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© dpa

Deutsche Bahn: Kanzleramt pfeift Tiefensee zurück

Verkehrsminister Tiefensee will Bahn-Chef Mehdorn stürzen – doch weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch die SPD helfen ihm.

Das Bundeskanzleramt hat sich von Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) wegen dessen Kritik an Bahn-Chef Hartmut Mehdorn distanziert. "Der Bundesverkehrsminister spricht nicht für die gesamte Bundesregierung, wenn er dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn faktisch das Misstrauen ausspricht", erklärte Kanzleramtschef Thomas de Maizière der dpa am Montag in ungewohnter Deutlichkeit. Bei der SPD fand Tiefensee zudem mit dem Vorhaben, auch in der nächsten Wahlperiode auf einen Börsengang zu verzichten, keine Zustimmung.

Tiefensee hatte am Wochenende erklärt, sein Vertrauen in den Bahn-Chef sei "nicht uneingeschränkt". Das Verhältnis zu Mehdorn bezeichnete er als "angespannt". Konkret bezog er sich auf Vorwürfe Mehdorns, die vom Bahn-Aufsichtsrat eingesetzten Ermittler Herta Däubler-Gmelin (SPD) und Gerhart Baum (FDP), beide ehemalige Bundesminister, seien befangen. Sie sollen helfen, die Datenaffäre aufzuklären. Die Bahn hatte zwischen 1998 und 2007 mehrmals Daten von Mitarbeitern und Lieferanten abgeglichen, um Korruption auf die Spur zu kommen. Bei der Fahndung hatte sie auch externe Detektive eingeschaltet und eingeräumt, diese könnten Gesetze verletzt haben.

Tiefensee ist mit der Aufklärung der Datenaffäre unzufrieden

Im Streit um die Aufklärung der Affäre stellte sich de Maizière an die Seite Mehdorns. Die Ermittlungen kämen gut voran, befand er. "Jetzt geht es um die Aufklärung des Sachverhaltes, nicht um Personen". Das Kanzleramt wies auch das Ansinnen Tiefensees zurück, den Börsengang des Staaskonzerns nicht weiterzuverfolgen. "Der Bundesverkehrsminister kann nicht einseitig den verabredeten Zeitplan ändern." Was Gespräche mit Investoren angehe, gebe es "keine neue Beschlusslage". Auch die SPD schloss sich der Forderung nicht an. "In Sachen Bahn gibt es keinen neuen Sachstand", sagte Generalsekretär Hubertus Heil nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin.

Doch auch Tiefensee gerät im Zuge der Affäre nun unter Druck. In den vergangenen Wochen hatte er immer wieder bemängelt, dass die Bahn mit fragwürdigen Mitteln gegen Korruption kämpfe. Nun wurde ein Brief bekannt, in dem sich Tiefensee für ein Unternehmen einsetzt, das der Bahn durch Korruption schwere Schäden zugefügt hatte. Ende Februar 2003, noch als Oberbürgermeister von Leipzig, ergriff Tiefensee Partei für das Kranbauunternehmen Kirow aus seiner Stadt. "Die aktuelle existenzbedrohende Situation eines unserer wenigen traditionsreichen Leipziger Industriebetriebe, Kirow Leipzig, veranlasst mich zu diesem Schreiben", führte er in einem Brief aus, der dieser Zeitung vorliegt. Adressat war der damalige Verkehrsminister Manfred Stolpe (SPD). An den "lieben Manfred" sandte Tiefensee die "Bitte um Unterstützung".

Allerdings hatte die Bahn gegen das Unternehmen 2003 eine Vergabesperre verhängt – dessen Manager waren in den neunziger Jahren zusammen mit einem führenden Bahn-Mitarbeiter in einen der größten Korruptionsskandale der Bahn-Geschichte verwickelt. Damals hatte Kirow eine große Zahl von Waggons weit unter dem damaligen Wert von der Bahn gekauft. Der Vorfall wurde später aufgedeckt, die Verantwortlichen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Diese Vorgänge erwähnte Tiefensee indes nicht. Mit Blick auf die Vergabesperre schrieb er, er wäre dem Minister sehr verbunden, "wenn Sie Herrn Mehdorn die Konsequenzen dieser Entscheidung seines Unternehmens, nämlich der fast zwangsläufigen Schließung von Kirow Leipzig und Kranbau Eberswalde, deutlich machen könnten“. Man könne in einem "Spitzengespräch" gemeinsam nach Lösungen suchen, schlug er vor. Eine Reaktion aus seinem Haus war bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.

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