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Steiler Abstieg. Die Herabstufung griechischer Staatsanleihen verschärfte die Schuldenkrise des Landes.

© dpa

Eurokrise: Brüssel will Ratingagenturen bremsen

Weil die Ratingagenturen den Krisenländern weiterhin schlechte Bewertungen ausstellen, verpuffen die EU-Hilfen - so die Kritik der Regierungen. Die EU-Kommission will deshalb die Benotung von Staaten aussetzen, die internationale Finanzhilfe erhalten.

Brüssel - Die EU-Kommission erwägt, Ratingagenturen die Bewertung von kriselnden Euro-Staaten gesetzlich zu untersagen. EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier kann sich vorstellen, die Ratings für Staaten auszusetzen, die internationale Finanzhilfen erhalten. „Man kann sich die Frage stellen, ob es zweckmäßig ist, Länder zu bewerten, die sich in internationalen Programmen befinden, da sie ja Unterstützung von außen bekommen“, sagte Barnier in einem am Donnerstag in Brüssel verbreiteten Statement.

Dieser Vorschlag würde Länder wie Griechenland, Portugal oder Irland betreffen, die Milliardenkredite von den Euro-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Barnier kündigte an, die EU-Kommission werde bis zum Herbst Vorschläge zu diesem zentralen Thema machen. Brüssel ist die Macht der drei großen Ratingagenturen schon lange ein Dorn im Auge. Die EU- Kommission hatte die jüngste Herabstufung Portugals mit ungewöhnlich deutlichen Worten kritisiert. Der Binnenmarktkommissar sagte, die Ratingagenturen müssten besser von der Politik beaufsichtigt werden. „Wir müssen mehr tun: Mehr Wettbewerb schaffen, ihre Arbeitsweise transparenter machen, ihre Methoden über die Bewertung der Staatsschuld verschärfen und ihre quasi-institutionelle Rolle im System, also ihre Macht und ihren Einfluss, verringern.“

Ein wenig Besserung ist schon in Sicht. Anfang Juni ist ein neues EU-Gesetz in Kraft getreten, dass die in Europa tätigen Ratingagenturen erstmals unter direkte europäische Aufsicht stellt. Zuständig ist die neue Pariser Behörde ESMA, die allerdings noch in den Kinderschuhen steckt und deshalb erst in den kommenden Wochen das Geschäft übernehmen kann.

Die Ratingagenturen müssen sich dort registrieren lassen und ihre Methoden offenlegen, nach denen sie die Risikobewertung vornehmen. Die Aufseher können dann nachsehen, ob für vergleichbare Geldanlageformen vergleichbare Kriterien zur Anwendung kamen, ob die Bearbeiter entsprechend ausgebildet sind, um solche folgenschweren Aussagen treffen zu können, oder ob die Eigentümer sowie Auftraggeber einer Ratingagentur möglicherweise ein Eigeninteresse an einem bestimmten Rating haben könnten. „Die europäische Finanzaufsicht kann aber nicht sagen“, so stellt ein Experte aus der EU-Kommission klar, „ob die abgegebene Bewertung richtig oder falsch ist“.

Hätte also die Agentur Moody’s, die portugiesische Staatsanleihen auf Ramschniveau herabgestuft hat, dies einige Wochen später getan, wäre das Urteil nicht unbedingt anders ausgefallen. Die EU-Aufsicht hätte jedoch überprüfen können, ob es auf Fakten und einer anerkannten Analyse basiert. „Das wird die Situation deutlich verbessern“, heißt es in Brüssel.

Das ändert aber noch nichts an der Marktmacht der drei großen US-Ratingagenturen Standard & Poor’s, Fitch und Moody’s, die sich rund 90 Prozent des entsprechenden Marktes teilen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat in diesem Zusammenhang davon gesprochen, die Politik müsse „das Oligopol der Ratingagenturen brechen“. Auch er wartet auf den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission, die dieses Ziel schon im vergangenen Juni ausgegeben hatte. Im Herbst soll er kommen – erst dann kann die europäische Gesetzgebungsmaschine gestartet werden.

Diskutiert wird in Brüssel unter anderem die Idee, die Agenturen zu verpflichten, Regierungen vor einer Bewertung ihrer Staatsanleihen zu benachrichtigen. Das Land hätte dann die Chance, Wirtschaftsdaten nachzuliefern oder nachzuprüfen. Zudem wird überlegt, feste Veröffentlichungstermine vorzuschreiben.

Die größte Hürde für die Europäer auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit sind sie jedoch selbst. Es ist nämlich nicht damit getan – wie Angela Merkel fordert –, einfach nicht mehr auf die Agenturen zu hören. Die EU hat sich sogar gesetzlich dazu verpflichtet, dies zu tun – zum Beispiel bei der Umsetzung der globalen Basel-II-Standards. Außerdem macht die Europäische Zentralbank in ihren internen Richtlinien das Urteil der Ratingagenturen zum Maß aller Dinge, wenn es um Sicherheiten für Kredite geht. mit dpa

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