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Auch an der Küste Floridas kann sich das Klima durch den verlangsamten Golfstrom spürbar verändern.

© Thomas Eisenhuth/dpa

Klimawandel: Golfstrom schwächt sich ab – Folgen nicht absehbar

Dem Golfstrom verdankt Europa die Wärme. Wissenschaftler weisen nun nach, dass dessen Strömung nachlässt. Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Das Kippen des Golfstroms beschäftigt die Fantasie der Menschen schon so lange, wie es Warnungen davor gibt. Zu Recht. Denn verlangsamt sich die große Umwälzpumpe, die warmes Wasser aus dem Süden bringt, würde es in Europa kälter. Auch die Nährstoffe im Meer würden sich anders verteilen und damit die Erträge der Fischerei. Selbst die europäische Hitzewelle des Sommers 2015 wird mit der Rekordkälte im Nordatlantik in diesem Jahr in Verbindung gebracht. Dieser paradoxe Effekt entsteht, weil ein kalter Nordatlantik ein Luftdruckmuster begünstigt, das warme Luft aus dem Süden nach Europa leitet.

Die Ursache: Mit dem Klimawandel schmilzt der grönländische Eisschild ab und verdünnt das warme, salzige Meerwasser, das aus dem Süden heranströmt. Es sinkt dann langsamer in Tiefe. Der Golfstrom wird sich deshalb verlangsamen, so viel ist wissenschaftlich gesichert.

Schlimmstenfalls nur noch mit halber Kraft

Wie stark genau, dazu äußert sich die Forschung nur vorsichtig. Eine Bandbreite lässt sich immerhin angeben, stellten Forscher vom Deutschen Klimakonsortium 2017 in einer fest. Sie hängt davon ab, wie sehr die Menschen ihren Ausstoß von Treibhausgasen mindern. Schlimmstenfalls könnte sich der Golfstrom um die Hälfte abschwächen.

Ob er sich schon verändert hat, war bis vor Kurzem unklar: „Die Datenlage ist noch nicht ausreichend“, schrieb das Klimakonsortium. Die natürlichen Schwankungen des Golfstroms sind nämlich groß und Messbojen, die die Temperatur überall im Meer genau messen können, sind erst seit dem Jahr 2000 im Einsatz.

Der Blick zurück reicht bis zum Jahr 400

Doch jetzt haben zwei Studien unabhängig voneinander ermittelt, dass sich der Golfstrom bereits abgeschwächt hat. Die Aufsätze wurden gleichzeitig im Magazin „Nature“ veröffentlicht. Die erste Studie eines Teams um David Thornalley vom University College London hat Schlick aus Sedimentbohrkernen untersucht. Von der Größe der Körnchen kann man auf die Wasser-Fließgeschwindigkeit am Meeresboden schließen. Es ist eine der ausgeklügelten Methoden, mit denen das Klima vergangener Epochen rekonstruiert werden kann. Bis zum Jahr 400 konnten die Wissenschaftler dadurch zurückblicken.

Heraus kam, dass der Golfstrom bei seinem Rückweg vom Norden in den Süden bis zum Jahr 1840 relativ stabil war und sich dann am Ende der sogenannten Kleinen Eiszeit verlangsamt hat. Diese relativ kühle Periode dauerte vom Ende des Mittelalters bis zum 19. Jahrhundert. Als Ursache der Verlangsamung vermuten die Forscher, dass mehr Frischwasser von schmelzenden Eisschilden ins Meer floss. Ihre Ergebnisse zeigen, wie empfindlich das System auf Temperaturschwankungen und Änderungen des Salzgehalts reagiert. Einen Einfluss des menschengemachten Klimawandels aber zeigen sie nicht, weil dieser erst später einsetzte.

Der Nordatlantik kühlt sich ab, vor der Küste der USA wird es wärmer

Damit beschäftigt sich die zweite Studie eines internationalen Teams, dem auch Forscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) angehören. Sie haben die seit dem 19. Jahrhundert gemessenen Meerestemperaturen mit denen verglichen, die ihre Computersimulationen für eine Verlangsamung des Golfstromsystems vorhersagen. Dabei stellten sie ein übereinstimmendes Muster fest: eine Abkühlung im Nordatlantik und eine Erwärmung vor der Küste der USA.

„Es ist praktisch wie der Fingerabdruck einer Abschwächung dieser Meeresströmungen“, sagte Levke Caesar vom PIK. Sogar die Wechsel der Jahreszeiten bilden sich in den Temperaturmustern parallel ab. Schon um 15 Prozent hat sich der Golfstrom abgeschwächt, kann man aus den Beobachtungen zurückrechnen.

Das Frischwasser lag wie ein Deckel auf dem Meer

„Jetzt kommen mehrere unabhängige Belege zusammen und ergeben ein schlüssiges Bild der Abschwächung der atlantischen Umwälzströmung seit den 1950er Jahren“, sagt Stefan Rahmstorf vom PIK.

Noch einmal bestätigt wird das von einer Untersuchung des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung. Dessen Forscher haben Daten aus zwei am Meeresboden verankerten Messsystemen in der Labradorsee südlich von Grönland ausgewertet. Sie messen die Schichtung des Wassers bis hinauf zur Oberfläche. So strömte nach dem warmen Sommer 2010 so viel Frischwasser in die Labradorsee, dass es bis zum Februar 2011 wie ein Deckel auf dem Meer lag. Die Durchmischung der Wasserschichten verzögert sich also schon heute.

Noch hat es die Menschheit in der Hand, den Klimawandel zu bremsen

„Ein ungebremster Klimawandel wird dazu beitragen, dass eine Phase von über 10.000 Jahren mit relativ stabilem Klima in Europa zu Ende geht und die Menschen dann vermutlich mit Veränderungen zurechtkommen müssen, für die es in ihrer Geschichte, ihren Kulturen und Traditionen keine Vorlage gibt“, warnt das Klimakonsortium. Doch anders als in Science-Fiction-Filmen wie „The Day After Tomorrow“, die mit der Angstlust vor einer plötzlichen Abkühlung spielen, hat die Menschheit es noch in der Hand, den Klimawandel zu bremsen.

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