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Die Plattform für Waren von Drittanbietern ist für Amazon von großer Bedeutung.

© dpa/ Ina Fassbender

Zu viel Macht gegenüber Marketplace-Händlern?: EU-Kommission leitet Untersuchung gegen Amazon ein

Nutzt Amazon Daten von Händlern auf seiner Plattform, um sie zu benachteiligen? Die EU-Wettbewerbshüter gehen der Sache auf den Grund.

Die EU-Wettbewerbshüter nehmen wegen möglicherweise illegaler Geschäftspraktiken den Umgang von Amazon mit Dritthändlern auf seiner Internetplattform ins Visier. Gegen den US-Onlinekonzern sei eine offizielle Untersuchung eingeleitet worden, teilte die EU-Kommission am Mittwoch mit. Der Verdacht: Amazon könnte seine Doppelrolle als Händler und Plattformanbieter ausnutzen. Denn das Unternehmen verkauft nicht nur selbst als Einzelhändler eigene Produkte auf seiner Internetseite. Es stellt auch Drittanbietern einen Online-Marktplatz zur Verfügung, über den diese ihre Waren direkt an Kunden vertreiben können – den sogenannten Marketplace.

Nun will die EU-Kommission prüfen, inwieweit Amazon die Kundendaten der Dritthändler wettbewerbswidrig nutzt, um das eigene Geschäft voranzutreiben. Dazu will sie die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und den anderen Marktplatzhändlern untersuchen. „Der elektronische Handel hat den Wettbewerb im Einzelhandel angekurbelt und zu einer größeren Auswahl und günstigeren Preisen geführt“, sagte die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager. „Wir müssen sicherstellen, dass große Onlineplattformen diese Vorteile nicht durch wettbewerbswidriges Verhalten aushebeln.“

Mehr als die Hälfte wird über den Marketplace erwirtschaftet

In den Fokus will die EU-Kommission auch die sogenannte „Buy Box“ nehmen. Mit diesem Kaufbutton können Kunden Produkte von Drittanbietern direkt in ihren digitalen Einkaufswagen befördern. Diese „Buy Box“ zu erhalten, sei für die Händler entscheidend, da ein Großteil der Einkäufe über sie getätigt würden, erklärten die Wettbewerbshüter weiter. Händler müssen in der Regel aber eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen, bevor sie diesen Einkaufswagen-Link bekommen.

Der Marketplace ist für den US-Konzern lukrativ: Nach Firmenangaben stammen 58 Prozent des weltweit über Amazon erwirtschafteten Warenumsatzes von diesen Verkäufern. Sollte die EU-Kommission illegales Verhalten feststellen, kann sie Strafen in Milliardenhöhe verhängen. Amazon werde vollumfänglich mit der EU-Kommission kooperieren, erklärte ein Firmensprecher.

Amazon macht Zugeständnisse

Einem zweiten Konflikt mit dem Bundeskartellamt scheint Amazon jetzt erfolgreich aus dem Weg gegangen zu sein – allerdings nur mit weitreichenden Zugeständnissen. Weil die Behörde ebenfalls ein Verfahren eingeleitet hatte, verspricht der US-Konzern seinen Dritthändlern nun bessere Bedingungen. So sollen unter anderem Vorgaben zur Haftung bei kaputten Produkten umformuliert werden, die bisher zulasten der Händler gingen. Amazon haftet künftig ebenso wie die Händler für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, oder wenn sie wesentliche Vertragspflichten verletzen.

Zudem will der Onlinehändler das Kündigungsrecht modifizieren. Bisher hatte Amazon nach Angaben des Kartellamts ein unbeschränktes Recht zur sofortigen Kündigung und Sperrung von Konten der Händler – Gründe musste der US-Konzern hierbei nicht angeben. Künftig soll bei ordentlichen Kündigungen eine 30-Tage-Frist gelten. Bei außerordentlichen Kündigungen und Sperrungen will Amazon die Händler nun informieren und dies begründen.

Bundeskartellamt zeigt sich zufrieden

Außerdem können Drittanbieter bald offener über ihre Zusammenarbeit mit Amazon sprechen. Bisher durfte sich ein Händler nur über eine Geschäftsbeziehung äußern, wenn ihm das US-Unternehmen das vorher erlaubt hatte. Diese Klausel wird den Angaben zufolge „weitgehend reduziert“. Schon ab dem 16. August sollen die neuen Regelungen in Kraft treten – und das weltweit. Entsprechend zufrieden zeigten sich auch die deutschen Wettbewerbskontrolleure: „Für die auf den Marktplätzen tätigen Händler haben wir mit unserem Verfahren weltweit weitreichende Verbesserungen erwirkt“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. Das Verfahren wird nun eingestellt. Es war im November 2018 eingeleitet worden, nachdem sich zahlreiche Händler beschwert hatten.

Unter Kartellrechtlern wurde das Vorgehen von Deutschlands obersten Wettbewerbshütern gelobt. „Die „Friss-oder-Stirb“-Geschäftspolitik der Super-Plattformen gegenüber Händlern und Nutzern wird damit ein Stück weit zurückgedrängt“, sagte Rupprecht Podszun, Direktor des Instituts für Kartellrecht an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Immer wieder im Visier der Wettbewerbshüter

Es ist nicht das erste Mal, dass Amazon auf Druck des Bundeskartellamts seine Geschäftsbedingungen ändert. Vor sechs Jahren hatte der Onlinehändler seinen Drittanbietern noch Preisvorgaben gemacht. Diese durften ihre Waren demnach andernorts nicht günstiger anbieten. Das Kartellamt eröffnete ein Verfahren, Amazon lenkte daraufhin ein und strich seine Bestpreisklausel. Und auch wegen unzulässiger Steuerdeals stand Amazon in der Vergangenheit im Visier der Wettbewerbshüter. Vor zwei Jahren erklärte die EU-Kommission eine Regelung Luxemburgs für Amazon für nicht rechtens und forderte die Behörden des Landes auf, rund 250 Millionen Euro plus Zinsen zurückzufordern. Amazon wehrt sich beim Europäischen Gerichtshof gegen den Beschluss, der Fall könnte sich noch über Jahre hinziehen. (lme/dpa)

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