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Wirtschaft: Aufstand der Privatkassen

In der Branche soll es mehr Konkurrenz geben – doch die Konzerne wehren sich. Und kündigen schon mal steigende Beiträge an

Berlin - Für Versicherungsvertreter dürfte es ein ruhiger Sommer werden. Zumindest dann, wenn sie private Krankenversicherungen verkaufen. Nach dem Willen der Koalition sollen Gutverdiener nur noch dann in die privaten Kassen gehen dürfen, wenn sie in den vergangenen drei Jahren mehr als 3937,50 Euro im Monat verdient haben. Ein Gesetz dazu gibt es noch nicht – gelten soll die Regelung aber schon rückwirkend seit dem 3. Juli.

„Wenn wir jetzt noch Verträge mit Kunden schließen, die diese Voraussetzungen derzeit nicht erfüllen, müssen wir diese vielleicht später rückabwickeln“, fürchtet der Vorstandschef der Allianz Privaten Krankenversicherung, Ulrich Rumm. Doch ob das Eckpunktepapier der Regierung als Rechtsgrundlage reicht, um Kunden von der PKV fernzuhalten, bezweifelt Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherer. Sollte die Regierung an dem Stichtag festhalten, dürften Privatversicherer oder ihre Kunden vor Gericht ziehen.

Dort zeichnet sich bereits jetzt eine Klageflut gegen die Reform ab. Strittigster Punkt: die milliardenschweren Alterungsrückstellungen der Branche. „Sollte uns der Gesetzgeber zwingen, bei einem Wechsel dem Kunden Alterungsrückstellungen mitzugeben, werden wir klagen“, sagt DKV-Sprecher Frank Neuhaus. Auch die Allianz ist kampfbereit. „Notfalls gehen wir bis nach Karlsruhe“, kündigt Vorstandschef Rumm an. SPD und Union wollen den Wechsel innerhalb der privaten Krankenversicherung erleichtern. Privatpatienten, die den Anbieter wechseln wollen, sollen künftig ihre Alterungsrückstellungen nicht mehr verlieren. Die Branche weist diese Forderung als nicht realisierbar zurück.

Anders als Kassenpatienten, deren Beiträge an das Einkommen geknüpft sind, zahlen Privatversicherte eine Prämie, die sich an Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand des Versicherten orientiert. Ein Teil der Prämie fließt in die Alterungsrückstellungen, mit denen künftige Kostensteigerungen aufgefangen werden. Kündigt ein Versicherter, bleiben die Rücklagen bisher beim Versicherer. Folge: Ältere Menschen können den Anbieter praktisch nicht wechseln, weil sie beim neuen Unternehmen horrende Beiträge zahlen müssen. Das soll sich ändern. Finanz- und Justizministerium sollen nun Vorschläge erarbeiten, wie eine Mitnahme der Rückstellungen erfolgen kann. Binnen kurzer Zeit könne man das aber kaum umsetzen, stöhnen die Versicherer. „Dafür brauchen wir zwei Jahre Zeit – mindestens“, sagt Herbert Grohe, Vorstandsmitglied beim Branchenführer Debeka.

Es geht um viel Geld. Auf 88 Milliarden Euro belaufen sich die Rückstellungen der Krankenversicherer, rechnet man die Pflegeversicherung hinzu, sind es 105 Milliarden Euro. Nach Meinung der privaten Versicherer ist dieses Geld unantastbar. „Die Alterungsrückstellungen gehören dem Kollektiv“, findet Verbandsdirektor Volker Leienbach. Eine Mitnahme der Rückstellungen sei „nicht machbar“. Halte die Koalition an ihrem Plan fest, seien Beitragserhöhungen nicht zu vermeiden, droht die Debeka. „Dann würde die Krankenversicherung bei uns um fünf Prozent teurer“, sagt Vorstandsmitglied Grohe. Außerdem müsse das Koblenzer Unternehmen dann Arbeitsplätze abbauen – wie viele, sei aber noch unklar.

Auch andere Streitpunkte wollen die Privatversicherer zur Not vor Gericht klären lassen. Wenn ein Teil der Versicherungskosten für Kinder ab 2008 schrittweise über Steuern finanziert werden soll, wollen die Privaten daran teilhaben. Die Koalition aber will das Geld nur den gesetzlichen Kassen zugute kommen lassen. Erst wenn die Kinderversicherung komplett über Steuern finanziert wird, sollen auch die Privaten profitieren. Anders als gesetzlich Versicherte zahlen Privatpatienten derzeit für ihre Kinder Beiträge – im Schnitt 120 Euro im Monat.

Es sei „undenkbar, dass nur die gesetzlich versicherten Kinder etwas bekommen“, meint Allianz-Mann Rumm. Auch Verbandsdirektor Leienbach will das nicht hinnehmen. Sollten die Steuermittel zweckgebunden für die Kinderversicherung eingesetzt werden, müssten auch Privatversicherte einen Zuschuss zu ihrer Prämie bekommen – und zwar „unabhängig von der Quantität“ der Steuerfinanzierung. Auch von der Debeka kommen Bedenken. „Es kann nicht sein, dass alle Steuern bezahlen, aber nur die Kinder gesetzlicher Versicherter davon profitieren“, wandte Vorstandsmann Grohe ein. Verfassungsrechtlich werde das keinen Bestand haben, prophezeite er.

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