zum Hauptinhalt
Wissenschaftler experimentieren schon lange mit Hirn-Computer-Schnittstellen, wie hier an der TU Berlin.

© Ulrich Dahl/Technische Universit

Die Hirnimplantate kommen: Wie nah Facebook schon daran ist, unsere Gedanken zu lesen

Mit einem teuren Zukauf treibt Mark Zuckerberg seine Vision eines Hirndekoders voran. Andere Projekte zu Kopf-Computer-Schnittstellen gehen noch viel tiefer.

Während Politiker und Finanzexperten weltweit derzeit noch über die Risiken von Facebooks geplanter Währung Libra diskutieren, arbeitet der Konzern schon an neuen Technologien, die wahrscheinlich noch viel größere Diskussionen hervorrufen dürften. Denn es geht um nichts weniger als eine Gedankensteuerung. Facebook möchte die Gedanken seiner Nutzer lesen, damit diese die Dienste noch effizienter nutzen können. „Wir arbeiten an einem System, das es euch erlauben wird, direkt aus eurem Gehirn heraus zu tippen, und zwar fünfmal so schnell, wie ihr heute auf euren Telefonen tippen könnt“, kündigte Firmenchef Mark Zuckerberg schon vor zwei Jahren an.

Nun hat er den nächsten Schritt dahin gemacht und das Start-up CTRL-Labs gekauft. Es wurde unter anderem von dem Neurowissenschaftler Thomas Reardon gegründet, der einst für Microsoft den Internet Explorer entwickelt hat. Zwischen einer halben und einer Milliarde Dollar gab Zuckerberg laut US-Medien für die New Yorker Firma aus. Es wäre damit der größte Zukauf der letzten fünf Jahre.

Denn CTRL-Labs hat bereits Prototypen eines Armbandes entwickelt, das künftig eine Computermaus oder andere Eingabegeräte überflüssig machen soll. Stattdessen sollen einfach mit einer Handbewegung Befehle gegeben werden.

Gestensteuerung ist eigentlich nicht neu

Neu ist dieser Ansatz nicht, Microsoft hatte beispielsweise bei seiner Spielekonsole Xbox in den vergangenen Jahren die Gestensteuerung Kinect angeboten, allerdings vor zwei Jahren dann wieder eingestellt. Während das Kinect-System jedoch mit Kameras funktionierte, will Facebook direkt elektronische Signale erkennen, die vom Hirn über das Rückenmark an die Handmuskeln geschickt werden. „Das Armband dekodiert diese Signale und übersetzt sie in ein digitales Signal, das Ihr Gerät verstehen kann“, erklärt Andrew Bosworth, Vizechef der Facebook-Sparte für Augmented und Virtual Reality. „Es fängt deine Absicht ein, so dass du ein Foto mit einem Freund mittels einer unmerklichen Bewegung teilen kannst, oder durch die bloße Absicht es zu tun."

Facebook dürfte die Technologie künftig wohl zunächst vor allem zur Bedienung seiner Virtual-Reality-Anwendungen, wie der Oculus-Brille einsetzen. Die weitergehende Vision, Nutzer allein Kraft ihrer Gedanken, ganze Wörter und Sätze diktieren zu lassen, ist dagegen eine viel größere Herausforderung. Doch auch die Arbeiten an solch einem Sprachdecoder gehen in Facebooks Reality Labs voran. Der Konzern arbeitet dabei mit Wissenschaftlern der University of California San Francisco (UCSF) zusammen.

Ihre jüngsten Erfolge haben sie Ende Juli im Fachmagazin Nature veröffentlicht. Für die Studie mussten drei Epilepsiepatienten auf Fragen, beispielsweise „Wie ist es in ihrem Zimmer?“, aus vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (Hell, Dunkel, Warm, Kalt, Gut) eine nennen. Dabei gelang es mit einer Genauigkeit von 61 bis 76 Prozent Wörter aus der Gehirnaktivität zu dekodieren.  

Der Haken von „Projekt Steno“

„Derzeit sind Patienten mit Sprachverlust aufgrund von Lähmungen darauf beschränkt, Wörter sehr langsam zu buchstabieren, indem sie verbleibende Augenbewegungen oder Muskelzuckungen verwenden, um eine Computerschnittstelle zu steuern“, sagt Professor Eddie Chang. „Aber in vielen Fällen sind Informationen, die benötigt werden, um eine flüssige Sprache zu erzeugen, immer noch in ihrem Gehirn vorhanden. Wir brauchen nur die Technologie, damit sie es ausdrücken können."

Brain Computer Interfaces (BCI) heißen entsprechende Geräte. Facebooks Ziel im „Projekt Steno“ ist es, damit künftig 100 Wörter pro Minute zu erkennen. Allerdings hat die Technologie einen großen Haken: Um die Gehirnaktivität auszulesen reicht es nicht, Elektroden auf den Kopf aufzusetzen und beispielsweise mithilfe der Elektroenzephalografie (EEG) Gehirnströme von außen zu messen. Stattdessen nutzten die Wissenschaftler für ihren Versuch eine Methode, bei der Elektroden direkt auf der freiliegenden Oberfläche des Gehirns platziert werden.

Auch Elon Musk will Köpfe aufbohren

Patienten mit schweren Lähmungen und anderen Erkranken mögen sich auf die dafür notwendige Hirnchirurgie einlassen. Doch, nur um Facebook- oder WhatsApp-Nachrichten schneller zu tippen ist das nichts. Facebooks Vision ist es zwar, auch Headsets zu entwickeln, bei denen man ohne invasive Eingriffe auskommt.

Wie weit weg das jedoch ist zeigt auch ein anderes Projekt zur Gedankensteuerung: Mit Neuralink will auch Tesla-Gründer Elon Musk entsprechende Technologien entwickeln. Er träumt davon, dass sich Menschen künftig neue Fähigkeiten wie eine Fremdsprache aus einer Art App Store direkt ins Hirn runterladen. Doch – wenn überhaupt – wird auch das nicht ohne tiefere Eingriffe funktionieren.

Im Sommer stellte Musk seine Ideen von Hirnimplantaten vor: Neuralink entwickelt flexible Fäden, die dünner als ein menschliches Haar sind und direkt mit dem Hirn verbunden werden sollen. Auf der anderen Seite werden sie mit einem Chip am Schädel verknüpft. Musks Firma will auch einen eigenen Roboter entwickeln, der die Fäden wie eine Art Nähmaschine einsetzt. In ersten Versuchen hat der Roboter bereits Ratten tausende dieser Datenfäden eingepflanzt. Bis Ende kommenden Jahres will Musk es erstmals auch bei Menschen testen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false