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Deutsche Bahn

© Ullstein

Deutsche Bahn: Hansen macht auf Mehdorn

"Wir werden weiter rationalisieren müssen": Gerade noch war er Gewerkschaftschef, bald ist er Top-Manager – und spricht auch schon so.

Berlin – Dass sich Norbert Hansen nicht schnell in seinem künftigen Job zurechtfindet, kann man ihm nicht vorwerfen. Vergangene Woche erst trat er als Vorsitzender der Bahngewerkschaft Transnet zurück, um zum 1. Juni Personalvorstand bei der Bahn zu werden. Wie ernst er den Seitenwechsel meint, zeigte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview. „Wir werden bei der Bahn weiter rationalisieren müssen. Und das wird in einigen Bereichen nicht ohne Personalabbau gehen“, sagte Hansen der „Bild“-Zeitung.

Die Äußerungen riefen Empörung hervor, die sogar zur Gefahr für den geplanten Börsengang werden kann. „Er hat seinen Vertrauenskredit vollständig verspielt und sich schon jetzt als nicht geeignet erwiesen, seinen Posten zu übernehmen“, erklärte der SPD-Verkehrspolitiker Hermann Scheer. Der profilierte Privatisierungsgegner wandte sich vor allem gegen Hansens Aussage, die Bahn könne mit bis zu 49,9 Prozent privatisiert werden. Nach langen Querelen hatte die SPD intern und in der Koalition durchgesetzt, das nur 24,9 Prozent des Verkehrsgeschäfts privatisiert werden sollen, während Schienen und Bahnhöfe beim Bund verbleiben. Ohne eine gesetzliche Absicherung dieser niedrigeren Grenze dürfe die SPD der Privatisierung nicht zustimmen, forderte Scheer. Ende Mai soll der Bundestag den Börsengang beschließen.

Die Grünen spotteten über Hansen: „Kaum ist er zu den Katholiken gewechselt, ist er der Oberkatholik“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Winfried Hermann dem Tagesspiegel. Als Gewerkschafter habe Hansen immer vorgegeben, alles für den Erhalt der Arbeitsplätze bei dem Staatskonzern zu tun. „Kaum hat Hansen es in den Bahn-Vorstand geschafft, macht er sich zum Erfüllungsgehilfen der Arbeitgeber.“ Mit der Bekanntgabe seiner Pläne habe Hansen den letzten Rest seiner Glaubwürdigkeit verspielt. Bevor die Bahn Personal abbaue, solle sie erst einmal den Service verbessern. „An den Schaltern und Automaten in den Bahnhöfen gibt es oft ellenlange Schlangen – hier wäre zusätzliches Personal dringend nötig.“

In Frankfurt am Main wurde unterdessen Hansens bisheriger Stellvertreter Lothar Krauß vom Transnet-Beirat zum neuen Chef gewählt. Er war einziger Kandidat, muss aber beim Gewerkschaftstag am 23. November bestätigt werden. Bei der Sitzung herrschte Teilnehmern zufolge explosive Stimmung. Krauß sagte, Hansens Äußerungen machten ihn stocksauer: „Wir sind wenig entzückt.“

Hartmut Mehdorn, Hansens künftiger Chef und langjähriger Gegenspieler in Tarifverhandlungen, beeilte sich, das Wort vom Stellenabbau abzuschwächen. „Spekulationen über einen Personalabbau bei der Bahn sind an den Haaren herbeigezogen“, sagte er in Berlin. „Es gibt weder entsprechende Pläne, und schon gar nicht gibt es derartige Beschlüsse.“ Im Zuge der Teilprivatisierung des Konzerns werde es bis 2023 keine betriebsbedingten Kündigungen geben – die hatte allerdings auch Hansen nicht avisiert.

Er habe auch bei Transnet Arbeitsplätze abbauen müssen und sei dabei ohne Kündigungen ausgekommen, sagte Hansen. „Das wird auch mein Ziel bei der Bahn sein.“ Von den Mitarbeitern forderte er mehr Effizienz. „Es gibt mittlerweile viele regionale Bahngesellschaften, die zeigen, wie es gehen kann.“ Ein Lokführer könne auch mal in den Abteilen aufräumen oder auf einem kleinen Bahnhof mitanpacken. „Dass ein Lokomotivführer beispielsweise eine im Zug liegen gebliebene Zeitung wegräumt, passiert auch heute schon“, entgegnete der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky. „Hut ab, Norbert Hansen hat seine Rolle als neuer Arbeitsdirektor im Vorstand der Deutschen Bahn ja offensichtlich schon bestens verinnerlicht“, spottete auch er – und forderte den neuen Transnet-Chef Krauß auf, den privatisierungsfreundlichen Kurs Hansens aufzugeben.

Die Bahngewerkschaft GDBA kündigte Widerstand an, falls weiter rationalisiert werde. „Dann droht Krach, aber richtig“, sagte der Vorsitzende Klaus-Dieter Hommel. Wie Mehdorn wies die Bundesregierung als Eigentümerin des Unternehmens Hansens Äußerungen zurück. Die Beschäftigungssicherung bis 2023 sei für die Politik „ein zentraler Punkt, der nicht zur Disposition gestellt wird“, sagte Regierungssprecher Thomas Steg.

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