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Reif für die Insel. Der ICE 3 „Schwäbisch Hall“ am Dienstag kurz nach seiner Ankunft am Londoner Großbahnhof St. Pancras.

© dpa

Deutsche Bahn: ICE ist reif für die Insel

Die Deutsche Bahn schickt den ersten ICE nach London. "Die Fahrt von Köln nach London werden wir in unter vier Stunden schaffen, von Frankfurt am Main nach London in fünf", kündigte Konzernchef Rüdiger Grube an.

London - Schwäbisch Hall braucht Anschub. Aus eigener Kraft hat es der ICE 3, der den Namen der württembergischen Stadt trägt, am Dienstag noch nicht bis nach London geschafft. Eine Lokomotive musste deshalb das Flaggschiff der Deutschen Bahn in den Bahnhof St. Pancras schieben – dem ICE fehlt die Zulassung für den Kanaltunnel. Das soll sich bald ändern. „Die Fahrt von Köln nach London werden wir in unter vier Stunden schaffen, von Frankfurt am Main nach London in fünf“, kündigte Konzernchef Rüdiger Grube an.

Neben der Direktverbindung von Frankfurt am Main mit drei Zügen pro Tag und Richtung wird die britische Hauptstadt künftig auch von Amsterdam über Rotterdam per ICE angesteuert. Preise nannte Grube nicht. Es sei aber das „heimliche Ziel“ der Bahn, schon 2012 die Strecke zu bedienen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nahm das Unternehmen in die Pflicht. „Ich denke da an die Olympischen Spiele“, befand er.

Die Ausweitung des ICE-Netzes ist für den Staatskonzern ein großer Schritt. Er hofft auf neues Prestige – steht die Zugverbindung doch für den internationalen Kurs, den die Bahn verfolgt. „Wir spüren, dass die Bahn in Europa an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter steht“, erklärte Grube. Auch von Berlin aus wird London damit bequemer zu erreichen sein. Siebeneinhalb Stunden reine Fahrzeit verspricht die Bahn – mit einem Umstieg in Köln. Eine direkte Verbindung auf die Insel ist nicht geplant.

Erklärter Gegner der Bahn ist das Flugzeug. Gut eine Million Menschen will sie pro Jahr in die Züge nach London locken. Jeden Tag gebe es zwischen der Region Frankfurt/Rheinland und London rund 50 Linienflüge, sagte der Bahn-Chef. „Das ist ein großer Kuchen, der bislang für die Eisenbahn unerreichbar war.“ Der Zug biete mehr Komfort als das Flugzeug, sei von City zu City schneller und umweltschonender.

Die Züge für die neuen Strecken werden bei Siemens derzeit produziert und bis 2012 geliefert. Die Unzulänglichkeiten des ICE 3 – brüchige Achsen und Pannenanfälligkeit im Winter – soll das Nachfolgemodell nicht mehr haben.

Für die Bahn ist die Verbindung zugleich ein Test, wie die Öffnung des europaweiten Fernverkehrs funktioniert. Geld wird sie damit aber vorerst nicht verdienen. Die Züge sind teuer, die Tunnel-Gebühren hoch, zudem muss sie in U fahren pro Tag von der Insel aufs Festland oder zurück – neben den Eurostars Autoreise- und Güterzüge. Damit ist der Tunnel eine der am meisten befahrenen Strecken der Welt. Eurotunnel, der Betreiber, sieht sie trotzdem nur zu 50 Prozent ausgelastet und freut sich auf die Bahn als neuen Kunden. Eurostar will den Angriff kontern und seinerseits Städte auf dem Kontinent ansteuern.

Den Franzosen ist der Vorstoß der Bahn gleichwohl ein Dorn im Auge. Sie finden, dass die Siemens-Züge nicht die strengen Normen im Tunnel erfüllen. Die Bahn setzt darauf, dass die Vorschriften überarbeitet werden. Minister Ramsauer sagte, die Einwendungen der Franzosen seien ohne Substanz. An diesem Mittwoch will er mit seinem französischen Amtskollegen darüber reden. Bahnchef Grube fürchtet eine harte Auseinandersetzung. „Wir könnten an der einen oder anderen Stelle sicherlich politische Unterstützung gebrauchen.“

Den Notfall, die Evakuierung eines Zuges unter dem Kanal, hat die Bahn kürzlich bereits geprobt. „Sehr erfolgreich“ sei der Test mit 300 Freiwilligen verlaufen, sagte Grube. Unklar ist noch, wie die Bahn die strengen Passagierkontrollen für die Tunnelzüge gewährleisten will. Sicherheitschecks vor dem Einstieg, wie in Brüssel und Paris, würden auf mehreren Bahnhöfen größere Umbauten erfordern.

Branchenexperten halten den Vorstoß der Bahn für erfolgversprechend. „Das ist mehr als nur ein Marketing-Gag. Für das größte Eisenbahnunternehmen des Kontinents ist der britische Markt sehr spannend“, sagt Maria Leenen, Chefin des Bahn-Beratungsunternehmens SCI Verkehr. Sie erwartet, dass die Zahl der europäischen Anbieter auf nur noch fünf oder sechs Große schrumpfen wird. „Sie werden sich aber kaum direkten Wettbewerb auf lukrativen Strecken liefern, so wie im Flugverkehr. Das ist für alle Beteiligten zu teuer und riskant.“ Allenfalls Billiganbieter mit weniger Komfort hält sie für möglich. Carsten Brönstrup

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