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Die Fluggesellschaft Air Berlin steckt in großen finanziellen Schwierigkeiten.

© dpa

Defizitäre Fluglinie: Air Berlin kann die Wende schaffen

Der wirtschaftliche Absturz von Air Berlin spiegelt auch die nicht so charmanten Seiten der deutschen Hauptstadt wider. Warum die Politik der Fluglinie dennoch helfen sollte. Ein Kommentar.

Dieser wirtschaftliche Absturz ist eine Schande – besonders auch für die Stadt Berlin. Die Fluggesellschaft, die diesen Namen seit Jahren in alle Himmelsrichtungen fliegt, hat ja immer auch Berlins Image gespiegelt: In den 1990er und 2000er Jahren war Air Berlin die aufstrebende Fluggesellschaft, die der elitären Lufthansa aus Frankfurt am Main Kunden abjagte. Air Berlin präsentierte sich – wie die Stadt – bodenständig, rustikal, ein bisschen frech, proletarisch, auch herzlich, pragmatisch und unkonventionell. Das Bild war konsistent.

Das große Geschäft mit Berlin-Touristen machten freilich die besser organisierten Billigflieger aus Großbritannien und Irland, Easyjet und Ryanair. Und als Air Berlin vor fünf Jahren auch deshalb schon einmal vor dem Aus stand, übernahm Etihad, die Staatsfluglinie der Arabischen Emirate, die Mehrheit der Anteile – und damit das Sagen. Der Einfluss der Scheichs ging so weit, dass der von ihnen bestellte Chef sogar zu freizügige Kleidung der Mitarbeiter(innen) in der Berliner Zentrale kritisierte.

Es gab eine Entfremdung. Die Umstände und Entscheidungen des Managements strahlen ja immer auch auf die Mitarbeiter aus und so am Ende auch auf die Kunden. Doch sind nur fremde Retter schuld? Das wäre zu einfach. Man könnte ja auch argumentieren, dass die strauchelnde Air Berlin bis heute das Image Berlins spiegelt, nur eben die nicht so charmanten Seiten: Wir sehen Chaos, die Unfähigkeit, große Aufgaben zu bewältigen, unangebrachte Schnodderigkeit.

Air Berlin ist immer noch ein Teil von Berlin, auch in schlechten Zeiten. Und die sind so schlecht, dass es fahrlässig wäre, nicht Chancen und Risiken eines Insolvenzantrages durchzuspielen. Was den 8000 Mitarbeitern und Stammkunden noch ein wenig Hoffnung machen kann: Die Stadt hat noch jede Krise überlebt und steht heute wirtschaftlich so stark da wie nie seit Kriegsende. Kann auch Air Berlin die Wende schaffen – wenn es Hilfe von außen gibt, so etwas wie eine alliierte Kraftanstrengung, einen Finanzausgleich. Hauptsache Hilfe?

Jetzt muss es vor allem sehr schnell gehen

Ja. Zwar gibt viele Wenns und Abers, dennoch muss es jetzt vor allem sehr schnell gehen. Denn die Erosion des Geschäfts hat begonnen und wird sich nicht stoppen lassen, solange Kunden nicht darauf vertrauen können, dass Air Berlin in den kommenden Monaten gestützt wird. Jüngste Aussagen, eine Prüfung von Staatsbürgschaften könnte Wochen oder Monate dauern, sind irre. Hat man bei der langjährigen Luftfahrtkoordinatorin und heutigen Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (wenig konstruktiv am Dienstag mit dem Satz „Die Situation von Air Berlin ist prekär“) wirklich keinen Plan für den Fall dieser seit Jahren defizitären Airline in der Schublade?

Eine Bürgschaft wäre zu rechtfertigen, denn das Geschäftsmodell, das Air Berlin seit März einführt, entspricht grob dem, was Experten seit Jahren fordern. Es braucht aber Zeit und Vertrauen der Kunden. Zumindest Zeit könnten Bund und Länder bieten. Und auch Berlins Senat sollte sich schnell bewegen. Denn wenn Air Berlin verschwindet, gibt es keine Airline mehr, die so eine lange Liste von Direktflugzielen ab Berlin anbieten wird. Tourismus und die lokale Wirtschaft würden Schaden nehmen, den BER könnte man als Shoppingcenter mit XXL-Parkplatz einweihen, Tegel bliebe offen, und Spötter würden sagen: Ja, auch dieses Szenario wäre so typisch Berlin.

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