheiten des transatlantischen Verhältnisses erläutert. Nur als er die CDU zur „Partei der Zukunftskompetenz“ erklärt, klingt das wie die Einladung zum Zungenbrecher.

Dabei liegt darin der Kern seines Angebots. „Volkspartei muss man immer neu werden“, ruft Röttgen. „Ich traue mir zu, neue Wählerinnen und Wähler für die CDU zu gewinnen!“

[Laschets nächster Gegner ist sein eigenes Image - einen Kommentar von Georg Ismar zu Wahl des neuen CDU-Chefs lesen Sie hier.]

Für das Sich-Zutrauen ist eigentlich Merz der Experte; aber gut, jeder der drei macht Anleihen beim anderen. Im Lauf des langen Jahres, in dem sie seit Annegret Kramp-Karrenbauers Rückzug auf diesen Parteitag warten mussten, ist daraus eine Art allgemeine Mimikry geworden. Bloß anhand ihrer inhaltlichen Positionen war das Trio schwer zu unterscheiden.

Dritter Sieger: Norbert Röttgen bei der Übertragung seiner Rede auf dem digitalen CDU-Parteitag.
Dritter Sieger: Norbert Röttgen bei der Übertragung seiner Rede auf dem digitalen CDU-Parteitag.

© imago images/Rüdiger Wölk

Dafür umso mehr in Tonfall und Haltung. Merz zum Beispiel läuft schon mit energischem Schritt zum Pult vor. Die Kandidaten müssen zwischen ihren Auftritten mit Maske in der Kulisse warten. Gemessen an den Unkenrufen funktioniert der erste voll digitale Wahlparteitag der Republik aber bemerkenswert gut. Auch die Redner kommen damit klar, dass keiner ihnen zujubelt. Merz hat am Donnerstagabend kurz virtuell bei der Jungen Union vorbeigeschaut und berichtet, dass er diesmal vorher in der Halle war, anders als vor zwei Jahren in Hamburg.

Nur Hans-Werner Adams erlebt die Tücken der Neuzeit. Der weißhaarige Delegierte hat sich zu einer Frage an die Bewerber nach deren Reden gemeldet. Er erscheint im Bild mit seiner Bücherschrankwand im Rücken. Aber außer einem kurzen „Hallo“ hört man nichts von ihm. Irgendetwas mit dem Mikrofon klappt nicht. Die Frage bleibt ungestellt. Dafür wird Adams kurz zum Twitter-Star. „Die beste Rede von allen“, spottet ein User.

Einige Delegierte lehnten das Tagungspräsidium ab

Andererseits liefert die Technik ein paar Einblicke, die man live so nicht bekommt. Zum Beispiel, dass 16 Delegierte die Zeit für die Fragen nicht auf eine Minute beschränken wollen und dass neun sogar das Tagungspräsidium ablehnen. Ob da jemand mit der Maus auf den falschen Bildschirmknopf geraten ist oder wirklich ernsthaft etwas gegen, sagen wir, die freundliche Parteivize Silvia Breher aus Niedersachsen hat?

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Merz findet den Parteitag auch ganz toll. „So geht Digitalisierung!“ ruft er in die leere Halle. „Das ist CDU im 21. Jahrhundert!“ Der Ex-Fraktionschef war immer ein guter Redner: Hauptsachen in Hauptsätze, Nebensätze sparsam verwenden, die Hände aufs Pult stützen, das unterstreicht die Entschlossenheit. Entschlossen ist er auch.

Keiner der drei hat von Anfang an ein solches Selbstbewusstsein ausgestrahlt. Gegen Annegret Kramp-Karrenbauer aus dem Stand fast gewonnen, diesmal generalstabsmäßig vorbereitet, mit professionellem Team in eigener Wahlkampfzentrale – das war ja nur zu gewinnen! Merz hat vermutlich mehr Delegierte persönlich abtelefoniert als die beiden anderen zusammen. Allerdings erinnerte schon vorher ein erfahrener Christdemokrat an einen der ersten Sätze im Kleinen Handbuch des politischen Handwerks: „Traue nur dem, der sagt, dass er dich nicht wählt.“

Der Delegierte Hans-Werner Adams hatte Probleme mit der Technik - und wurde kurzzeitig zum Twitter-Star.
Der Delegierte Hans-Werner Adams hatte Probleme mit der Technik - und wurde kurzzeitig zum Twitter-Star.

© dpa

Jetzt am Rednerpult beschwört Merz das Bild einer „Gesellschaft im Ausnahmezustand“ hervor. Man könne voll Angst auf die Pandemie und die Herausforderungen der Zukunft schauen – oder sagen, dass es eine Lösung gebe. „Das muss jetzt unser Anspruch sein!“ sagt er. „Die Welt geht morgen nicht unter“, ruft er den „Fridays for Future“-Kids entgegen. Den Klimawandel will er „vor allem mit Technologie“ bekämpfen, aber nicht „mit Wind und Sonne allein“. Man werde „nacharbeiten“ müssen.

Eine zündende Idee von Merz? Der Moment verstreicht

Das wäre jetzt ein guter Moment, um eine zündende Idee zu präsentieren. Er verstreicht. Wenn später einmal kluge Köpfe die Gründe für das zweifache Scheitern des Friedrich Merz analysieren, wäre hier ein Ansatz. Den zweiten liefert er ebenfalls selbst. Wenn er so altmodisch wäre zu Frauen, wie ihm unterstellt werde, „dann hätten mir meine Töchter schon längst die Gelbe Karte gezeigt und meine Frau mich nicht vor 40 Jahren geheiratet!“

[Warum Laschet am Ende das Rennen machte - hier lesen Sie eine Analyse von Maria Fiedler.]

Bleibt noch der dritte. Es brauche eine Mannschaft, nicht nur den Vorsitzenden, versichert Merz kurz am Anfang. Aber anschließend ist nur noch von „Führung“ die Rede. So etwas wie Kramp-Karrenbauer in Thüringen wäre unter seiner Führung nicht passiert! „Führung der Partei, aber auch Führung dieses Landes“ – darunter tut er’s nicht. „Ich werde es mir nicht leicht machen – Ihnen aber auch nicht!“ donnert er in den leeren Saal.

Es ist nun nicht so, dass die CDU gegen Führung generell Einwände hätte. Aber es gibt in der Seele der Partei zugleich das Bedürfnis nach Harmonie. Armin Laschet ist nach dem Alphabet der erste Redner. Er fängt, so wie oft auch als Ministerpräsident, etwas fahrig an, dass man denkt: Wo will er hin mit „Corona, Lockdown, mutiertes Virus, und dann auch noch die Bilder aus Washington“? Aber dann kommt Vater Laschet ins Spiel und der Sohn in die Spur. Heinz Laschet war Bergmann auf Zeche Anna in Alsdorf. „Wenn du unter Tage bist, dann ist es egal, wo der Kollege herkommt“, habe der Vater ihm immer gesagt. „Entscheidend ist: Kannst du dich auf den verlassen?“

Das setzt den Ton für eine Rede, die nicht brillant ist, aber schlau. Laschet präsentiert sich, wie er das schon in seinem ganzen Wahlkampf getan hat, als der pragmatische, besonnene Macher gegen die zwei Machen-Woller: „Man muss das Handwerkszeug der Politik beherrschen.“

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Was ihm viele als Schwächen anlasten, deutet er kurzerhand in Stärken um. Kein begeisternder Wahlkämpfer? „Polarisieren ist einfach, das kann jeder“, sagt er. „Wir müssen Klartext sprechen, aber nicht polarisieren. Wir müssen integrieren.“ Kompromisse suchen, verträgliche Lösungen – der Kohlekompromiss ist sein Paradebeispiel.

Und dann kommt ein ziemlich frecher Satz. „Manche unserer Gegner nennen das ‘Weiter so‘“, sagt Laschet. Manche Gegner? Ja, die auch. Aber dass er die Fortsetzung Angela Merkels mit rheinischem Akzent sei, werfen ihm vor allem die Merzianer vor.

Glücksbringer mit Symbolkraft: Die Bergmannsmarke des Vaters von Armin Laschet.
Glücksbringer mit Symbolkraft: Die Bergmannsmarke des Vaters von Armin Laschet.

© imago images/sepp spiegl

Überzeugen kann er die von sich nicht. Dann kann er ihnen auch direkt eins zwischen die Hörner geben. „Die CDU ist keine One-Man- Show“, sagt er. „Die CDU braucht keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden“ – schönen Gruß an Blackrock, Friedrich.

Zum Schluss tritt er neben das Pult. Er hat vorhin von der Blechmarke erzählt, die sein Vater als Bergmann bekam und auch später als Lehrer immer am Schlüsselbund trug. Jetzt hält er sie in die Kamera, ein kleines rundes Blechding mit der eingestanzten Zahl 813. Der Vater habe sie ihm mitgegeben: „Sag‘ den Leuten, sie können dir vertrauen.“ Laschet zeigt mit dem Finger in die Linse, es ist die Geste aus dem alten „Uncle Sam“-Plakat: „Wem Sie vertrauen, das entscheiden heute Sie!“

Da rutscht der Frohmut aus dem Gesicht von Merz

Während der erste Wahlgang läuft, werden Werbefilmchen der Spitzenkandidaten für die kommenden Landtagswahlen eingespielt. Wäre ja auch komisches Bild, wenn man nur die Fünfe vom Tagungspräsidium sähe, wie sie möglichst keine Miene verziehen.

Als das Ergebnis kommt, rutscht der selbstbewusste Frohmut aus Merz’ Gesicht. 380 für Laschet, 385 für Merz, 224 für Röttgen. Dem Sauerländer muss in dem Moment klar sein: Das reicht für ihn nicht. Als sich die Drei für die Stichwahl wieder hinter die Kulisse verziehen, macht Merz eine „Nach dir“-Geste in Richtung des Konkurrenten.

[Lesen Sie hier alle Ereignisse des CDU-Parteitags in unserem Live-Blog nach.]

Es wird dann am Ende etwas weniger deutlich, als man vielleicht hätte vermuten können; 81 Röttgen-Wähler schwenken um ins Lager des Konservativen. Aber der Abstand zum Sieger ist so eindeutig, dass es daran diesmal nichts zu deuteln gibt: Nur 466 Stimmen für Merz, aber 521 für Laschet. Der Beifall kommt aus der Konserve: Auf der Riesenleinwand im Parteitagsstudio applaudieren Delegierte digital.

Live gratuliert Merz als erster, Kramp-Karrenbauer dafür mit einem Strahlen. Laschets Dankesrede lässt immer noch etwas von der Anspannung spüren: „Ich bin mir der Verantwortung bewusst.“ Er dankt den Wettbewerbern, er dankt Ziemiak – den hätte er sowieso als Generalsekretär behalten. Er bittet alle um Rückendeckung, auch seine Nichtwähler.

Teamworker: Armin Laschet und Jens Spahn nach der Wahl, die zumindest für Spahn nicht sehr gut lief.
Teamworker: Armin Laschet und Jens Spahn nach der Wahl, die zumindest für Spahn nicht sehr gut lief.

© Odd Andersen / AFP

Röttgen sichert sie ihm unumwunden zu: „Ich wünsche Dir, und damit uns, viel Erfolg.“ Merz variiert das etwas: Er wünscht der CDU „mit dem neuen Vorsitzenden viel Erfolg“.

In die Parteispitze wählen lassen will er sich wieder nicht, so wie vor zwei Jahren in Hamburg. Laschet kündigt später im Schlusswort an, dass er mit dem Sauerländer über seine Rolle reden werde. Der meldet aber gleich selbst Ansprüche an: Er biete an, jetzt sofort das Wirtschaftsministerium zu übernehmen. Angela Merkel lässt umgehend erklären, dass sie keine Kabinettsumbildung plant. Das ist auch wie 2018.

Bleibt noch der letzte Verlierer zu erwähnen. Jens Spahn hat sich in der Fragerunde nach der Kandidatenrunde zu Wort gemeldet. Er wolle gar nichts fragen, sagt der Gesundheitsminister, sondern seinen Teampartner Laschet empfehlen. Das kommt nicht gut an.

Als Spahn sich als Vize-Parteichef auf Laschets frei gewordenen Platz bewirbt, entschuldigt er sich halb und halb: „Es war immer klar, dass wir gemeinsam für dieses Teamangebot werben, auch heute.“ Gewählt wird er. Aber sein Ergebnis ist mit Abstand das schlechteste von allen in der Stellvertreterriege. Vielleicht hätte er sich vorher besser den Satz verkniffen, den seine Nicht-Wähler genau jetzt genau von ihm nicht hören wollten: „Erst das Land, dann die Partei, dann die Person.“

Und noch etwas bleibt: Die Kanzlerkandidatenfrage. Markus Söder wird bei einem Satz des neuen CDU-Vorsitzenden vielleicht aufgemerkt haben. Laschet sagt ihn beim Blick auf die Wettbewerber im Bundestag. Auch andere Parteien hätten „nicht das Hauptziel, dass der nächste Kanzler wieder von der CDU gestellt wird.“ Kanzler „der CDU“. Er hätte „der Union“ sagen können. Hat er aber nicht.

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