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© dpa

Angst vor H1N1: Drei Tage für die Schweinegrippe

Wenn der Kollege am benachbarten Schreibtisch in diesen Tagen niest, schneuzt und schnieft, wird es manchem Arbeitnehmer mulmig. Die Angst vor der Schweinegrippe ist auch in deutschen Büros angekommen.

Berlin – Wenn der Kollege am benachbarten Schreibtisch in diesen Tagen niest, schneuzt und schnieft, wird es manchem Arbeitnehmer mulmig. Die Angst vor der Schweinegrippe ist auch in deutschen Büros angekommen. Manche Unternehmen fragen sich angesichts von mehr als 11 000 Infizierten bundesweit, wie sie ihre Mitarbeiter vor dem Virus schützen können. Andere haben sich schon frühzeitig mit der unsichtbaren Bedrohung beschäftigt oder greifen auf alte Pandemiepläne zur Vogelgrippe zurück.

Rund 132 000 Mitarbeiter beschäftigt die Telekom in Deutschland. Davon sind viele in Filialen oder im Außendienst tätig – und haben somit jeden Tag unzählige Kundenkontakte. „Bis jetzt gibt es unter den Mitarbeitern aber nur einige wenige Verdachtsfälle auf Infektion“, sagt Konzernsprecherin Anne Wenders. Schon im April dieses Jahres wurde beim Bonner Kommunikationsunternehmen eine zwanzigköpfige Arbeitsgruppe zur Pandemie gebildet. In ihr sind Betriebsärzte, Arbeits- und Gesundheitsschutzexperten sowie Mitarbeiter der Konzernsicherheit darum bemüht, die Schweinegrippe auszusperren.

Die Maßnahmen dazu sind umfangreich. Alle Mitarbeiter wurden per Intranet, mit Postern und Broschüren für das Thema sensibilisiert. Vor den Betriebskantinen wurden Hygieneboxen aufgestellt. Das sind Hightechkästen, die die Hände mit einem Sprühnebel aus Desinfektionsmittel überziehen. Schließlich erhielten alle Filialen und Außendienstmitarbeiter Pakete mit Schutzmasken, Handschuhen und Desinfektionstüchern. „Und für den Fall der Fälle gibt es Pandemiepläne, damit der Geschäftsbetrieb bis hin zum absoluten Krisenfall aufrechterhalten werden kann“, sagt Wenders.

Der absolute Krisenfall – nach Einschätzungen von Weltgesundheitsorganisation und Robert-Koch-Institut (RKI) wäre das eine Ansteckungsquote von 50 Prozent. Davon kann in Deutschland keine Rede sein. In Berlin sind bis jetzt nur 282 Menschen erkrankt. „Und die Krankheitsverläufe in Deutschland sind doch sehr milde“, sagt RKI-Sprecher Günther Dettweiler und warnt vor Panikmache. Dennoch sollten sich Unternehmen über wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen gut informieren. Geeignete Ansprechpartner seien Gesundheitsämter, Landesministerien und vor allem das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Letzteres hat einen kostenlosen Leitfaden zur betrieblichen Pandemieplanung veröffentlicht, das Robert-Koch-Institut gibt auf der Webseite www.wir-gegen-viren.de nützliche Hygienetipps.

Lange und gründlich Hände waschen. Das rät Air Berlin seinen Mitarbeitern. Die Airline hat ihrem Personal spezielle Hygieneschulungen zur Schweinegrippe verordnet. Außerdem arbeite man eng mit den Gesundheitsbehörden zusammen, sagt Sprecherin Nadine Bernhardt. Konkurrent Lufthansa geht einen Schritt weiter. Falls an Bord ein akuter Fall auftritt, stehen dem Bordpersonal und den Fluggästen spezielle Anti-Schweinegrippe-Sets zur Verfügung: Handschuhe, Mundschutz, Fieberthermometer. Als die ersten Fälle auftraten, habe man sogar Mediziner in die Flieger aus Mexiko gesetzt, sagt Unternehmenssprecherin Amelie Schwierholz. Inzwischen sehe man die Lage entspannter. Wenn es keine Verschärfung der Situation gebe, „wird von unserem Personal auch keiner einen Mundschutz tragen“. Das schrecke nur die Kunden ab.

Auch der Handel will seine Klientel nicht verstören, aber: „Schutzmasken sind geordert und werden auf Abruf bereitliegen“, sagt Sonja Kittel, Pressesprecherin von Galeria Kaufhof. Das Unternehmen, das zur Metro-Gruppe gehört, hat ebenfalls einen eigenen Pandemierat eingerichtet, der die Ausbreitung der neuen Grippe beobachtet und – falls nötig – Maßnahmen ergreift. Die 25 000 Mitarbeiter würden zudem in einem Leitfaden über grundlegende Verhaltensregeln während einer Grippewelle informiert, sagt Kittel.

Kompromissloser geht die Versicherung DEVK vor, obwohl noch kein bestätigter Fall der Schweinegrippe unter den Beschäftigten aufgetreten ist. „Wer aus einem Risikogebiet einreist, wird drei Tage lang vom Dienst freigestellt“, sagt Pressesprecherin Maschamay Poßekel. Eine Ansteckung der Kollegen oder Kunden solle so verhindert werden. Bis zu drei Tage dauert nach Expertenansicht die Inkubationszeit der Schweinegrippe, also die Zeit zwischen Infektion und Ausbruch der Krankheit.

Solche pauschalen Quasi-Quarantänemaßnahmen hält Günther Dettweiler vom Robert-Koch-Institut aber für wenig sinnvoll. Das Virus sei weltweit vertreten, deshalb gebe es eigentlich keine besonderen Risikogebiete. Sicher, als Geschäftsreisender würde er zurzeit Großveranstaltungen in Spanien oder England meiden, aber auch zu Hause ist man eben nicht mehr sicher: „Schon ein Fünftel der Erkrankten hat sich in Deutschland infiziert.“

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