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Laut bleiben.

© Getty Images/Maca and Naca

Zivilgesellschaft gefragt: „Wir müssen uns jeden Tag Gehör verschaffen“

Die Demokratie braucht unseren Einsatz, sagt Beate Stoffers von der Stiftung Zukunft Berlin. Ein Gespräch über sozialen Zusammenhalt, Handlugsmacht und aktive Teilhabe am Stadtleben.

Frau Stoffers, wo müssen wir heute als Gesellschaft Brücken bauen?
Gerade in den letzten Monaten hat uns das Thema sozialer Zusammenhalt intensiv beschäftigt. In diesem Zusammenhang hat die Stiftung beispielsweise zwei Dialogforen zu den Auswirkungen des Nahost-Konfliktes auf den Weg gebracht. Es ist leider nicht mehr selbstverständlich, dass wir in zehn Jahren dort stehen, wo wir heute sind. Deshalb müssen wir uns jeden Tag dafür einsetzen.

Viele Menschen haben das Gefühl, nicht mehr gehört zu werden und sind unzufrieden mit der Demokratie. Rechtspopulisten nutzen das sehr geschickt aus.
Wir beobachten, dass sich momentan nicht nur die Ränder, sondern auch Teile der Mitte der Gesellschaft abwenden und teilweise sogar radikalisieren. Genau hier sehen wir einen Ansatzpunkt: Menschen müssen sich als selbstwirksam erfahren, damit sie sich auch als Teil unserer Demokratie begreifen.

Wie trägt die Stiftung Zukunft Berlin dazu bei?
Wir schlagen eine Brücke zwischen Zivilgesellschaft und Politik. Unsere Methode: die zivilgesellschaftlichen Vorschläge an politische Entscheider vermitteln, damit sich Menschen ihrer persönlichen Relevanz und Handlungsmacht bewusst werden. Dazu dienen viele unsere Formate, etwa das Projekt zur Belebung von Berliner Friedhöfen, die nicht nur vergessene Orte sind, sondern auch ungenutzte Erholungsflächen bieten. Selbstverständlich unter Wahrung der Totenruhe. Dazu wollen wir ein Modellprojekt auf dem Friedhof am Halleschen Tor mit Bundes- und Landesmitteln durchführen.

Wir verfolgen keine parteipolitischen Ziele oder Ideologien, uns ist allein das Funktionieren dieser Stadt wichtig. 

Beate Stoffers, Stiftung Zukunft Berlin

Ein weiteres Beispiel ist die Initiative „Weltberliner:innen“, die Zugezogenen aus dem Ausland das Ankommen erleichtern und aktive Teilhabe am Stadtleben ermöglichen soll. 50 Ehrenamtliche waren daran beteiligt. Wie sah ihre Arbeit konkret aus? 
Das Projekt hat enormen Zulauf bekommen. Expats, Unternehmer, Vertreter von Hochschulen und aus dem Senat haben sich regelmäßig getroffen und Lösungen für eine gelungene Willkommenskultur erarbeitet: Wie kann man bürokratische Hürden abbauen, Mehrsprachigkeit in den Behörden fördern, Informationen bündeln und nicht zuletzt auch Menschen innerhalb der Communitys besser vernetzen, wo Außenstehende oft keinen Zugang haben. Mit dem Projekt wollen wir eine Brücke zwischen Neuankömmlingen und der Stadtgemeinschaft bauen, damit ist auch die Verwaltung gemeint. Das Projekt wird in diesem Jahr fortgesetzt. Mit dabei sind unter anderem die Senatskanzlei, die Landeszentrale für politische Bildung, die Senatsverwaltung für Bildung, die Berliner Sparkasse, Berlin Partner, die SRH Berlin University of Applied Sciences und viele andere.

Und am Ende geht es darum, Handlungsempfehlungen für die Politik zu entwickeln?
Genau. Bei unserer Methodik handelt es sich in der Tat um eines der größten Demokratie-Experimente. Ich kenne europaweit keine andere Stiftung, die so arbeitet und bürgerschaftliche Vorschläge direkt mit der Politik vernetzt. 

In der Demokratie kommt es auf jeden Einzelnen an.

© freepik

Wie erfolgreich sind Sie damit?
Man muss immer wieder dafür kämpfen, Gehör zu finden. In Berlin haben wir es erreicht, dass sowohl die Abgeordneten als auch die Regierenden ein offenes Ohr für den zivilgesellschaftlichen Dialog haben. Wir verfolgen keine parteipolitischen Ziele oder Ideologien, uns ist allein das Funktionieren dieser Stadt wichtig.

Das Vertrauen in Parteien und Institutionen schwindet ohnehin. Auch Stiftungen geraten zunehmend in die Kritik.
Natürlich gibt es immer schwarze Schafe. Aber grundsätzlich sind Stiftungen Demokratieförderer. In einer Gesellschaft, die zunehmend von Polarisierung und Fragmentierung geprägt ist, schaffen Stiftungen Räume für Dialog und Austausch, denn sie bringen oft Menschen zusammen, die sonst vielleicht nie miteinander ins Gespräch gekommen wären. Damit fördern sie Verständnis und Empathie und helfen, die Gräben in unserer Gesellschaft zu überwinden.

Sie sprechen von Polarisierung. Zugleich belegen diverse Studien, dass wir inhaltlich gar nicht so weit voneinander entfernt sind und die viel beschworene gesellschaftliche Spaltung eher eine gefühlte ist.
Dem stimme ich zu. Die Stiftungen sind ein gutes Spiegelbild der Solidarität in unserem Land. Weil sie in verschiedenen Bereichen tätig sind: Bildung, Wissenschaft, Kultur, Tier- und Umweltschutz, sind sie thematisch zwar divers, aber diese Vielfalt ist auf der anderen Seite auch ein Beweis für die Dynamik und das Engagement, das im Herzen unserer Gesellschaft lebt und pulsiert. Allein in unserer Stiftung sind rund 550 Ehrenamtliche aktiv. Das ist ein unschätzbarer Beitrag zum sozialen Zusammenhalt.

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