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Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, droht den Staats- und Regierungschefs vor dem EU-Gipfel mit einem Veto.

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Haushaltsgipfel: EU-Parlamentspräsident droht mit Veto

Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, droht den Staats- und Regierungschefs vor dem EU-Gipfel mit einem Veto. Dem Europaparlament gehen die beim EU-Budgetgipfel angestrebten Kürzungen zu weit. Die Staats- und Regierungschefs brauchen aber dessen Ja  für  die Finanzplanung bis 2020.

Herr Schulz, bringt dieser zweite Haushaltsgipfel eine Einigung?
Ich habe große Zweifel daran, dass die Finanzplanung zustande kommt. Die Positionen liegen einfach zu weit auseinander.

Im Vorfeld ist viel über teure EU-Beamte berichtet worden.  Der britische Premier Cameron dürfte beim Gipfel Einschnitte  fordern.
Das ist eine aufgeblähte Debatte. Die administrativen Kosten wurden schon deutlich zurückgefahren. Während meiner Amtszeit wurde die Beamtengehälter –  insbesondere die beim Einstieg in den Beruf –  deutlich abgesenkt. Wo wir reformieren können, tun wir das seit geraumer Zeit. Und es gibt Pläne für eine Reform des Beamtenstatuts. Ich bin aber nicht erstaunt, dass David Cameron das nicht zur Kenntnis nimmt –  dem sind am Ende die Gehälter egal, dem geht es um das Schlechtreden der EU.

Das Argument, dass auch die EU sparen muss, wenn im eigenen Land der Rotstift angesetzt wird, hat aber verfangen.
Dem Sparen hat sich das Parlament auch nie verweigert. Sonst hätten wir nicht den Stabilitätspakt so verschärft, wie wir das getan haben. Und es steht ja quasi schon fest, dass die EU im Finanzrahmen 2014 bis 2020 erstmals weniger Geld ausgeben wird als in der vorherigen Finanzperiode.

Hat sich das Parlament  damit abgefunden?
Wir wollen eine reformierte Landwirtschaft und eine Strukturpolitik, die den Schwerpunkt auf Beschäftigung, Bildung und neue Technologien legt. Wir müssen   Studien- und Forschungsprogramme mit genügend Geld ausstatten. Die EU-2020-Strategie oder der Wachstumspakt, von den  Staats- und Regierungschefs feierlich beschlossen, haben sonst  keinen Erfolg.

Also geht es doch um mehr Geld?
Wir werden den Haushalt nicht deshalb ablehnen, weil wir mehr Geld für Brüssel wollen, sondern weil wir dessen Defizitstruktur nicht länger akzeptieren können.

Wie meinen Sie das?
Der Haushalt ist heute schon mit 16 Milliarden Euro im Minus. Die Staats- und Regierungschefs wollen einen Finanzrahmen für sieben Jahre mit Maßnahmen für 950 bis 960 Milliarden Euro beschließen, dafür aber dann tatsächlich nur 900 Milliarden Euro bereitstellen. Die britische Regierung sagt  ganz klar, sie stelle nur bis zu dieser Gesamtsumme ihren Anteil zur Verfügung. Akzeptiert die EU das, bekommen wir einen permanenten Defizithaushalt. Und ich unterschreibe einen solchen Defizithaushalt nicht. Es ist mir nämlich rechtlich verboten, das zu tun. Und ich bin  erstaunt, dass die Regierungschefs das zulassen wollen.

Solche Unterschiede hat es in kleinerem Umfang doch schon öfter gegeben. Wie aber erklären Sie sich diese starke Missgunst gegenüber der  EU und ihren Institutionen?
Eine schwierige Frage: Die Europäische Union könnte sicher effektiver, transparenter, demokratischer sein. Und sie wäre erfolgreicher, wenn sie in Krisen schneller handeln würde. Das ist vor allem deshalb nicht der Fall, weil den europäischen Institutionen oft die Möglichkeiten zum raschen Handeln fehlen. Dieselben Leute aber, die der EU diese Instrumente vorenthalten, kritisieren jetzt, sie sei nicht effektiv genug. Das praktiziert die britische Regierung so, einige andere Staaten aber auch. Dabei kann die EU nur so gut und stark sein, wie die Mitgliedstaaten sie lassen.

Was sollten sie Europa denn tun lassen?
Wir brauchen eine neue Kompetenzordnung, da bin ich mit Cameron einig. Brüssel muss nicht alles machen. Wir müssen genau abgrenzen, was die Staaten machen und was Europa macht. In Bereichen wie dem Handel, dem Klimaschutz, der Migration oder der Bekämpfung von Spekulation und Steuerflucht, in denen die Nationalstaaten an ihre Grenzen gestoßen sind, wird die EU mit Kompetenzen ausgestattet werden müssen, die sie braucht, um effizient handeln zu können. Dann gewinnt sie auch das Vertrauen der Menschen zurück.

Gewinnen sie auch an Einfluss?
Für das, was Europa dann macht, bekommt Europa auch eine Regierung. Die könnten die Bürger dann bei den Hammelbeinen packen. Wenn sie schlechte Arbeit macht, kann sie durch das Europäische Parlament abgesetzt werden. Wenn sie gut ist, wird sie wiedergewählt. Dann hätten wir eine klare Erkennbarkeit der Verantwortung. Es wäre ein Akt pragmatischer Vernunft, Europa so stark zu machen, dass es für die wirklich großen Herausforderungen des 21. Jahrhundert gut gerüstet ist.

Das Europaparlament hätte doch selbst die dafür nötigen Vertragsänderungen anstoßen können, indem es einen Konvent einberufen hätte. Warum hat es das nicht getan?
Die Möglichkeit gäbe es, das ist richtig. Bei der sichtlichen Unwilligkeit der Mitgliedstaaten stelle ich mir aber die Frage, was unsere vorrangigen Aufgaben sind.  Diese Vertragsdebatte ist sehr interessant, sie löst nur kein einziges aktuelles Problem.

Was hat für Sie Priorität?
Die Jugendarbeitslosigkeit und die noch unzureichenden Regeln für die Finanzmärkte. Und einige  Mitgliedstaaten stecken so tief in der  Rezession, dass die einzigen Mittel, die sie überhaupt noch haben, um Wachstum zu kreieren, aus dem EU-Haushalt kommen. Und der wird gerade zusammengeschossen von den Leuten, die dann behaupten, die Europäische Union erledige ihre Aufgaben nicht. Dagegen anzukämpfen ist mein vorrangiges Projekt.

Das Gespräch führte Christopher Ziedler.

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