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Glanzvoller Auftritt.

© dpa

Panorama: In sich stimmig

Die Berlinerin Ivy Quainoo gewinnt bei „The Voice of Germany“ – und mit ihr ein Konzept, das von der Verrücktheit der Jury lebt.

Berlin - Eine quälend lange Pause, Ruhe, dann endlich rief Moderator Stefan Gödde: „Ivy hat gewonnen.“ Und Ivy Quainoo, die Berlinerin, brach in Tränen aus. Am Ende gewann also das Talent die Castingshow „The Voice of Germany“. Nicht die Profimusikerin Kim Sanders wurde Erste, nicht der Mädchenschwarm Max Giesinger und nicht der Kuschelsänger Michael Schulte, sondern einfach: das größte Talent. Wann hat man das zuletzt von einer Castingshow sagen können?

Dass die Deutsch-Ghanaerin Ivy Quainoo die Show gewann, ist keine allzu große Überraschung, wenn man ihre stimmlichen Fähigkeiten aus den vorhergehenden Sendungen kannte. An diesem dreistündigen Finalabend hatte jeder einen musikalischen Dreikampf zu bestehen, und die 19-jährige Quainoo überzeugte auch hier in allen Disziplinen.

Ihr James-Bond-affines Solo „Do You Like What You See“ gelang ihr atemberaubend, die Coverversion von „I Say A Little Prayer“ mit ihren Coaches, den Musikern der Band The BossHoss, war zwar kein Reißer, aber gesanglich ein Glanzstück. Und Ivy Quainoo hielt auch mit ihrer Duettpartnerin Florence Welch von der britischen Band Florence and the Machine mit. Anders als Max Giesinger, der der herausragenden Musikalität seiner Partnerin Katie Melua nichts entgegenzusetzen hatte. Den kleinsten Gefallen aber hatte man Finalist Michael Schulte, getan, als man seinen Duettpartner auswählte. Dem rothaarigen Lockenkopf Schulte stellte man den rothaarigen Kuschelsänger Ed Sheeran zur Seite, und Moderator Gödde konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass es ihn ja nun gleich zweimal gebe.

Der 21-Jährige galt im Vorhinein als ein Mitfavorit, weil seine Lieder von Zuhörern am meisten aus dem Internet heruntergeladen wurden – und jeder Download zählte am Finaltag doppelt so viel wie eine Telefonstimme. Auch sein Halbbruder Michael Schulte, stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner SPD, feuerte im TV-Studio in Adlershof im Bären-Glücksbringerpulli mit an. Doch im ersten Durchgang war es vor allem die 43-jährige Kim Sanders, die punktete. Im Laufe des Abends setzte sich schließlich immer deutlicher Ivy Quainoo ab: Mehr als ein Drittel der Stimmen fiel auf sie. Als Gewinnerin bekommt Quianoo einen Plattenvertrag, damit geht die Arbeit weiter. „Es gibt einen engen Zeitplan. Das Album muss raus“, sagten Quainoos Betreuer The BossHoss.

Dabei hat die 19-Jährige gerade das Abitur am Schiller-Gymnasium in Charlottenburg absolviert, wollte Gesang studieren. Sie gab nach dem Sieg zu Protokoll, sie wolle nun erstmal zwei Dinge machen: gemeinsam mit ihrer Familie feiern und lange ausschlafen. In der Sekunde der Entscheidung, sagte sie, war „mein Kopf total leer“. Dann tanzte sie mit allen anderen Mitstreitern bis in den frühen Morgen. Auch Michael Schulte fiel Ivy um den Hals. „Man merkt, die sind alle zusammengewachsen“, erzählte Marc Schulte. „Micha“ überlege, nach Berlin oder Hamburg zu ziehen.

Ivy Quainoos Mutter Harriet und ihre Schwester Sharonda hatten ihrer Favoritin mit anderen Familienmitgliedern am Abend im Studio in Adlershof die Daumen gedrückt – und ihr ein rauschendes Fest versprochen. Ihren Vater hat die Neuköllnerin nie kennengelernt. Noch vor der Sendung hatten Mutter und Schwester eine Telefonkette organisiert, um Ivy möglichst viele Anrufe und damit Zuschauerstimmen für einen Sieg zu sichern. Und auf Facebook schrieb die Finalistin: „HEUTE ABEND wird es ernst!!!! Aaaaaaaaah! Leute, Danke für alles bis hier hin. Nun sind es die letzten Meter!! Mit eurer Stimme ... oh.mein.Gott!!! :-).“ Ein Voting-Aufruf war im Nachhinein betrachtet gar nicht nötig. Ivy Quainoo will nun mit ihrer 21-jährigen Schwester und ihrer Mutter nach Ghana fliegen.

Eigentlich gab es sogar sechs Gewinner, denn der größte Triumph (und der größte Trumpf) dieser x-ten Castingshow, die so anders sein wollte als alle anderen, waren die fünf Juroren: der Mannheimer Xavier Naidoo, die dauerkieksende und immerjunge Nena, Rock-Röhre Rea Garvey sowie Alec Völkel und Sascha Vollmer alias The BossHoss. Wäre es vorstellbar, Dieter Bohlen oder Sylvie van der Vaart, Juroren der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“, so fröhlich und ausgelassen zu erleben? Wohl kaum. Das ist die eigentliche Glanzleistung des Sendekonzepts: Die Juroren trainieren die Sänger, die sie auch bewerten. So kümmern sich alle besonders um die Entwicklung der Kandidaten. Denn es sind ihre „Talents“, ihre, wie Nena es sagt: „Kids“.

„The Voice of Germany“ war aber auch aus anderen Gründen eine besondere Show: Die Superstars anderer Shows singen heute in Musicals, hier aber bewarben sich Musicaldarsteller für eine Castingsendung, was ihr von Anfang an eine Aura gab. Hier zählte die Stimme, nicht die Show – und eine begabte Sängerin wie Quainoo vermochte die Profis auszustechen, mit Talent. Juror Xavier Naidoo adelte sie mit den Worten, er könne ihr nichts mehr beibringen. Dabei hatte Quainoo bisher keinen Gesangsunterricht. Erfahrung vor Publikum sammelte sie als Gospelsängerin in einem Chor in Charlottenburg. So war die Show eine gute Mischung aus professionellen Musikern und solchen, die es werden wollen.

Bis zu fünf Millionen Menschen sahen die erste Staffel, vier Millionen schauten das Finale. Doch wer weiß, ob die zweite Staffel an die erste anknüpfen kann? Ob die Juroren noch mal zu solch wunderbar durchgeknallten Entertainern werden wie am Freitagabend? Für Ivy Quainoo ist die Show lange nicht vorbei: Im Mai geht sie auf Deutschlandtour. Facebook-Freundin Eva aus Berlin schreibt: „Gänsehaut! Gratulation! Freu mich schon darauf mehr von dir zu hören :).“ Und die beiden Musiker von The BossHoss scherzten: „Vielleicht dürfen wir irgendwann als ihre Vorgruppe auftreten.“ mit dapd

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