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Zur Schau gestellt. Rund 6500 Aussteller – vom Turbinenhersteller bis zum Autokonzern – präsentieren ab Montag auf der Hannover Messe ihre Produkte.

© dpa

Hannover Messe: Russland mit Putin im Landeanflug

Das Partnerland Russland präsentiert sich mit 170 Ausstellern aufwendig und modern wie nie – es geht um Geld und Geltung in der Welt. Am Sonntagabend eröffnen Kanzlerin Merkel und Russlands Präsident Putin die Leistungsschau.

In russischen Medien ist von einer „Luftlandeoperation“ die Rede. Das Kommando führt der Mann, der laut Verfassung Oberbefehlshaber der russischen Streitkräfte ist: Wladimir Putin. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel wird er an diesem Sonntag die Hannover Messe (8. bis 12. April) eröffnen, deren Partnerland in diesem Jahr Russland ist. Beide Regierungschefs haben neben mehreren Ministern Dutzende Konzernvorstände im Schlepptau. Es geht um viel: Nie zuvor haben sich russische Unternehmen so zahlreich und aufwendig auf einer ausländischen Messe präsentiert.

170 Firmen zeigen in den Messehallen auf einer Fläche von 4500 Quadratmetern, was sie können. Darunter Superschwergewichte aus Russlands Boom-Regionen, deren Bruttosozialprodukt locker das des krisengeschüttelten Zypern erreicht. Die Wachstumsregionen – dazu gehört neben Moskau und St. Petersburg auch die Teilrepublik Tatarstan an der Wolga – empfehlen sich als „attraktive Partner für Investoren“.

Das Engagement in Hannover hat gute Gründe: Deutschland ist nach China Russlands zweitgrößter Handelspartner. Das Handelsvolumen erreichte 2012 mehr als 80 Milliarden Euro – deutlich mehr als 2011. Die Russen wollen die Industriemesse aber vor allem als Bühne nutzen, die beim Aufstieg des Landes zur sechstgrößten Wirtschaftsmacht der Welt helfen soll. Zu schaffen ist das nur mit der überfälligen Diversifizierung der Wirtschaft: Weg von Rohstoffexporten, hin zur Verarbeitung mit hoher Wertschöpfung.

Deutschland, das machte schon Regierungschef Dmitri Medwedew während seines Präsidenten-Gastspiels deutlich, ist Moskaus Traumpartner. Putins Pressedienst sprach mit Blick auf die Messe von „strategischer Partnerschaft“: Ein Gütesiegel, mit dem der Kreml bisher die Beziehungen zu China – seit 2011 größter Außenwirtschaftspartner – adelte.

Moskau geht es dabei vor allem um Transfer von Know-How zu günstigen Konditionen. Schon Medwedew hatte aggressiv für deutsch-russische Gemeinschaftsunternehmen geworben. Und die Charme-Offensive hatte Erfolg. Neben fast 2000 Niederlassungen und Repräsentanten deutscher Unternehmen arbeiten mehr als 6000 Betriebe mit deutscher Beteiligung in Russland.

Als Vorzeigeunternehmen gilt dabei die Volkswagen Group RUS, die in Hannover einen schneeweißen VW Polo Sedan präsentiert, der komplett in Russland für die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi produziert wird. VW gehört zu den Sponsoren der Spiele und ist seit sechs Jahren mit einer eigenen Fertigung in Russland präsent. 2007 wurde der Grundstein für das Werk bei Kaluga, südwestlich von Moskau, gelegt. Im Oktober 2009 nahm es seine Produktion auf. Dort werden unter anderem Motoren hergestellt. Im Sommer 2011 unterzeichneten VW und der russische Autohersteller GAZ aus Nischni Nowgorod, wo einst der Wolga vom Band lief, eine Vereinbarung über die Montage von VW- und Skoda-Modellen vor Ort. Der VW-Konzern verkaufte 2012 mehr als 316 000 Wagen in Russland, von denen die Hälfte dort hergestellt wurde. Gemeinsam, so wird betont, habe man ein „Musterbeispiel für erfolgreiche Kooperation und Investitionen geschaffen, die völlig neue Dimension erreichten“. Hinter allem Pathos steckt ein realer Kern: VW ist nicht nur der mit Abstand größte Arbeitgeber in der strukturschwachen Region Kaluga, sondern setzte – mit russischen berufsbildenden Einrichtungen – auch neue Maßstäbe für die Aus- und Weiterbildung. Die Absolventen bekommen neben einem russischen auch ein deutsches Diplom.

Deutsche Unternehmen wollen nicht zuletzt nach Russland expandieren, weil sie hoffen, dort die Ausfälle kompensieren zu können, die durch die Euro-Schuldenkrise woanders entstanden sind. Dass Wladimir Putin für eine dritte Amtszeit als Präsident gewählt wurde, sahen deutsche Unternehmen dabei positiv, wie aus einer Studie der deutschen Außenhandelskammer in Moskau hervorgeht.

Hinzu kommt, dass durch Russlands Beitritt zur Welthandelsorganisation Ende 2011 Handelsschranken zunehmend fallen. Attraktiv für deutsche Firmen sind auch die umfangreichen staatlichen Programme zum Ausbau der Infrastruktur, die Russland in Vorbereitung der Winterolympiade 2014 in Sotschi und der Fußball-WM 2018 auflegte.

Weniger charmant ging es zuletzt auf der politischen Bühne zu. So verbreitete das russische Staatsfernsehen Hasstiraden über die „Vernichtung“ russischen Kapitals auf Zypern. Angela Merkel wurde mit Hitler und das Rettungsprogramm der Euro-Gruppe mit der Beschlagnahme jüdischen Vermögens in der NS-Zeit verglichen. Derlei Entgleisungen sowie die Menschenrechtssituation in Russland dürften auch bei der Messe-Eröffnung an diesem Sonntag ein Echo finden: Amnesty International oder Human Rights Watch haben zu Protesten gegen Putin aufgerufen.

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