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Wer zahlt wie viel und wofür? Der Eigenverbrauch der Stromerzeuger wird künftig zur Finanzierung des Ökostroms herangezogen.

© picture alliance / dpa

Energiewende: Industrie ist sauer auf Gabriel

Meseberger Beschlüsse zur Finanzierung des Ökostroms gehen über den Koalitionsvertrag hinaus.

Berlin - Die Widerstände gegen die Wende der Energiewende werden größer. Industriegewerkschaften reagierten am Donnerstag auf die Beschlüsse der Regierungsklausur in Meseberg in dramatischen Tönen. „EEG-Reform gefährdet Investitionen und Arbeitsplätze“, schrieb die IG Metall mit Blick auf die Deckelung des Ausbaus der Windenergie. Und ein Zusammenschluss von acht Industrieverbänden sprach von einer „Tendenz, Investitionen zu verschieben oder diese wegen der deutlich niedrigeren Energiekosten teilweise im Ausland zu tätigen“. Der Verband der großen industriellen Energieverbraucher befürchtet einen „Verlust der Wirtschaftlichkeit bei zahlreichen Unternehmen“ und sieht in der Folge „das wirtschaftliche Gleichgewicht unseres Industriestandortes und viele tausend Arbeitsplätze in großer Gefahr“.

Tatsächlich gehen die Beschlüsse von Meseberg über das hinaus, was im Koalitionsvertrag steht und was vergangenes Wochenende an Eckpunkten einer Reform des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) bekannt wurde. Konkret geht es um die „Besondere Ausgleichsregelung“, mit der energieintensive Unternehmen von der Förderung des Ökostroms (EEG-Umlage) befreit werden, sowie den Eigenverbrauch, auf den ebenfalls keine Umlage zu entrichten ist. Aktuell beträgt die Umlage 6,24 Cent je Kilowattstunde. Im Beschluss von Meseberg heißt es nun dazu: „Bei einer Eigenstromerzeugung in Neuanlagen müssen 90 Prozent der Umlage gezahlt werden.“ Das übertrifft die Befürchtungen in der Industrie, zumal im Koalitionsvertrag nur von einer „Mindestumlage zur Grundfinanzierung des EEG“ die Rede ist. Das Minimum beläuft sich nun auf 90 Prozent.

Diese 90 Prozent, so heißt es weiter im Meseberger Beschluss, „reduziert sich bei neuen Erneuerbare-Energien- und KWK-Anlagen sowie neuen Kuppelgasnutzungen auf 70 Prozent“. Das könnte nach Einschätzung der Industrie das Ende der Kraft-Wärme-Kopplung bedeuten. Mit den 70 Prozent würde nach Angaben des Verbandes der industriellen Energiewirtschaft „der Strompreis sofort um über 40 Euro pro Megawattstunde steigen und jede Wirtschaftlichkeitsrechnung zunichte machen“.

Für bereits bestehende Anlagen der Eigenstromerzeugung sieht Meseberg eine Umlage in Höhe von einem Cent je Kilowattstunde vor. Nach einer Rechnung des Umweltministeriums sind rund acht Prozent des Stromverbrauchs hierzulande wegen des Eigenverbrauchs von der Umlage befreit. Wird nun auf diesen Strom ein Cent je Kilowattstunde fällig, macht das rund 500 Millionen Euro aus.

Schließlich will die große Koalition eine sogenannte Bagatellgrenze ziehen, bis zu der keine EEG-Umlage zu zahlen ist. „Alt- und Neu-Anlagen mit einer installierten Leistung von höchstens zehn Kilowatt müssen für eine jährliche Stromerzeugung von höchstens zehn Megawatt keine EEG-Umlage zahlen.“ Darunter dürfte ein Großteil der Anlagen auf kleineren Einfamilienhäusern gehören.

Mit den vorgesehenen Kürzungen will Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) der EU-Kommission entgegenkommen, die ein Beihilfeverfahren gegen die Bundesrepublik wegen der Ausnahmen von der Ökostromförderung eingeleitet hat. Bis Mitte Februar muss die Bundesregierung dazu in Brüssel Stellung nehmen. Hierzulande hat Gabriel mit den Meseberger Beschlüssen nicht nur inhaltlich Protest provoziert. In der Industrie wird auch „über die Frage des Stils“ diskutiert, wie im BDI zu hören ist. Quasi über Nacht habe Gabriel die Vorlage für Meseberg in Sachen Eigenstromerzeugung erheblich verschärft. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis zu Industrie und Verbänden erheblich gestört.

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