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Problembaustelle Flughafen Istanbul: Nachdem Arbeiter gegen die schlechten Bedingungen auf der gigantischen Baustelle protestiert hatten, wurden Mitte September hunderte von ihnen festgenommen.

© Bulent Kilic/AFP

Wirtschaftskrise unter Erdogan: Die Türkei wird schon lange nicht mehr regiert

Still und leise blutet die türkische Wirtschaft aus. In seiner Kolumne beklagt unser Autor, dass der Präsident die Krise seines Landes nicht wahrhaben will.

In einigen Tagen ist er in Deutschland. Man kann gespannt darauf sein, was die deutsche Regierung in das Fass ohne Boden reinwerfen wird. Deutschland allein kann die türkische Wirtschaft nicht retten. Aber laut Herrn Erdogan gibt es auch nichts zu retten, weil es die Krise gar nicht gibt, wie er am Mittwoch sagte.

Still und leise blutet die türkische Wirtschaft aus. Nicht nur die Wirtschaft. Gerade erzählt mir ein Herzchirurg, dass die Herzklappen, die er in Reserve hatte, alle verbraucht seien. Die Kasse bezahlt keine neuen Importe, also müssen die Patienten nach Hause geschickt werden. Durch die von importierten Tieren eingeschleppten Viren gibt es in manchen Krankenhäusern Tote durch Milzbrand. Wie viele, weiß man nicht. Auch darüber darf nicht berichtet werden.

Auch der tiefe Fall der Türkei sollte uns in Deutschland zeigen, was wir an unserem freiheitlichen Rechtsstaat haben. Und, dass das alles nicht selbstverständlich ist.

schreibt NutzerIn Gophi

Von mehr als 400 Toten durch Arbeitsunfälle ist die Rede, wenn es um den Megaflughafen von Istanbul geht. Nur mit welchen Problemen der Flughafen behaftet ist, wird man erst nach der Eröffnung erleben. Ich würde den Betreibern des Flughafens ein Nachrichtensperren-Team vorschlagen, das sofort eingreift, sobald etwas Unvorhergesehenes passiert – zum Beispiel das Absacken des losen Bodens, mit dem man derzeit zu kämpfen hat.

Erdogan wird bei seinem Deutschland-Besuch die Ditib Moschee in Köln eröffnen. Er ist Spezialist für Wiederholungseröffnungen. Besonders vor den Wahlen in der Türkei hat er Fabriken und Brücken eröffnet, die schon Jahrzehnte existierten.

Ihr merkt, ich könnte über jedes einzelne Thema einen Beitrag schreiben. Erdogan liefert die Themen täglich. Angeblich hat Katar ihm einen Jumbo-Jet geschenkt. Wahrscheinlich hat er ihn gekauft, die Gerüchte darüber gibt es schon seit einigen Monaten. Nur, „geschenkt“ hört sich besser an, es lässt sich dem Volk besser vermitteln. So muss er Frau Merkel nicht erklären, warum er in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation so ein teures Flugzeug gekauft hat. Scheckheft gepflegt und gebraucht. Eigentlich müsste man sich über die gebrauchte Maschine lustig machen – schon würde er sie nicht mehr besteigen.

Die Türkei wird schon lange nicht mehr regiert. Irgendwie erinnert mich das Vorgehen der Spitze in der Türkei an die Halbstarken, die mit lauter Musik, die Bässe auf Dröhnung eingestellt, bei offenen Fenstern, mit ihren tiefergelegten Autos, durch die Straßen fahren und glauben wer zu sein. Irgendwie.

Sind sie auch. Irgendwie.

Ahmet Refii Dener arbeitet als Türkei-Berater. 2017 ist ARDner, wie sich der Blogger (go2tr.de) nennt, nach Berlin gezogen. Sonntags schreibt er im Tagesspiegel eine Kolumne.

Ahmet Refii Dener

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