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Im Dickicht: Datenskandal bei der Bahn weitet sich aus

Auch 2005 hat die Bahn bereits ihre Beschäftigten durchleuchtet. Vorstandschef Mehdorn zeigt Reue – seinen Kritikern reicht das aber nicht.

Der Ton ist ganz und gar ungewohnt für einen Mann wie Hartmut Mehdorn. "Ich bedauere das ausdrücklich", formulierte der Bahn-Chef reumütig. "Es war ein Fehler", heißt es weiter, "es gab eine falsch verstandene Gründlichkeit". Man sei "übereifrig" gewesen, mitnichten misstraue der Vorstand der Deutschen Bahn seinen Mitarbeitern. Es gelte nun, "gemeinsam und als Mannschaft zusammenzuarbeiten", wolle man "in der schwierigen Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich bestehen".

So steht es in einem Brief, den der Bahn-Chef am Dienstag an seine Mitarbeiter geschickt hat und der dem Tagesspiegel vorliegt. Zuvor war der Manager von der Bundesregierung und den Gewerkschaften stark unter Druck gesetzt worden war. Es geht um den Umgang der Deutschen Bahn mit den Daten ihrer Mitarbeiter. 2002/2003 hatte das Unternehmen die Adressen und Kontonummern von 173 000 Beschäftigten mit den Daten von 80 000 Lieferanten abgeglichen, um Korruptionsfällen auf die Schliche zu kommen. Über den Schritt war die Belegschaft im Nachhinein aber nicht informiert worden, auch der Betriebsrat nicht. Er solle sich entschuldigen, hatte das Kanzleramt Mehdorn geraten. "Sonst wäre die Sache nicht zu retten gewesen", erkannte man auch in Bahn-Kreisen.

Jetzt könnte es dennoch eng werden für Hartmut Mehdorn. 2005 hat es erneut einen Datenabgleich gegeben, wie die Bahn am Dienstagabend einräumte. Regierungskreisen zufolge waren dieses Mal womöglich alle gut 220.000 Beschäftigten betroffen - was die Bahn bestreitet. Im Unterschied zu 2002/2003 sei es aber eine "hausinterne" Überprüfung gewesen, externe Dienstleister wurden also nicht eingeschaltet. Ob dabei Fälle von Korruption ans Licht kamen, konnte die Bahn noch nicht sagen. Die Ermittlungen dauerten noch an und seien schwierig.

Tiefensee wusste früh von dem neuen Vorfall

Über den Vorgang informierte Mehdorn am vergangenen Freitag den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates, der in der Datenaffäre ermittelt. Das vierköpfige Gremium hatte sich eigentlich nur mit dem bisher bekannten Vorgang von 2002/2003 beschäftigen wollen. Die Fragen des Ausschusses habe die Bahn aber nicht zufriedenstellend beantworten können, hieß es in Regierungskreisen. Unklar sei auch, wer die Untersuchung 2005 in Auftrag gegeben habe. Es sei atemberaubend, wie Mehdorn die Wahrheit stückweise preisgebe. Das Verkehrsministerium verlangt von Mehdorn rasch einen schriftlichen Bericht über die Affäre.

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) erfuhr allerdings bereits kurz nach der Sitzung des Gremiums von dem neuerlichen Datenabgleich. Das geht aus einem Brief Mehdorns an Tiefensee hervor, der dieser Zeitung vorliegt und der das Datum von Freitag trägt. Noch am Dienstagmorgen hatte der Minister beklagt, die Bahn informiere nur "scheibchenweise" über die Aktionen. "Die Aufarbeitung der von Ihnen gestellten Fragen zu den Umständen der in den Jahren 2002-2005 durchgeführten Datenabgleiche ... wird noch Zeit in Anspruch nehmen", schrieb der Manager dem Minister. Die Bahn werde ihm die Stellungnahme "schnellstmöglich" zur Verfügung stellen. Die Bahn hat zudem die Berliner Staatsanwaltschaft gebeten, den Fall juristisch zu prüfen.

Nur wenig Alarm beim Bundeskanzleramt

Den Gewerkschaften genügte die Entschuldigung Mehdorns nicht. "Uns reicht das nicht", sagte Klaus-Dieter Hommel, Chef der Gewerkschaft GDBA, dieser Zeitung. " Die Mitarbeiter warten auf das Wort ,Entschuldigung.'" Das Bundeskanzleramt zeigte sich wenig alarmiert. Über die neuen Vorwürfe sei man zwar noch nicht informiert worden, doch mache der Brief Mehdorns einen guten Eindruck und sei ja an alle Beschäftigten gegangen, sagte ein hohe Beamter. Die Vorwürfe müssten restlos aufgeklärt werden.

Derweil wurde bekannt, dass auch die Deutsche Telekom 2006 Daten von womöglich 100.000 Mitarbeitern mit denen ihrer Geschäftspartner abgeglichen hat. Bankverbindungen der Lieferanten seien "zu Testzwecken" mit den Lohn- und Gehaltskonten der Belegschaft verglichen worden, teilte der Konzern mit. Es habe sich aber herausgestellt, dass die Erhebung nicht aussagekräftig gewesen sei. Anders als bei der Bahn seien die Daten anonymisiert worden. Außerdem seien der Datenschutzbeauftragte sowie der Betriebsrat eingebunden gewesen.

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