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Greek

© Matthies

Griechenland: Mythos im Fass

Die Weingebiete auf der Halbinsel Peloponnes blieben von den Bränden verschont. Ein großes Glück. Denn was produziert wird, ist erstklassig

Die Winzer der Halbinsel Peloponnes hatten im Sommer den Rauch jeden Tag in der Nase. Denn wo es Olivenbäume und Wald gibt, sind auch Weinreben nie besonders weit. Und doch hatten alle namhaften Erzeuger Glück und blieben von den verheerenden Bränden verschont. Sie leiden unter der hitzigen Trockenheit des Jahres 2007 auf andere Weise: Wer nicht bewässern konnte, hat keinen Wein, so einfach ist die Lage diesmal.

Um so wichtiger wäre Werbung für den griechischen Wein, der die Niederungen von Retsina und Kokkinelli längst verlassen hat. Es gibt inzwischen sogar eine „Weinstraße“ auf dem Peloponnes, doch damit hat es sich auch schon. Sehen wir es positiv: Das ist gut für den Individualreisenden, der auf eigene Faust und ohne jeden Drosselgassen-Rummel eines der ältesten Anbaugebiete der Welt besuchen kann. Die Lese hat Ende August begonnen – angenehme Reisetemperaturen ohne die sommerliche Brachialhitze gibt es bis in den November.

Der Peloponnes ist eines der vielfältigsten Anbaugebiete der Welt. Die kargen, ganz von den Reben dominierten Kuppen um Tripoli im Nemea-Gebiet liegen scheinbar Welten entfernt von den grünen Idyllen, die sich rund um Patras am Meer entfalten – und von dort ist es wiederum nur eine knappe Autostunde bis in die fast alpin wirkenden höchsten Weinberge der Halbinsel, rund um Demestika, wo der Bayer Gustav Clauss vor 150 Jahren Wein anzubauen beschloss. Seine erste Kellerei gibt es noch heute: Unter einer verwitterten Inschrift öffnet sich eine morsche Tür, dahinter rosten alte Pressen zwischen allerhand kreuz und quer abgestellten Säcken, weiter unten im Keller stehen die riesigen Zementbehälter, in denen einst der rote Agiorgitiko vergoren wurde.

Das war gestern. Wer den modernen griechischen Wein sucht, trifft außergewöhnliche, zum Teil skurrile Macher mit Mut und Visionen. Einer von ihnen ist George Skouras, ein smarter Pionier mit französischer Ausbildung, japanischem Allradfahrzeug und einer Weinkellerei, um die der raue Wind der hochgelegenen Nemea-Region fegt. Die Kellerei sieht aus, als habe er sie komplett aus Kalifornien einfliegen lassen und für seine Zwecke ein wenig vergrößert. Falsche Bescheidenheit ist auch sonst nicht sein Thema: „This is a miracle“, lobt Skouras seinen schlanken Merlot. Na gut, doch das eigentliche Wunder wartet noch in einem ovalen, eher an Sherry erinnernden Holzfass: der Megas Oinos Solera. Mit dem Jahrgang 1999 hat er begonnen, zapft ab, füllt mit dem neuen Wein auf. Inzwischen stecken fünf Jahrgänge drin, und eine Fassprobe lässt keinen Zweifel daran, dass hier ein Monster reift. Freilich eines, das vermutlich nie den regulären Handel erreicht. Aber das müssen Legenden ja auch nicht.

Der rote „Trilogia“ von Christos Kokkalis, ist kaum weniger schwierig zu finden. Kokkalis, ein kauziger Pharmakologe, der seine Apotheken in Mönchengladbach erst vor zwei Jahren verkauft hat und in seine Heimat zurück gezogen ist. Dort besitzt er nun ganze drei Hektar Rebfläche im Osten des Peloponnes, nicht weit von der gemütlichen Hafenstadt Nafpliou, die vor sehr langer Zeit griechische Hauptstadt war – heute ein beliebtes Kreuzfahrtziel mit einigen der besten Hotels des Landes und guten Stränden. Der „Trilogia“ ist ein reinsortiger Cabernet Sauvignon, fest, dunkel, tanninreich, der seine ganze Qualität erst nach Jahren zeigt, beeindruckend anders angesichts der Tatsache, dass die meisten griechischen Winzer eher einen transparenten, leichten Stil bevorzugen.

Es geht langsam, aber es geht voran. Selbst Winzer, die nach großen Erfolgen schon ein wenig dem Ruhestand zugeneigt schienen wie Athanase Parparoussis in Patras, legen nun noch einmal einen Zahn zu. Fast eine Autostunde entfernt von der Idylle des eigenen Weinguts hat er Reben am Ionischen Meer gepachtet, angestachelt von seiner Tochter Erifilli, die selbst Önologin ist und ihrem Vater selbstbewusst eigene Ideen entgegensetzt. Der würzige, tiefgründige „Epilegmenos Nemea" des Gutes ist eines der besten Beispiele für den traditionellen Nemea-Stil.

Das vermutlich schönste griechische Weingut, spektakulär gelegen über dem Ionischen Meer, ist die Domaine Mercouri. Dort stehen seit 1870 Reben der in Italien heimischen Sorte Refosco. Vassilis Kanellakopoulos nahm diese Tradition Ende der 80er Jahre auf. Sein „Domaine Mercouri“, Refosco mit Mavrodaphne, ein erstaunlich komplexer, eleganter Roter, hat sich als Maßstab der neuen griechischen Weinkultur etabliert.

In Attika, nur eine halbe Autostunde nördlich von Athen, war der Weinbau nach dem Einfall der Reblaus im 19.Jahrhundert aufgegeben worden. Doch der Touristikunternehmer Haris Antoniou hat 1984 mit seiner Partnerin, der deutschen Architektin Eva-Maria Böhme, einen Neuanfang gewagt und die Domaine Evharis gegründet. Ein Erfolg: Selbst Sean Connery war schon hier, das zeigen Fotos am Eingang, doch der Schluss, hier handele es sich um ein Showunternehmen, wäre grundfalsch. Das dezent in die Landschaft eingefügte Gutsgebäude verbirgt seine wahre Größe. Stärke von Evharis ist vor allem die weiße Assyrtiko, die von kühlen, von zwei Meeresarmen im Süden und Norden angesaugten Winden profitiert; ihre animierenden Zitrusdüfte profitieren vom sanften Holzeinsatz.

Diese Weine sind längst international erfolgreich; die Begeisterung, mit der aufstrebende Winzer Kraft und Geld in immer neue Projekte stecken, verblüfft dennoch. Yannis Tselepos, ein agiler, kugelbäuchiger Zypriote, hat Konkurrenten 2003 eine regelrechte Bieterschlacht um ein kleines Weingut im Nemea-Ort Koutsi geliefert – Beweis dafür, dass Parzellen in dieser Region des Zentralpeloponnes nicht weniger begehrt sind als mittlere Bordeaux-Chateaus.

Reben und Boden auf „Driopi Estate" waren schon nahezu perfekt, Tselepos sprüht vor Ehrgeiz, und so gibt es dort nun einen Nemea neuer Dimension, der endlich die Möglichkeiten der Agiorgitiko-Traube ausschöpft, vermutlich den ersten griechischen Wein, der sich in der internationalen Top-Liga festsetzen kann. Da ist nichts mehr von der frischen, oft etwas oberflächlichen Sauerkirschfrucht der Sorte, sondern es tut sich ein Abgrund auf, der das Licht zu verschlingen scheint.

Tselepos, dessen angestammtes Weingut in Tripolis ebenfalls von Jahr zu Jahr wächst, hat dort auf einem Hügel inmitten der jungen Reben eine kleine Kapelle bauen und drinnen mit fröhlich bunten religiösen Motiven ausmalen lassen, davor steht eine Bank nur für den Chef. Göttlicher Beistand, mediterrane Sonne und rastloser Fleiß: Diese drei zusammen machen aus dem griechischen Wein wieder einen Mythos, ganz allmählich.

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