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Ob die EM einen Schub für die Wirtschaft Frankreichs bringt, ist umstritten. Zumindest brachte sie schon einen für den Torschützen im Eröffnungsspiel: Dimitri Payet, der das 2:1 gegen Rumänien erzielte.

© AFP/ Franck Fife

Konjunturschub durch die EM?: Frankreich sucht das Sommermärchen

Die Fußball-EM dürfte die Konjunktur in Frankreich nur minimal beflügeln, sagen Experten. Das war in Deutschland 2006 übrigens nicht anders.

Der Start der Fußball-Europameisterschaft und der hart erkämpfte Sieg der heimischen Mannschaft gegen Rumänien zum Auftakt lässt in Politik und Wirtschaft in Frankreich die Hoffnung keimen, dass sich im Land auch wirtschaftlich die Stimmung zum Positiven drehen könnte. Konjunkturexperten bezweifeln allerdings, dass das unter massiven Sicherheitsvorkehrungen stattfindende Turnier zu einem Sommermärchen für die Wirtschaft werden kann.

Unabhängig vom weiteren Abschneiden der „Bleus“ rechnen sie nur mit moderaten Auswirkungen. Einer Studie der Universität Limoges im Auftrag des Fußballverbandes Uefa zufolge dürften Touristen- und Uefa-Ausgaben während der vierwöchigen Veranstaltung für einen Nettobeitrag von rund 1,27 Milliarden Euro sorgen. Dies entspreche etwa 0,05 Prozent der Wirtschaftsleistung, und auf Quartalssicht handele es sich um nicht mehr als eine „Eintagsfliege“, sagt Mitautorin Nathalie Henaff. Ihr Kollege Christophe Lepetit ergänzt, die Fußball-EM werde kurzfristig nur in einigen Sektoren für eine Belebung sorgen.

Jüngst gab es mehrere Hinweise darauf, dass sich die Konjunktur in der nach Deutschland zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone verbessert. Nach drei Jahren der Stagnation war das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent und von Januar bis März um kräftige 0,6 Prozent zum Vorquartal gestiegen. Dazu trugen insbesondere der private Konsum und Investitionen bei. Allerdings könnten nun die anhaltenden Streiks für Irritationen im zweiten Quartal sorgen. So setzen Beschäftigte der Staatsbahn genau wie Piloten von Air France und Mitarbeiter der Müllentsorgung während der EM auf Ausstände.

Bilder von Ausschreitungen könnten Touristen abschrecken

Bilder von Müllbergen begleiten die Europameisterschaft damit genauso wie die von Ausschreitungen und von 90 000 Polizisten und Sicherheitskräften, die die Stadien sichern. „Ein erfolgreiches Turnier sollte Frankreich nach den Terroranschlägen helfen, das Image eines sicheren Urlaubslands aufzupolieren“, sagt Ökonom Diego Iscaro vom Marktbeobachter IHS Global Insight.

Die französische Nationalmannschaft feierte im Eröffnungsspiel gegen Rumänien einen 2:1-Sieg. Die Partie wurde im Stade de France vor den Toren der französischen Hauptstadt ausgetragen. Vor dem Stadion hatten sich im November Islamisten als Teil einer Anschlagsserie in die Luft gesprengt – während eines Spiels gegen die DFB-Elf. Damals kamen insgesamt 130 Menschen ums Leben.

Während eine erfolgreiche Ausrichtung der EM laut Iscaro zumindest vorübergehend die Verbraucherstimmung deutlich anheben dürfte, könnten weitere blutige Anschläge und anhaltende Streiks das Bild von Frankreich in der Welt deutlich erschüttern. Bilder von Wasserwerfern und Tränengas könnten Fans davon abhalten, auch ohne Tickets ins Land zu reisen. Auch für den unbeliebten Präsidenten Francois Hollande dürfte das Turnier kaum zu einer Trendwende führen. „Während der Fußball-Europameisterschaft 1984 war Präsident Francois Mitterrand sehr unpopulär und daran hat sich nichts geändert, obwohl die Nationalmannschaft Höchstleistungen zeigte und Michel Platini neun Tore schoss“, erinnert sich Frederic Dabi vom Marktforschungsinstitut Ifop. Hollandes Zustimmungswerte sind aktuell auf ein Rekordtief von 16 Prozent gesunken.

Wirtschaftlich betrachtet war das Sommermärchen 2006 ein Mythos

Generell scheint die Hoffnung, ein Sportereignis könnte die wirtschaftliche Lage eines Landes verbessern, ein von der Politik und Verbänden gepflegter Mythos zu sein. So attestierte auch die damalige schwarz-rote Bundesregierung der Fifa-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, neben dem Imagegewinn des Landes auch für makroökonomische Erfolge verantwortlich zu sein. So sei der Verkauf von Elektronikgeräten damals um 5,2 Prozent oder rund 227 Millionen Euro angestiegen. Man verwies auch auf die Hoteliers, die damals zehn Prozent mehr Besucher als üblich beherbergt haben. Es soll Mehreinnahmen während der WM in Höhe von 220 Millionen Euro gegeben haben. Das Gastgewerbe freute sich insgesamt über einen Mehrbetrag von 300 Millionen Euro.

Dabei stiegen laut den Statistikbehörden die Verkäufe von Speisen in Gaststätten damals nur um 0,3 Prozent, während der Getränkeausschank um 4,7 Prozent zunahm. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages  gab 2006 jedes neunte Unternehmen an, von der Weltmeisterschaft in Deutschland profitiert zu haben. In Städten, die Austragungsort waren, erklärte dies sogar jedes siebte Unternehmen.

Was haben Schweine mit Fußball zu tun?

2007, ein Jahr nach dem „Sommermärchen“, nahm das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) das Phänomen noch einmal unter die Lupe und stellte ernüchtert fest: Von der WM gingen „keine nennenswerten konjunkturellen Impulse aus“, die ökonomischen Auswirkungen „waren nicht so groß, dass sie konjunkturell spürbar waren“, „einen Anstieg des privaten Konsums hat es jedenfalls zur Zeit der WM nicht gegeben“.

Mitunter muss König Fußball wohl als Erklärung herhalten, wenn sich sonst keine bessere finden lässt. So ließ die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands am Sonntag mitteilen, dass sich die Erzeuger wegen der Grillsaison über steigende Preise freuen. Der Schlachtpreis habe sich von 1,24 Euro pro Kilogramm im Februar nun bei 1,50 eingependelt (Hier geht es zur Internet-Schweinebörse). Auch die Fußball-EM spiele eine Rolle bei der steigenden Nachfrage nach Schweinefleisch, hieß es. Ob das sonnige Wetter nicht einen viel größeren Effekt hat als Tore in Frankreich, wurde nicht mitgeteilt. mit Reuters

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