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Anshu Jain (links) und Jürgen Fitschen.

© REUTERS

Deutsche Bank: Was bedeutet der Rücktritt von Anshu Jain und Jürgen Fitschen?

Die Kritik war wohl zu heftig, die Erfolge überschaubar und der Kulturwandel nicht überzeugend genug: Die Ko-Chefs der Deutschen Bank, Fitschen und Jain, kündigen ihren Abgang an. Ein Brite soll es nun richten.

Um 15.07 Uhr bestätigte die Deutsche Bank die zwei Stunden zuvor aufgekommenen Gerüchte: „John Cryan wird Nachfolger von Jürgen Fitschen und Anshu Jain.“ Die beiden glücklosen, massiv kritisierten Ko-Chefs kapitulieren.

Wie überraschend ist der Wechsel?

Hochrangige Banker in Frankfurt waren am Sonntag allein vom Zeitpunkt des Rückzugs überrascht. Schon seit Wochen war das Kopfschütteln über die Vorgänge in der Deutschen Bank immer heftiger geworden. Aber noch am Samstag hatte Jürgen Fitschen, der auch Präsident des Bankenverbands ist, bei den Baden-Badener Unternehmergesprächen nichts über die dramatische Entwicklung durchblicken lassen.

Der Druck auf den 52-jährigen Jain und den 66-jährigen Fitschen, die seit Juni 2012 als Nachfolger von Josef Ackermann die Bank gemeinsam führen, war in den letzten Wochen massiv gestiegen. Auf der Hauptversammlung am 21. Mai in der Frankfurter Festhalle sahen sich die beiden Banker nicht nur mit deutlichen Rücktrittsforderungen von wichtigen Aktionärsgruppen konfrontiert, sie wurden zudem von nicht einmal zwei Drittel der Aktionäre entlastet. Fitschen bekam nur 61,02 Prozent Zustimmung, Jain 60,99 Prozent. Solche Quoten hatte es in der Geschichte der Deutschen Bank noch nie gegeben. Üblich ist eine Zustimmung von mehr als 90 Prozent. Wenige Tage nach der Hauptversammlung forderte auch der Betriebsrat der Frankfurter Zentrale der Deutschen Bank unverhohlen den Rückzug vor allem von Jain unter dem Motto „Wind of Change? Wind of Jain?“. Nur ein radikaler Neuanfang könne der Bank Glaubwürdigkeit zurückgeben und eine echte Aufbruchsstimmung erzeugen.

Welche Probleme hat die Bank?

Der steigende Druck auf Jain und Fitschen hat mehrere Gründe: Die Geschäftsergebnisse der Bank hinken auch drei Jahre nach ihrem Amtsantritt weit hinter ihren eigenen Ansprüchen her, der Aktienkurs dümpelt vor sich hin. Gemessen am Börsenwert rangiert die Deutsche Bank abgeschlagen hinter den führenden Investmentbanken aus den USA, an denen sich Fitschen und Jain messen lassen wollen, irgendwo zwischen Rang 40 und 50.

Schwer zu schaffen machen der Bank die Sünden der Vergangenheit. Dazu zählen vor allem der Streit mit den Erben des Medienunternehmers Leo Kirch um ein umstrittenes Interview mit Ex-Bank-Chef Rolf Breuer aus dem Jahr 2002, das angeblich für die Pleite von Kirch verantwortlich war. 925 Millionen Euro zahlte die Bank Anfang vergangenen Jahres für einen Vergleich an die Erben. Damit aber ist das Thema nicht erledigt: Seit Ende April müssen sich Fitschen und die Ex-Bank-Chefs Breuer und Josef Ackermann sowie weitere Ex-Banker in München wegen angeblichen Prozessbetrugs verantworten. Fitschen muss einmal pro Woche in München erscheinen – neben seinem Chefposten bei der Bank eine große Belastung.

In welche Affären ist die Bank verstrickt?

Es gibt kaum einen Skandal, bei dem die Bank nicht dabei ist. Am gravierendsten ist die Verstrickung in den Libor-Skandal: Über Jahre haben Händler von Banken in Absprache am Interbanken-Zins Libor – einer wichtigen Rechnungsgröße für Spar-, Kredit und Hypothekenzinsen – gedreht. Die Deutsche Bank gehörte zu den Hauptakteuren: Im April einigte sie sich mit den Behörden in den USA und Großbritannien auf Strafzahlungen von 2,5 Milliarden Dollar, schon Ende 2013 hatte sie deshalb 725 Millionen Euro an die EU-Kommission überwiesen. Zudem kritisierten die Behörden in den USA die mangelhafte Kooperation der Bank bei der Aufklärung des Skandals. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat die Vorgänge untersucht und offenbar Defizite festgestellt. Derzeit wartet sie auf eine Stellungnahme der Bank. Das Geldhaus selbst hat mehrere Händler entlassen.

Noch nicht abgeschlossen sind Untersuchungen über Verstrickungen der Bank in mögliche Manipulationen von Devisenkursen. Ähnlich sieht es bei fragwürdigen Geschäften mit Edelmetallen aus. Gezahlt hat die Bank bereits wegen umstrittener Hypothekengeschäfte in den USA. Ende 2013 überwies sie dafür 1,9 Milliarden Dollar. Auch in Europa wird die Bank wegen des Verkaufs fragwürdiger Zinsprodukte zur Kasse gebeten, so in Italien, aber auch mehrfach in Deutschland. Unter dem Strich summieren sich die Zahlungen in der Amtszeit von Jain und Fitschen auf einen fast zweistelligen Milliardenbetrag – fast so viel, wie sie über Kapitalerhöhungen an frischem Geld hereingeholt haben.

Sind diese Probleme erledigt?

Immer noch sind etwa 6000 Verfahren offen. Erst am Samstag wurden Vorwürfe laut, Kunden der Deutschen Bank hätten in Russland über das Institut möglicherweise bis zu sechs Milliarden Dollar gewaschen. Rund drei Milliarden Euro hat das Institut aktuell für weitere Strafen zur Seite gelegt. Das Brisante: Verantwortlich ist fast ausschließlich die Investmentbanking-Sparte. Und die wurde in der maßgeblichen Zeit von Jain geleitet. Mehrfach hat er in der Vergangenheit betont oder angedeutet, dass er nichts von den Vorgängen gewusst habe. Wirklich geklärt ist das bis heute nicht. Mit den anhaltenden Strafzahlungen wachsen auch die Zweifel an dem von Jain und Fitschen vor drei Jahren angekündigten Kulturwandel. Wirklich zu sehen ist davon bislang nicht viel. „Die Deutsche Bank hat nach Angaben der Behörden die Ermittlungen im Libor-Skandal behindert“, sagte Aktionärsschützer Klaus Nieding dem Tagesspiegel, „und auch der jüngste Geldwäscheskandal in Russland zeigt, dass der Kulturwandel nicht vorankommt.“ Es sei daher nur konsequent, dass es jetzt einen Wechsel gebe.

Erbost sind Experten auch darüber, dass die Bank zwar die Boni für den Vorstand gekürzt und langfristiger angelegt, dafür aber die Festgehälter massiv erhöht hat. Das sei ohne Beispiel. Die Gewerkschaft Verdi wiederum kritisiert den massiven Stellenabbau: Bis 2017 will die Bank rund 200 ihrer insgesamt etwa 700 Filialen schließen.

Wie groß war der Widerstand in der Bank?

Groß. Denn neben dem Filialabbau sorgt auch die Ankündigung, dass sich die Bank von der 2010 für rund sechs Milliarden Euro übernommen Postbank trennen will, für Streit. Privatkunden-Vorstand Rainer Neske war darüber so verärgert, dass er kurz vor der Hauptversammlung seinen Abschied bekannt gab. Neske genoss unter Aktionären und Mitarbeitern ein vergleichsweise hohes Ansehen.

Was kommt auf die Kunden zu?

Das hängt von John Cryan ab. Hält er an dem bisherigen Konzept fest? Wird er den Rückzug aus dem Privatkundengeschäft sogar noch radikaler betreiben? Das könnte sein. Cryan kommt schließlich von der Großbank UBS, die vor allem in der Vermögensverwaltung stark ist. Das heißt, sie legt in erster Linie Gelder von besonders vermögenden Kunden und institutionellen Anlegern an. Daher ist zu vermuten, dass Cryan auch bei der Deutschen Bank das Geschäft mit den besonders reichen Kunden ausbauen dürften – zulasten der Kleinsparer.

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