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Gewerkschaft: DGB feiert Jubiläum - und sucht nach Orientierung

60 Jahre DGB: Eine einheitliche Gewerkschaftslinie ist immer schwieriger zu finden. Dennoch will man ordentlich feiern.

Es wird warme Worte geben am Montagmittag im Konzerthaus am Gendarmenmarkt, wie das so üblich ist bei runden Geburtstagen. Bundespräsident Horst Köhler kann sich bei seiner Festrede an dem orientieren, was er vor dreieinhalb Jahren auf dem DGB-Bundeskongress an Schmeicheleien zum Besten gab. „Deutschland verdankt den Gewerkschaften viel. Der soziale Friede ist in hohem Maße auch ihr Verdienst.“ Das war wohl so. Aber welche Zukunft hat der 60 Jahre alte DGB? Die lange Partnerschaft mit der SPD ist wegen der Agendapolitik zerbrochen. Mit Angela Merkel, von der ein Gewerkschafter sagt, sie sei „die beste sozialdemokratische Kanzlerin, die wir je hatten“, können sie gut leben. Aber nicht mit der FDP, die es auch schon mal auf die Tarifautonomie abgesehen hatte.

„Den DGB in der jetzigen Gestalt braucht man kaum“, sagt Wolfgang Schroeder vom Wissenschaftszentrum Berlin. Früher sei der Dachverband „ein wichtiger Referenzpunkt für die kleinen Gewerkschaften gewesen“, doch Verdi, entstanden durch die Fusion von fünf Gewerkschaften, „ist selbst ein kleiner DGB“. Und so viele kleine gibt es auch nicht mehr. 1949 gehörten 16 Einzelgewerkschaften zum Dachverband, heute sind es noch acht. Und die großen, neben Verdi und IG Metall ist das noch die IG BCE, vertreten ihre Belange selbst. „Es gibt keine angemessene, realistische Beschreibung der Handlungsfelder des DGB“, meint Schröder.

Mit der Etablierung der Linkspartei ist zudem die politische Positionierung schwieriger geworden. Zwar lobt Schroeder den DGB-Vorsitzenden Michael Sommer wegen dessen „Äquidistanz“ zu den Parteien. Doch die Gefahr der Beliebigkeit ist groß, und vor lauter Laviererei ist man schnell im Mittelmaß verschwunden. „Sommer hat den DGB entmannt“, sagt ein DGBler über die Arbeit seines Chefs, der in der Auseinandersetzung um die Agenda 2010 zerrieben worden sei. „Er glaubt, bei Merkel gebe es eine Schonzeit. Doch die war von der SPD domestiziert und muss nun ihre Klientel bedienen.“ Dazu gehören nicht unbedingt die Gewerkschaften. Seit gut 15 Jahren geht es mit denen bergab, die Mitgliederzahlen fallen kontinuierlich. Eine Ausnahme ist die Lehrergewerkschaft GEW, die heute tatsächlich mehr Mitglieder hat als vor einem Jahr.

Die Multigewerkschaft Verdi hat die vergangenen Jahre gebraucht, um die Fusion zu verkraften und stabilisiert sich so langsam. Traditionell stark sind die Industriegewerkschaften, weil Deutschland noch immer stark industriell geprägt ist. Aber bleibt das so? In der IG Metall ist die Sorge groß, dass es am Ende der Krise viel weniger Industriebetriebe und Beschäftigte gibt. Wolfgang Uellenberg, Leiter der politischen Abteilung bei Verdi, beschreibt die unterschiedlichen Positionen im DGB: „Unsere Konzeption zielt auf den sozialökologischen Umbau zugunsten der Dienstleistungen, und die IG Metall konzentriert sich auf die Rettung der industriellen Substanz.“ Uellenberg wünscht sich „eine neue Balance zwischen Industrie und Dienstleistungen, zwischen Export und Binnennachfrage.“ Das Wachstum der Vergangenheit war exportgetrieben. Die deutschen Firmen sind deutlich wettbewerbsfähiger auf den Weltmärkten als noch vor zehn Jahren – auch deshalb, weil zu Hause die Löhne eher schwach gestiegen sind. Gut für die Exportindustrie, schlecht für den Binnenmarkt.

Detlef Wetzel, zweiter Vorsitzender der IG Metall, glaubt nicht an einen größeren Konflikt zwischen Industriegewerkschaft und Verdi. Auch wegen Merkel, bei der sich viele Gewerkschafter so gut aufgehoben fühlen. „Aus Frau Merkel wird keine Frau Thatcher, die damals die industriellen Strukturen in Großbritannien geschleift hat“, hofft Wetzel.

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