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Gesundheit: Wenn es Nacht wird beim Senator

Studenten besetzen das Büro von Thomas Flierl. Aber gegen die Proteste gibt es auch Widerspruch

Von Tilmann Warnecke

Und Amory Burchard

Die bislang spektakulärste Aktion der streikenden Studenten beginnt am Dienstagmittag: Sie besetzen das Büro von Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) – und müssen bis halb vier auf ihn warten. Sprecher Thorsten Wöhlert, der die 40-köpfige Gruppe eingelassen hatte, bewirtet sie mit Kaffee und Wasser. Als Flierl dann von Terminen in seinen Amtssitz in der Brunnenstraße in Mitte kommt, haben die Studenten viele Fragen: Was bedeutet es heute noch, wenn ein Senator in der PDS ist, welche Handlungsspielräume hat er beim Sparen – und wieso will Flierl Studienkonten einführen, wo er doch gegen Studiengebühren ist? Flierl spricht von der „Politik des kleineren Übels“ – und muss nach eineinhalb Stunden zum nächsten Termin. Die Studenten bleiben im Senatorenbüro. Bei Redaktionsschluss diskutieren sie noch darüber, ob sie dort auch übernachten wollen. Die Polizei stehe zwar unten in der Brunnenstraße, sagt eine Sprecherin des Senators, sei aber nicht von Flierl gerufen worden.

Auch am Alex protestierten die Studierenden gegen die Sparvorgaben des Senats. Fußballer kicken vor dem Kaufhof. „Am liebsten gegen Abgeordnete: Mal sehen wer gewinnt!“, ruft ein Sportler. Leichtathleten springen über Hürden – die erste ziert ein Schild Sozialabbau, es folgen Ausbildungsbedingungen und Zukunftsangst. Softballer schlagen Bälle quer über den Platz. Das Netz: ein Transparent „Spar-Schweine aus dem Senat ab in den Stall“. Hunderte Sportstudenten der Humboldt-Universität organisierten gestern die „Spar-takiade“ – und turnten ihren Protest vor.

Die Streikenergie der Humboldtianer ist enorm; die Aktionen in Berlins Mitte sind seit Ende vergangener Woche nicht mehr zu übersehen. Dagegen ist von den Studenten der Freien und der Technischen Universität weniger zu bemerken. Dabei hatte man an der seit fast drei Wochen bestreikten TU gehofft, dass der Enthusiasmus der jetzt auch protestierenden Kommilitonen in Mitte und Dahlem ansteckend wirken könnte.

Die FU-Studenten einigten sich erst am Montagabend auf Streikziele – die selben wie an der TU: 135 000 Studienplätze sollen finanziert, Studiengebühren verhindert und die Mitbestimmung in den universitären Gremien verbessert werden. Die Studierenden solidarisieren sich mit allen gesellschaftlichen Gruppen, die ebenfalls von Kürzungspolitik betroffen sind, und rufen zum gemeinsamen Protest auf. „Wir sind noch in den Kinderschuhen“, sagt ein FU-Student bei der einzigen öffentlichen Aktion, einer Vorlesung zur Pflanzenphysiologie an der Gedächtniskirche. Die Kunst- und Fachhochschulen haben sich den Streiks bislang noch gar nicht angeschlossen – schließlich sind sie von den Sparvorgaben nicht direkt betroffen.

An der Humboldt-Uni versucht man unterdessen, die Passanten auf dem Alex mit Humor für die gemeinsame Sache zu interessieren. „Die Spar-Olympiade: Deutschland verdient die Goldmedaille“ verkündet ein Plakat. „Geiz ist nicht geil“ rufen Hochschüler vor dem Elektronik-Kaufhaus mit ähnlich lautender Werbung. Aber bei aller Begeisterung – auch an der HU stößt der Protest an die Grenzen der Toleranz.

Als ein Jura-Professor und seine Studenten im noch immer besetzten Hauptgebäude Unter den Linden zu ihrer Vorlesung im Audimax kommen, stolpern sie über schlafende Streikposten. „Ist besetzt“, ruft eine Studentin vom Aktionsrat. „Wir haben keine Zeit für sowas“, meckert ein Kommilitone zurück. Nach zwanzig Minuten disktuiert man noch immer friedlich und sachlich über Sinn oder Unsinn des Ausstandes.

An der Technischen Universität dagegen liegen die Nerven zunehmend blank. „Wann hört ihr endlich mit dem Mist auf?“, schimpft ein Student am Informationstisch im Hauptgebäude an der Straße des 17. Juni. Darüber, ob der Streik weitergeht, wird wieder am heutigen Mittwoch bei einer Vollversammlung um 14 Uhr abgestimmt.

„Ihr seid eine verschwindend kleine Minderheit!“, wird Streikaktivist Enrico Schönberg angezischt. Solche Reaktionen seien zwar die Ausnahmen, sagt Schönberg, gibt aber zu, dass die Stimmung „durchwachsen“ sei. Vor dem TU-Hauptgebäude sind jedenfalls kaum Studenten zu sehen. Um einen Fernseher, auf dem eine Aktionsgruppe selbst gedrehte Videos von den verschiedenen Aktionen zeigt, versammeln sich mal gerade zwanzig Hochschüler.

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