zum Hauptinhalt
Feuerwehrleute löschen Anfang Juli in Mecklenburg-Vorpommern ein Getreidefeld, das in Flammen steht.

© Danny Gohlke/ZB/dpa

Hitze weltweit: Die Erde glüht – was ist da los?

Die derzeitige Hitzewelle hat den Planeten fest im Griff. Amerika, Europa, Afrika, Asien – Wälder brennen, in Sibirien ist es 20 Grad zu heiß. Was passiert da gerade?

Nicht nur Berlin brät seit vielen Wochen in der Hitze. Der ganze Erdball glüht. In Schweden brennen erstmals die Wälder im gesamten Land.

So wahrscheinlich ist ein Rekordsommer in Deutschland

In Deutschland folgte auf den wärmsten April seit Beginn der Aufzeichnungen der heißeste Mai. Einen Hitzerekord hat der Juni zwar nicht gebrochen. Betrachtet man aber die Anzahl der Sommertage mit mehr als 25 Grad Celsius, sieht die Sache anders aus, wie Sabine Krüger vom Deutschen Wetterdienst (DWD) vorrechnet. Demnach hätte es seit April in jedem Monat in vielen deutschen Städten mehr Sommertage gegeben, als im Vergleichszeitraum zwischen 1961 und 1990. Es sei durchaus möglich, dass 2018 ein neuer Rekordsommer wird. Zumal der Deutsche Wetterdienst für die kommende Woche eine noch stärkere Hitzewelle voraussagt. Subtropische Luftmassen strömen dann nach Europa und bringen Temperaturen von deutlich über 30 Grad.

Welche Dimensionen die Hitze weltweit hat
Der Blick auf die Wetterkarte verrät: Auf der Nordhalbkugel ist es vielerorts zu warm. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Temperaturrekorde geknackt. Am Donnerstag war es 500 Kilometer nördlich des Polarkreises mehr als 25 Grad warm. Dieser Wert war nicht etwa ein Maximum, sondern der Tiefstwert der vorausgegangenen Nacht. Und damit ein Rekord für die Arktis und Nordnorwegen. Im eigentlich schottisch-kühlen Glasgow kletterte das Quecksilber auf den Rekordwert von fast 32 Grad und schmolz das Dach des dortigen Science Centre. In Nordamerika tobte die Hitzewelle; Montreal, Denver, Los Angeles und andere Städte vermeldeten neue Temperaturrekorde. Im Nahen Osten, im Iran und Irak herrschte zeitweise lebensfeindliche Hitze von mehr als 50 Grad. Das algerische Ouargla hat am 5. Juli mit 51,3 Grad einen neuen Temperaturrekord aufgestellt. In Ostsibirien, eigentlich bekannt für Kälterekorde, herrschten in den letzten Wochen zeitweise 32 Grad – das sind 20 Grad mehr als normalerweise.

Hitzewellen gab es schon immer. Was der Klimawandel damit zu tun hat
Rekorde treten zwar immer wieder auf und können als einzelne Ereignisse kaum direkt dem Klimawandel zugeordnet werden. Doch nehme die Anzahl von Hitzerekorden global massiv zu, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Monatsrekorde gibt es bereits fünfmal so oft wie in einem stabilen Klima.“ Das habe eine weltweite Datenauswertung ergeben. „Das entspricht genau dem, was man angesichts der bisherigen globalen Erwärmung um mehr als ein Grad erwartet.“ Die meisten Hitzerekorde wären ohne die Klimaerwärmung nicht aufgetreten, sagt der Wissenschaftler.

Die Ursachen der Hitzewelle

„Die Hitzewelle ist Ergebnis von stationären Verhältnissen“, sagt der DWDMeteorologe Lars Kirchhübel und meint damit Wetterlagen, die über Wochen auf derselben Stelle verweilen. Das wäre derzeit bei einem „Hochdruckgürtel“ zum Beispiel über Nordafrika der Fall, der sich ungewöhnlich weit in den Norden ziehe und sich nicht vom Fleck bewege. Auch über den britischen Inseln und über der Ostküste Nordamerikas befanden sich solche stationären Hochdruck-Glocken. Dies sorge zwar für sonniges Wetter und trockene Luft in den betroffenen Regionen. Aber die andauernde Hitze werde mit der Zeit immer extremer, sagt Kirchhübel. „Die liegende Luft erwärmt sich Tag für Tag immer mehr.“

Wie der Klimawandel weitere Hitzewellen befeuern kann

Von der globalen Klimaerwärmung seien vor allem die polaren Regionen betroffen, sagt der Meteorologe. Auch, weil das schmelzende Eis der Arktis den dunklen Ozean frei gibt, der das Licht ungleich effektiver schluckt als es schneeweißes Eis tut und damit den Prozess auch noch beschleunigt. Wenn jedoch das Temperaturgefälle zwischen Tropen und Polarregionen abnimmt, entstünden weniger Luftdruckunterschiede. Folglich fließe weniger Luft zwischen den Hochdruck- und Tiefdruckgebieten in den verschiedenen Erdregionen. Kirchhübel sagt: „Es gibt weniger Schwung in der Atmosphäre.“ Die trägere Luft sorge dann für stabile und intensive Wetterlagen.

Warum andere Wetterextreme zunehmen
„Erwärmt sich der Globus, gibt es weniger Sturmtiefs“, sagt Kirchhübel. Diese wären dann aber umso stärker, weil die Atmosphäre mehr Energie speichern müsse. Zudem kann warme Luft mehr Feuchtigkeit aufnehmen – pro Grad etwa sieben Prozent – was für insgesamt mehr und heftigere Regenfälle sorgen kann. Die Luftbewegungen zwischen den Luftdruckgebieten folgen wellenartigen Bewegungen, den „Rossby-Wellen“. Diesem langsam mäandernden Muster geht in den letzten Jahrzehnten zunehmend die Puste aus. Seine Kurven schlagen weiter nach Süden und Norden aus und lassen zum Beispiel heiße Saharaluft bis nach Sibirien strömen, wie es gerade der Fall war. Im selben Moment kann es ein paar hundert Kilometer weiter zu ganz anderem Extremwetter kommen.

Gesundheitliche Auswirkungen von Hitzewellen
Mit heißem und trockenem Wetter, wie in den vergangenen Wochen in Deutschland, steigt das Risiko für Sonnenbrände und austrocknende Schleimhäute. Ist die Luft feucht, fällt das Schwitzen schwerer, was den Körper belastet, insbesondere Ältere. Allein infolge der jüngsten Hitze im kanadischen Quebec sind etwa 90 Menschen gestorben. Die meisten von ihnen waren älter als 60 Jahre oder hatten Vorerkrankungen. Die Hitzewelle von 2003 hat geschätzt 70 000 Europäer das Leben gekostet. Hitze tötet meistens indirekt, erklärt Veronika Huber vom PIK in Potsdam. Der Großteil der Todesfälle ließe sich laut einer ihrer Studien „auf bestehende Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen zurückführen“, die durch das Wetter „ihr akutes Stadium erreichen“.

Inwieweit wir uns an höhere Temperaturen gewöhnen können

Menschen passen sich natürlich an das lokale Klima an, schreibt Huber. Statistisch nehme das Sterberisiko immer weiter zu, je weiter man sich von der „optimalen Tagestemperatur“ entfernt. Und diese liege je nach Region etwas anders. Bei einem ungebremsten Klimawandel erwartet die Forscherin jedoch „einen teils dramatischen Anstieg der hitzebedingten Todesfälle in den bevölkerungsreichsten und häufig ärmsten Gegenden der Erde“.

Wie sich die Hitzewelle auf die Vegetation auswirkt

Mit der Hitze kommt häufig auch Dürre, wie derzeit in Deutschland, wo es in vielen Regionen seit Ostern kaum geregnet hat. Trotz der heftigen Regenfälle kürzlich zeigt der Dürremonitor vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, dass besonders in Teilen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Niedersachsens immer noch „extreme“ Trockenheit herrscht, die tief in den Erdboden reicht. Dies begünstigt Brände, wie in der Lieberoser Heide, wo ein Feuer 400 Hektar Wildnis verheerte. In der Nähe von Manchester in England standen Moorlandschaften in Flammen. In Alaska hat es dieses Jahr mehr als 50 Waldbrände gegeben, dazu kommen Feuer in Schweden, Kalifornien und Colorado, aber auch in Sibirien.

Was mit der Wirtschaft passieren kann

In einem heißen, langen Sommer können sich Gastronomen zwar über verlängerte Saison freuen. Aber die deutschen Landwirte fahren in vielen Regionen ihre Ernte zu früh ein, obwohl die Körner noch nicht reif sind. Sie rechnen mit ähnlichen Einbußen wie im Jahr 2003, als etwa ein Viertel der Getreideernte ausfiel. Besonders Weizen, das wichtigste Getreide in Deutschland, leidet unter dem Wassermangel. Wenn der Pegelstand in den Flüssen zu stark sinkt, kann der Warenverkehr unterbrochen werden. Auf der Elbe zwischen Magdeburg und Dresden konnten deshalb zeitweise keine Frachtschiffe mehr fahren. Es kann auch passieren, Kraftwerke nicht genügend Kühlwasser bekommen. Manchmal ziehen Klimaanlagen so viel Strom, dass das Versorgungsnetz zusammenbricht, wie zuletzt etwa in Kalifornien und Aserbaidschan.

Was passieren würde, wenn wir sofort jeglichen Ausstoß von Klimagasen stoppen

Durch sofortige Nullemissionen könne man die globale Erwärmung weitestgehend stoppen, sagt Rahmstorf. „Wenn es nicht mehr wärmer wird, dann wird die Zahl der Hitzewellen auch nicht weiter zunehmen.“ Der Meeresspiegel würde aber noch viele Jahrhunderte lang weiter steigen, wahrscheinlich sogar um mehrere Meter. „Denn in dem dann wärmeren Klima werden die Eismassen noch lange weiter schmelzen, das ist ein sehr langsamer Prozess.“

Martin Ballaschk

Zur Startseite