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Flutkatastrophe: Wie gut funktioniert die Hilfe?

Der Kampf gegen die Auswirkungen der verheerenden Überschwemmungen in Pakistan gestaltet sich äußerst schwierig. Warum?

Es ist eine schier unvorstellbare Katastrophe. Fast 14 Millionen Menschen sind in Pakistan von den Folgen der Regenflut betroffen, 1,5 Millionen befinden sich auf der Flucht, mindestens weitere 500 000 sind obdachlos. 1600 Menschen kamen bereits ums Leben. Und der Fluss Indus überschwemmt weiter die als Kornkammer bezeichneten südlichen Regionen. Langsam wird das Ausmaß der Zerstörung deutlich, die Hilfe weitet sich aus. Und es soll noch mehr regnen.

Wie schlimm kann es noch werden?

Es handelt sich jetzt schon um die Naturkatastrophe, unter der zahlenmäßig am meisten Menschen leiden. Und es kann noch deutlich schlimmer werden. Dort, wo das Wasser abgeflossen ist, leiden die Menschen an Hunger, Krankheiten und Verletzungen. Die Behörden meldeten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa bereits mehrere Cholera-Fälle, teilte die Hilfsorganisation Oxfam mit. Besorgniserregend ist, dass der Starkregen bereits vor der Monsunzeit eingesetzt hat. Zudem hat gerade der Fastenmonat Ramadan begonnen. Viele Muslime wollten trotz aller Not nicht gegen ihren Glauben verstoßen und tagsüber auf Essen und Trinken verzichten, sagte die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Billi Bierling.

Allerdings wird auch davor gewarnt, das Ausmaß der Katastrophe zu übertreiben. „Je furchtbarer es ist, desto mehr wird gespendet. Auch die Staaten, die helfen, möchten punkten. Es ist wie eine Art Gutmenschen-Kartell“, sagte Wolf Dombrowsky, Professor für Katastrophenmanagement an der Steinbeis Hochschule Berlin, der Nachrichtenagentur dpa. Dabei laufe die Staatengemeinschaft Gefahr, die Fehler der Tsunami-Katastrophe zu wiederholen, als die Menschen mit Hilfsgütern „zugeschmissen“ und am Ende lokale Märkte zerstört worden seien.

Wie wird geholfen?

UNHCR hat nach eigenen Angaben bereits 16 600 Zelte aufgestellt. Ausgeteilt werden Überlebenspäckchen mit Decken, Seife und Küchensets. Auch Menschen, deren Papiere fortgespült wurden, wird geholfen. Unicef kümmert sich traditionell um Kinder, etwa mit Hygieneprodukten. Die Weltgesundheitsorganisation schickt Ärzte und Medikamente, das Welternährungsprogramm beschafft Nahrungsmittel. Auch viele internationale Hilfsorganisationen leisten Nothilfe.

Die Bundesregierung stockte ihre Hilfen am Mittwoch auf insgesamt zehn Millionen Euro auf. Die EU-Kommission erhöhte um weitere zehn Millionen auf 40 Millionen Euro. Gebraucht werden aber nach UN-Angaben 459 Millionen Dollar (rund 360 Millionen Euro) nur für die Soforthilfe. Wichtig sind zunächst Unterkünfte, sauberes Wasser, Lebensmittel, sanitäre Anlagen und medizinische Hilfe. Auch Zelte, Kochgeschirr, Moskitonetze und Materialien zur Wasseraufbereitung würden dringend benötigt, sagt UN-Nothilfekoordinator John Holmes. Eine der größten Sorgen sei, dass durch unsauberes Wasser Epidemien aufträten. Die pakistanische Botschaft in Berlin appellierte an die Hilfswerke, Medikamente mit langer Gültigkeit zu spenden und bei den Konserven darauf zu achten, dass das Essen „halal“ sei, also den islamischen Reinheitsgeboten entspricht.

Wie gut funktioniert die Hilfe?

Laut UNHCR läuft sie trotz aller logistischer Probleme gut an. Es gebe regelmäßige Koordinationstreffen in Peschawar und Islamabad, sagt Bierling. Die Welthungerhilfe hat über ihren Partner Concern International bereits 12 000 Menschen mit dem Nötigsten versorgt. Weitere 30 000 Bedürftige erhalten in Kürze Trinkwasser, Nahrung, Hygieneartikel und andere wichtige Hilfsgüter. Auch die italienische Partnerorganisation Cesvi konnte im Norden Trinkwasser, Nahrungsmittel, Zelte und Planen verteilen.

Oxfam kritisierte dagegen die internationale Hilfe als zu zögerlich. Die Staatengemeinschaft habe bisher nur verhalten reagiert, sagte Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland, am Mittwoch. Oxfam verweist auf Zahlen der Vereinten Nationen, wonach in den ersten zehn Tagen nach Beginn der Überschwemmungen weniger als 45 Millionen Dollar internationale Nothilfe bereitgestellt wurden. Weitere 90 Millionen Dollar wurden erst angekündigt. „Damit stehen im Moment lediglich 3,20 US-Dollar pro Flutopfer zur Verfügung“, sagte Bendix. In Haiti seien es zehn Tage nach dem Erdbeben fast 500 Dollar je Betroffenem gewesen.

Warum dauert es so lange, bis die Hilfe ankommt?

Die Infrastruktur des Landes wurde auf einer Fläche von der Größe Deutschlands weitgehend zerstört. Zwar sind einige Brücke wieder provisorisch aufgebaut. Doch viele Straßen wurden unterspült oder weggeschwemmt. Zudem können Hubschrauber oft wegen starken Regens nicht fliegen. Im Norden sind etliche der Lager weggespült, in denen 2,7 Millionen afghanische Flüchtlinge leben.

Wie groß ist die Spendenbereitschaft?

Sie ist geringer als bei anderen Katastrophen. Zu den vom Tsunami betroffenen Gebieten hatten viele Deutsche durch Urlaube auf Bali oder in Thailand einen persönlichen Bezug. Aber mit Pakistan können viele nur wenig anfangen. Die Nachrichtenlage wird meist durch die radikalislamischen Taliban, den Konflikt mit Indien über die Grenzregion Kaschmir oder die im Land lagernden Atomwaffen beherrscht. Positive Schlagzeilen macht Pakistan selten. Und im Nachbarland Afghanistan wurden gerade zehn Mitglieder einer christlichen Hilfsorganisation erschossen. Nicht zuletzt gab es in diesem Jahr mit dem Haiti-Beben schon eine große Katastrophe gab, wo enorm viel gespendet wurde. Bei der Welthungerhilfe gingen für Pakistan bisher rund 200 000 Euro ein, für Haiti waren es im gleichen Zeitraum schon mehrere Millionen.

Was machen die USA?

Ihr Ansehen in Pakistan hat durch den jahrelangen Antiterrorkampf stark gelitten, auch wenn die Regierungen offiziell zusammenarbeiten. Das Land ist für die USA von entscheidender Bedeutung für den Ausgang des Krieges im benachbarten Afghanistan. Daher will Washington die Hilfen deutlich ausweiten. Am Mittwochabend teilte das Verteidigungsministerium mit, mehr Hubschrauber zu schicken. Das Marineschiff USS Peleliu mit 19 Helikoptern an Bord sei bereits vor der Küste der Hafenstadt Karachi. Bisher waren sechs Hubschrauber im Einsatz, die normalerweise in Afghanistan stationiert sind. Ihre Hilfszusagen haben die USA inzwischen um 20 auf 55 Millionen Dollar erhöht.

Welche Rolle spielen Islamisten?

Wie schon beim Erdbeben 2005 sehen die Islamisten ihre Chance, bei der Bevölkerung zu punkten. Vor allem, da Pakistans Präsident Asif Ali Zardari zu Beginn der Katastrophe im Ausland weilte und erst am Donnerstag das Überschwemmungsgebiet besuchte. Berichten zufolge verteilen Helfer der Falah-e Insaniyat (Stiftung für das Wohlergehen der Menschheit) Lebensmittel. Deren verbotener Vorgängerorganisation wurden Verbindungen zu den Drahtziehern der Terrorserie im westindischen Mumbai Ende 2008 vorgeworfen. Auch andere Organisationen wie die Jamiat Ulma-e-Islam, die Kontakte zu den Taliban unterhalten soll, und die radikale Jamaat Islami seien aktiv. Und obwohl ausländische Hilfe dringend gebraucht wird, haben pakistanische Taliban die Regierung aufgefordert, westliche Unterstützung abzulehnen. Das Geld fließe nur in die Taschen korrupter Beamter.

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