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Deutsche Bahn Streiks

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Deutsche Bahn: Angst vor dem Streik

Die Bahn will keinen Arbeitskampf in der Ferienzeit. Den Lokführern droht sie mit rechtlichen Schritten.

Berlin - Die Deutsche Bahn will einen Streik der Lokführer mitten in der Urlaubszeit mit allen Mitteln verhindern. Eine Lösung könne es nur mit allen drei Bahn-Gewerkschaften geben, sagte die Personalchefin des Konzerns, Margret Suckale, am Freitag in Berlin. Außerdem prüft die Bahn rechtliche Schritte gegen einen Arbeitskampf. Die Tourismus- und die Verkehrsbranche bereiten sich derweil auf die Auswirkungen eines möglicherweise tagelangen flächendeckenden Streiks Anfang August vor.

Zudem setzte die Bahn die Lokführer-Gewerkschaft GDL unter Druck. In einem Brief an die 134 000 betroffenen Beschäftigten verlangte das Unternehmen eine schriftliche Zustimmung zu der Tarifeinigung mit den Gewerkschaften Transnet und GDBA. Sie sieht ein Lohnplus ab 2008 von 4,5 Prozent sowie eine Einmalzahlung von 600 Euro im August vor. Die GDL lehnt diese Einigung bislang aber ab und verlangt mindestens 31 Prozent mehr Lohn sowie eine Verkürzung der Arbeitszeit von 41 auf 40 Stunden. Bis zum 6. August will sie auf Warnstreiks verzichten.

Die Einmalzahlung können nach der auf einem Formblatt verlangten Erklärung nur Transnet- und GDBA-Mitglieder sowie Mitarbeiter in Anspruch nehmen, die keiner Gewerkschaft angehören. GDL-Mitglieder müssten also austreten, falls sie vom Angebot profitieren wollen. Die GDL forderte dazu auf, den Brief nicht zurückzusenden.

Bahn-Managerin Suckale sagte, es solle bei den Gesprächen um eine neue Einkommensstruktur gehen, von der auch die Lokführer profitieren können. Man verlange von den Tarifpartnern Weitsicht, damit die Forderungen die Bahn nicht aus dem Markt drängten. „31 Prozent drängen uns aber aus dem Markt.“ Sie erneuerte den Vorschlag, die Bezahlung der Lokführer von einem externen Experten prüfen zu lassen. Die Bahn werde sich seinem Urteil dann unterwerfen. „Viel mehr kann man nicht anbieten.“ Einen Schlichter könne man nicht anrufen, weil die GDL die Vereinbarung darüber gekündigt habe.

Daneben plant das Unternehmen rechtliche Schritte gegen einen Ausstand. „Wir bereiten uns auf alle Szenarien vor und werden die Zeit bis zu einem Streik noch aktiv nutzen“, sagte Suckale. Bereits beim letzten Warnstreik hatte die Bahn per Einstweiliger Verfügung ein Streikverbot erreicht. Auch dieses Mal bestünden Chancen darauf, sagte die Arbeitsrechts-Expertin Anja Mengel, Anwältin in der Kanzlei Wilmerhale, dem Tagesspiegel. „Ein Arbeitskampf muss immer verhältnismäßig sein“, sagte sie. Es wäre es ein schwerer Eingriff in den Betrieb der Bahn, wenn die kleine Berufsgruppe der Lokführer über Tage oder gar Wochen streiken würde. „Das würde auch für die gesamte Wirtschaft des Landes enorme Schäden nach sich ziehen und wäre wohl unverhältnismäßig.“ Deshalb könne ein flächendeckender Dauerstreik rechtswidrig sein. Vorstellbar wäre laut Mengel dagegen, dass den Lokführern nur punktuelle Streiks oder für bestimmte Stunden pro Tag erlaubt werden.

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) warnte vor einem Streik und forderte die Tarifpartner auf, sofort wieder in Verhandlungen zu treten. Er mahnte, „eine Lösung zu finden, die einen guten Kompromiss für die Tarifpartner darstellt, und gleichermaßen das Interesse der Kunden und Reisenden zu beachten.“ Das schließe auch die Interessen der Güterverkehrs ein. Auch Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn rief Bahn und GDL zu einer Einigung auf. „Ein langer Streik wäre unter Umweltgesichtspunkten eine Katastrophe“, sagte er dieser Zeitung. Nötig sei nun ein kompetenter und prominenter Schlichter. Komme es zu einem Streik dürfe die GDL nur vorsichtig vorgehen und nicht in der Hauptverkehrszeit streiken.

Ein Streik der Lokführer könnte Berlin nach Meinung der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ins Verkehrschaos stürzen. Denn auch die S-Bahn wäre betroffen. „Ein Streik hätte gravierende Auswirkungen“, warnt ihre Sprecherin Manuela Damianakis. Morgens und abends sei ein Chaos zu befürchten. Die BVG werde einen Totalausfall der S-Bahn nicht ausgleichen können. Busstrecken, die parallel zur S-Bahn laufen, gibt es nicht. Außerdem hätte das Unternehmen weder genügend Fahrer noch genügend Wagen, um in die Bresche zu springen. „Wir können einen Streik nur lindern, aber wir können die S-Bahn nicht ersetzen“, sagt BVG-Sprecherin Petra Reetz. Einziger Lichtblick für das Land: „Wenn die S-Bahn nicht fährt, müssen wir für diese Tage der Bahn nichts zahlen“, sagt Damianakis.

Die Fluggesellschaften konnten am Freitag noch nicht abschätzen, ob es bereits eine Umbuchungswelle geben würde. Der Billigflieger Tuifly rechnet rechnet jedoch mit einem besseren Geschäft, sollte es zum Arbeitskampf kommen. Die Folgen für die Straßen sind derweil noch unklar. „Was es für den Straßenverkehr bedeutet, wenn Urlaubsreisende auf die Straße ausweichen müssen, kann man heute noch nicht abschätzen“, sagt Maximilian Maurer vom Autoclub ADAC. Bei punktuellen Zugausfällen wie zuletzt bei den Warnstreiks komme es häufig nur zu zeitlichen Verschiebungen. „Wenn es längerfristig wird, werden die Probleme aber größer“, sagte Maurer.

Mit einem Kundenansturm rechnet der größte deutsche Linienbusverbund Berlin-Linien-Bus, die auch überregionale Strecken bedient. „Wir erwarten eine um 25 Prozent höhere Nachfrage“, sagt Vertriebsleiter Harald Möller. Dies sei die Erfahrung aus den Warnstreiks. Um der Nachfrage gerecht zu werden, will das Unternehmen die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge deutlich erhöhen. „Wir werden zehn bis 20 Busse mehr einsetzten – pro Tag“, sagt Möller. Derzeit seien täglich rund 80 Busse in Betrieb.

Auch bei den großen Mietwagenfirmen stellt man sich auf mehr Kunden ein. An stark frequentierten Punkten wie Bahnhöfen oder Flughäfen würden die Kontingente aufgestockt, sagt Jens Heinen, Sprecher von Sixt. Anders als bei der Fußball-WM im vergangenen Jahr plane man aber keine zusätzlichen Vertriebskanäle.

Der Deutsche Reiseverband sieht bislang noch keine Auswirkung auf die Tourismusbranche. Auch in beliebten Ferienzielen wie Ostsee, Nordsee, Schwarzwald oder Oberbayern gibt es bisher keine Stornierungen oder Umbuchungen, wie eine Umfrage des Tagesspiegels ergab. Grund ist, dass rund 80 Prozent der Gäste mit dem Pkw anreisen, vermutet man.

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