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Jose Angel Gurria.

© AFP

Deutsche Wirtschaft: Gute Noten von der OECD - und viele Hausaufgaben

Die OECD lobt das deutsche Wirtschaftsmodell: Arbeitsmarktreformen, Mitbestimmung und besonnene Haushaltspolitik zahlen sich aus. Doch die Organisation warnt vor Selbstgefälligkeit.

Deutschland setzt seine wirtschaftlichen Stärken aufs Spiel, wenn die Exportnation nicht mehr für die Binnennachfrage tut und weitere Reformen auf dem Arbeitsmarkt in Angriff nimmt. Angel Gurria, Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), sparte am Dienstag in Berlin zwar nicht mit Lob für die „gut gemanagte Wirtschaft“ des Landes. „Wir sind gekommen, um ,Bravo’ zu sagen.“ Doch auf ihren Lorbeeren dürften sich die Deutschen nicht ausruhen. „Unsere Botschaft lautet: Deutschland muss über das erfolgreiche Krisenmanagement hinausgehen und die langfristigen Grundlagen für Wachstum schaffen“, sagte Gurria bei der Vorstellung des „Wirtschaftsberichts Deutschland 2012“ der OECD, in der sich 34 Industriestaaten zusammengeschlossen haben.

Arbeitsmarktreformen, flexible und konstruktive Sozialpartner und eine besonnene Haushaltspolitik hätten Deutschland zum Vorreiter in Europa und darüber hinaus gemacht. Nun gelte es aber angesichts des nachlassenden Wachstums in der Weltwirtschaft, die Defizite auszugleichen. „Mittel- und längerfristig hängt Deutschlands Erfolg davon ab, ob es gelingt, sein Wachstumsmodell auf eine zunehmend wissensbasierte Wirtschaft einzustellen und ob es seinen Weg zu ,grünem’ Wachstum effizient und konsequent weiterführt“, mahnte die OECD. „Die Frage ist, wie Deutschland das Tempo halten oder noch beschleunigen kann“, sagte Angel Gurria. Innovationen und Dienstleistungen seien dabei die Treiber für eine wachsende, wissensbasierte deutsche Wirtschaft.

Die OECD empfiehlt zum Beispiel, die strenge Regulierung einiger Dienstleistungsberufe – etwa bei Architekten und Anwälten – zu lockern. Mit Blick auf die alternde Bevölkerung und den Mangel an Fachkräften, der sich noch verschärfen werde, schlägt die OECD Deutschland zudem vor, die steuerlichen Vergünstigungen für Alleinverdiener-Haushalte abzubauen und in eine hochwertige und kostengünstige Kinderbetreuung zu investieren, um Frauen mehr Vollzeit-Arbeit zu ermöglichen.

Deutschland muss sein Arbeitsvolumen erhöhen

Insgesamt müsse Deutschland sein Arbeitsvolumen erhöhen. Die Erwerbsfähigkeit älterer Arbeitnehmer müsse etwa durch den Ausbau von Weiterbildungsangeboten verbessert werden.

Deutschland als „First-Mover“ beim Ausbau erneuerbarer Energien sei gefordert, mit weiteren Investitionen seinen Vorsprung zu sichern, glaubt die OECD. „Langfristig kann Deutschland die grünste und energieeffizienteste Ökonomie der Welt werden“, sagte Generalsekretär Gurria. Bei der Förderung einer nachhaltigen Energieversorgung müsse Deutschland mehr auf den Markt statt auf regulatorische Eingriffe setzen. So fordert die OECD mittelfristig die Abschaffung der Einspeisevergütung für Öko-Strom.

Für das laufende Jahr sagt die OECD für Deutschland wegen fehlender Impulse aus der Außenwirtschaft und wegen der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum ein preisbereinigtes Wachstum von nur noch 0,4 Prozent voraus. Damit liegt die OECD deutlich unter der Regierungsschätzung von 0,7 Prozent für dieses Jahr.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wertete den OECD-Bericht als Beleg für die Notwendigkeit, mehr zur Stärkung des Wachstums zu tun. „Wir müssen die Wachstumskräfte in unserem Lande weiter stärken, indem wir die Erwerbsbeteiligung erhöhen und die Zuwanderung qualifizierter Menschen aus anderen Staaten weiter verbessern“, sagte Rösler am Dienstag. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände unterstützte die Empfehlung, die nach wie vor hohe Belastung des Faktors Arbeit zu senken. Insbesondere in der Rentenversicherung können die Beiträge im kommenden Jahr deutlich gesenkt werden.

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