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Klaus Müller ist Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.

© Monika Skolimowska/dpa

Verbraucherschützer fordern: Autobauer sollen Diesel-Updates bezahlen

Viele Verbraucher vertrauen der Politik nicht, zeigt der am Donnerstag vorgestellte Verbraucherreport. Nicht nur wegen Dieselgate.

Verbraucherschützer fordern eine komplette Kostenübernahme durch die Autobauer bei Schadstoff-Nachbesserungen an Millionen Diesel-Fahrzeugen. „Diejenigen, die uns allen die Suppe eingebrockt haben, waren die Autohersteller“, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), Klaus Müller, am Donnerstag in Berlin. Die Idee, den Kunden für die Nachrüstung zur Kasse zu bitten, sei ein „schlechter Sommerscherz“. Weder betroffene Kunden noch der Steuerzahler hätten einen einzigen Euro zu zahlen, meint Deutschlands oberster Verbraucherschützer. Angesichts drohender Fahrverbote in mehreren Städten planen alle deutschen Hersteller, ein Software-Update für Motoren der Abgasnorm Euro 5 anzubieten. Dies soll Teil eines Maßnahmenpakets sein, das die Autobauer zu einem Diesel-Gipfel der Bundesregierung am 2. August vorlegen wollen.

Nur 26 Prozent vertrauen der Politik

Nicht nur bei Dieselgate, auch bei anderen Problemen fühlen sich viele Verbraucher von der Politik im Stich gelassen. 79 Prozent meinen, die Politik sei verantwortlich dafür, die Interessen der Verbraucher zu schützen, hat eine repräsentative Umfrage des VZBV ergeben. Das Problem: „Nur 26 Prozent vertrauen der Politik beim Verbraucherschutz“, sagte Müller bei Vorstellung des ersten Verbraucherreports. Nachholbedarf sehen die Menschen vor allem bei Problemen mit Telefon- und Internetanbietern sowie Finanzdienstleistern. „Die nächste Bundesregierung muss Vertrauen zurück gewinnen“, mahnt Müller. Ob das gelingt, wollen die Verbraucherschützer im Auge behalten, der Verbraucherreport soll jährlich aktualisiert werden.
Müller macht sich dafür stark, die Verbraucherpolitik künftig im Bundesjustizministerium zu bündeln. Das Bundesernährungsministerium sollte seiner Meinung nach den gesundheitlichen Verbraucherschutz abgeben. Skeptisch sieht der VZBV-Chef dagegen Forderungen nach einem eigenen Digitalministerium. „Das würde dazu führen, dass ein bis zwei Jahre in der Digitalpolitik gar nichts passiert“, warnt Müller, der früher für die Grünen Umweltminister in Schleswig-Holstein war.

265.000 Beratungen im vergangenen Jahr

Glaubt man dem Verbraucherreport, sagen 90 Prozent der Bürger, dass Verbraucherschutz wichtig für ihre persönliche Sicherheit ist. Jeder Dritte hat bereits erlebt, dass seine Interessen nicht ausreichend geschützt sind, jeder fünfte hat diesen Frust bereits mehrfach erfahren. Wie groß das Bedürfnis der Verbraucher nach Schutz ist, zeigen die 265.000 Beratungen, die die Verbraucherzentralen im vergangenen Jahr durchgeführt haben. Die meisten Fälle bezogen sich dabei auf Ärger mit Postdienstleistungen und Telekommunikation sowie mit Banken und Versicherungen. In der Niedrigzinsphase werde der Kunde als Last gesehen, kritisierte Müller Banken, Versicherungen und Bausparkassen, die zu Lasten der Verbraucher hochverzinste Verträge kündigen wollen.

VZBV fordert Staatsfonds für Altersvorsorge

Um die Altersvorsorge der Bürger zu verbessern, macht sich der VZBV für eine staatlich organisierte private Zusatzvorsorge stark. Beispiel könnte Schweden sein, wo jeder Bürger 2,5 Prozent seines Bruttoeinkommens in eine private Zusatzvorsorge einzahlt – wahlweise in einen Staatsfonds oder in einen der 850 privaten Fonds. Da der Staatsfonds jedoch deutlich kostengünstiger arbeitet und deshalb in den vergangenen 17 Jahre eine um 93 Prozent höhere Rendite erwirtschaftet hat, wählen fast alle Schweden die staatliche Variante. „Wir brauchen auch in Deutschland ein einfaches Non-Proft-Produkt“, fordert Dorothea Mohn, Finanzexpertin des VZBV. Organisiert werden sollte das über eine staatliche Einrichtung wie die Staatsbank KfW, allerdings sollten Finanzprofis die Anlage managen. Der Verzicht auf Garantien soll die Rendite erhöhen, Mohn könnte sich auch vorstellen, die Arbeitgeber einzubinden.

Wie kommen Algorithmen zustande?

Neben der Altersvorsorge liegt dem Verband auch der digitale Verbraucherschutz am Herzen. Der VZBV fordert gesetzliche Rahmenbedingungen für Vergleichsportale, die regeln, wie die Rangfolge der Suchanzeigen zustande kommt, welche Anbieter berücksichtigt werden und welche Provisionen geflossen sind. Nicht nur bei den Vergleichsportalen, sondern auch beim Scoring, dem automatisierten Fahren oder der Schadensregulierung in der Krankenzusatzversicherung werden Algorithmen immer wichtiger, betont Lina Ehrig, Digitalexpertin des VZBV. Aber welche Kriterien die Unternehmen heranziehen und wie diese gewichtet werden, „das ist noch eine Black Box“, kritisiert Ehrig. Die Verbraucherschützerin fordert Transparenz: Die Algorithmen sollen künftig durch eine unabhängige Stelle überprüft werden.

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