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Beschäftigte der Deutschen Post werben bei einer Kundgebung für eine Tariferhöhung von 15 Prozent.

© dpa / dpa/Boris Roessler

Arbeitskampf bei der Post im März: 340 Euro sind nicht genug

Verdi lässt bis zum 8. März über einen Streik abstimmen. Auch im öffentlichen Dienst spitzt sich der Tarifkonflikt zu: Flughafenstreik am Freitag.  

| Update:

Vom kommenden Montag an bis zum 8. März stimmen die Gewerkschaftsmitglieder bei der Post über einen unbefristeten Arbeitskampf ab. Nach dem Scheitern der Verhandlungen Ende vergangener Woche hat Verdi die Urabstimmung eingeleitet. Die erforderliche Mehrheit gilt als sicher, sodass ab Mitte März die Brief- und Paketzusteller ausgesetzt wird. Für diesen Freitag kündigte die Gewerkschaft zudem einen ganztägigen Streik an den meisten deutschen Flughäfen an. Der BER ist nicht betroffen.

Verdi fordert für die 160.000 Tarifbeschäftigten bei der Post eine Einkommenserhöhung um 15 Prozent und begründet das mit der hohen Inflationsrate und dem Rekordgewinn des Unternehmens von 8,4 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Die Post hatte zuletzt eine monatliche Auszahlung der steuer- und abgabenfreien Inflationsprämie von 150 Euro von Januar bis Dezember angeboten.

Von Januar bis Dezember 2024 waren weitere 100 Euro vorgesehen. In Summe ergibt das für beide Jahre genau die 3000 Euro, die von der Bundesregierung im vergangenen Sommer als Inflationsausgleichszahlung den Arbeitgebern und Tarifpartner offeriert wurde. Diese Sonderzahlung wird einmalig gewährt und ist also keine dauerhafte Einkommenserhöhung, weshalb Verdi die Inflationsprämie prinzipiell ablehnt. Die Verhandlungsführer der Post hatten auf diese Bedenken reagiert, indem sie eine dauerhafte Erhöhung der Entgelte zum 1. Januar um 150 Euro und eine weitere Erhöhung um 190 Euro ab Dezember 2024 in das Angebotspaket legten. Insgesamt würden also die Einkommen der Post-Beschäftigten von Dezember 2024 an um 340 Euro höher liegen als derzeit.

Das Angebot der Arbeitgeber erhöht das Risiko weitere Reallohnverluste.

Andrea Kocsis, Verhandlungsführerin von Verdi bei der Post

„Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist weit von unseren Forderungen entfernt. Insbesondere die lange Laufzeit von 24 Monaten und die geringe Entgelterhöhung im Jahr 2024 erhöhen das Risiko weiterer Reallohnverluste“, sagte die stellvertretende Verdivorsitzende und Verhandlungsführerin Andrea Kocsis am Dienstagabend in Berlin. Nach Berechnungen der Gewerkschaft entspricht das Angebot der Arbeitgeber 9,9 Prozent, aber um die Inflationsrate 2022 und 2023 auszugleichen, seien 14,9 Prozent erforderlich. Der Vorschlag des Arbeitgebers sei zwar „historisch hoch“, aber historisch hoch sei auch Inflationsrate, sagte Kocsis. Rund 105.000 der 160.000 Tarifbeschäftigten bei der Post sind Zustellerinnen und Zusteller, deren Tarifeinkommen zwischen 2300 und 3090 Euro liegt.

Mindestens 500 Euro mehr

Von den vorgeschlagenen Erhöhungen um feste Beträge anstelle von Lohnprozenten profitieren die unteren Einkommen überproportional. Die Post will damit die Attraktivität der Zustellung erhöhen, und Verdi kann den Anspruch umsetzen, den von der Inflation besonders betroffenen unteren Einkommensgruppen deutlich mehr Geld zu verschaffen. Deshalb fordert die Gewerkschaft für die 2,5 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei den Kommunen und beim Bund auch eine Mindesterhöhung von 500 Euro im Monat. Die prozentuale Forderung beträgt hier 10,5 Prozent.

Am 22. Februar treffen sich die Gewerkschaften – neben Verdi sind der Beamtenbund und die Gewerkschaften der Lehrer und Polizisten beteiligt – mit den kommunalen Arbeitgebern sowie der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur zweiten Verhandlungsrunde. Für die Tage zuvor kündigt Verdi weitere Warnstreiks an. Am kommenden Freitag sind dazu die Gewerkschaftsmitglieder an den Flughäfen aufgerufen. Der Streik beginnt in den frühen Morgenstunden und endet in der Nacht auf Samstag. Betroffen sind die Flughäfen Frankfurt (Main), München, Stuttgart, Hamburg, Dortmund, Hannover und Bremen. Hintergrund sind neben den Verhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch die Arbeitsbedingungen der Bodenverkehrsdienste sowie bundesweite Tarifverhandlungen für die Luftsicherheit.

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Die Auseinandersetzung im öffentlichen Dienst wird sich vor dem dritten Verhandlungstermin Ende März zuspitzen. Dann müssen sich die Bürger auf erhebliche Warnstreiks im Nahverkehr, bei der Müllabfuhr und in Krankenhäusern einstellen. Die 10,5-Prozent-Forderung begründet Verdi mit dem Nachholbedarf nach zwei mageren Jahren sowie dem Fachkräftemangel. Insgesamt würden derzeit 300.000 Stellen nicht besetzt werden können, davon rund 170.000 in den Kitas und 15.000 im Öffentlichen Personennahverkehr. Bis 2030 würden im ÖPNV 130.000 Mitarbeitende fehlen. „Die Leute müssen sich die Arbeit im öffentlichen Dienst auch leisten können“, bekräftigte Christine Behle, stellvertretende Verdivorsitzende, die Tarifforderung der Gewerkschaft.

Verdi ist mit 1,857 Millionen Mitgliedern die größte deutsche Gewerkschaft nach der IG Metall (2,1 Millionen). Im vergangenen Jahr gab es 110.400 Eintritte und 147.300 Austritte; die Beitragseinnahmen blieben trotzdem mit 490 Millionen (plus 6,8 Millionen) Euro stabil. Den Mitgliederschwund erklärt Verdi-Chef Frank Werneke mit der hohen Inflationsrate: Viele Beschäftigten sparten sich den Gewerkschaftsbeitrag und traten aus. Zum anderen gingen die Babyboomer in Rente. Die Multi-Branchengewerkschaft Verdi schließt rund 3000 Tarifverträge im Jahr ab. Neben dem öffentlichen Dienst und der Post stehen im kommenden Frühjahr auch Verhandlungen für den Einzel- und Großhandel mit rund fünf Millionen Mitarbeitenden an.

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