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Gebäude verursachen in Deutschland 40 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen. Allein durch den Austausch von veralteten Heizungsanlagen könnte in diesem Bereich fast die Hälfte des CO2-Ausstosses eingespart werden.

© Bernd Friedel

Wärmewende: Brennwertkessel oder Kreuzfahrt?

Deutsche Parlamentarische Gesellschaft diskutiert über die energetische Gebäudesanierung.

Wie könnte die Wärmewende im Gebäudesektor vorangebracht werden? Und warum ist sie bisher so schlecht vom Fleck gekommen? Um diese Fragen drehte sich diese Woche eine Veranstaltung in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (DPG). Ihr Sitz, das ehemalige Reichspräsidentenpalais hinter dem Reichstag, ist sozusagen das Wohnzimmer der Bundestagsabgeordneten. Dorthin lädt die DPG immer wieder auch Vertreter der Wirtschaft zu Diskussionen ein.

Diesmal ging es um die Rolle von Erdgas bei der Energiewende. Mit dabei: Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Erdgas. Die Lobbyorganisation der deutschen Gaswirtschaft bringt sich als Partner der Energiewende ins Spiel. Gas könne im Gebäudebereich einen kosteneffizienten Beitrag zum Klimaschutz leisten, sagte Kehler. „Allein durch den Austausch des veralteten Heizungsbestandes in Gebäuden durch moderne Erdgasheizungen könnten in diesem Bereich bis zu 40 Prozent CO2 eingespart werden“, sagte Kehler. Das wäre eine Menge, denn Gebäude verursachen in Deutschland 40 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen.

Wie die Wärmewende im Gebäudebereich funktionieren würde, hat Zukunft Erdgas in Form von hunderten Sanierungsfahrplänen für Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäusern durchspielen lassen, berichtete Kehler. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Eigentümer sehr verschieden ist. Danach richtet es sich, welche Maßnahmen sie wann umsetzen können. So ein Vorgehen entspräche stärker der Lebenswirklichkeit als die heute vorrangig geförderten Komplettsanierungen, heißt es in der Studie.

Bundesweit liegt die Sanierungsrate bei weniger als einem Prozent

Eine Familie mit geringem Einkommen und einem alten Haus würde beispielsweise zunächst nur eine neue Gas-Brennwertheizung einbauen, später auch die Kellerdecke dämmen und eine Solarthermieanlage installieren. Eine Familie mit einem alten Haus und mittlerem Einkommen könnte sich auch die Dämmung der Fassade leisten und so mehr Energie sparen. Eine Familie mit hohem Einkommen und neuem Haus bräuchte nicht mehr dämmen und könnte sich eine moderne Brennstoffzelle als Heizung anschaffen.

Ein individuelles Sanierungskonzept für jedes Gebäude fordert auch die Gebäude-Allianz. Das Bündnis aus 30 Organisationen trat damit bereits 2011 an die Öffentlichkeit. Mit dem Sanierungskonzept könnten die Hausbesitzer festlegen, welche Sanierungsschritte wann sinnvoll sind und hätten einen Planungshorizont.

In Bottrop hat man gute Erfahrungen mit einem ähnlichen Vorgehen gemacht. Dort liegt die Sanierungsrate bei acht Prozent im Jahr. Bundesweit sind es zurzeit weniger als ein Prozent. Um im Gebäudebestand, wie von der Regierung beschlossen, bis 2050 rund 80 Prozent CO2 einzusparen, müssten es doppelt so viel sein.

Ganz sicher könnten die privaten Eigentümer, denen 80 Prozent der Wohnungen in Deutschland gehören, mehr Beratung gebrauchen. Viele sind mit der energetischen Sanierung überfordert. „Es ist eine Mühsal“, sagte Kai Warnecke, Geschäftsführer von Haus & Grund, bei der Diskussion. Angesichts der komplexen Aufgabe gäben die meist älteren Besitzer ihr Geld eher für eine Kreuzfahrt aus, als im eigenen Leben zu versauern, sagte Warnecke.

Die Bundesregierung hat die Förderung für Kraft-Wärme-Kopplungen aufgestockt

Beklagt wurden in der Runde die schlechten Rahmenbedingungen für Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK). In den Anlagen verbrennt Erdgas in einem Motor und erzeugt dabei Strom und Wärme. Darum ist KWK besonders effizient. Marktreif ist inzwischen auch die Brennstoffzelle. Hier wird Wasserstoff in einem elektrochemischen Verfahren in Strom und Wärme verwandelt.

Gerade erst hat die Bundesregierung die Förderung für KWK-Anlagen kräftig aufgestockt. Nötig wäre aber auch eine Entschlackung des KWK-Gesetzes, war man sich in der Parlamentarischen Gesellschaft einig. Weil die KWK-Anlagen Strom produzieren, stehen ihre Besitzer auf einmal als Stromversorger da, was einen erheblichen bürokratischen Aufwand nach sich zieht. Wohnungsgesellschaften verlieren außerdem ihre Gewerbesteuerbefreiung. Unterhalb einer bestimmten Schwelle müssten Besitzer von KWK-Anlagen deshalb von diesen Auflagen befreit werden, sagte der Abgeordnete Karsten Möhring (CDU) und erntete allgemeine Zustimmung.

Florian Post (SPD) machte außerdem darauf aufmerksam, dass Mieter aufgrund von bürokratischen Hemmnissen nur selten in den Genuss von günstigem Strom aus Photovoltaikanlagen kommen. Ein SPD-Vorschlag, der das ausräumen sollte, sei vom Koalitionspartner CDU abgelehnt worden.

Wie verträgt sich Gas mit dem geplanten Ausstieg aus den fossilen Energien?

Die soziale Verträglichkeit bei der energetischen Sanierung zu beachten, forderte Ingmar Streese von der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Die Stromkosten müssen halbwegs gerecht verteilt werden“, sagte er und rief ein Modell des Mieterbundes in Erinnerung: Mieter, Vermieter und Staat sollten sich die Kosten zu je einem Drittel teilen.

Wichtig sei außerdem die Schulung der Handwerker, stimmten Streese und Kai Warnecke überein: „Ein neuer Gaskessel ist hervorragend, aber viele schaffen es nicht, ihn so einzustellen, dass er ans Haus angepasst ist“, sagte Warnecke.

Und wie verträgt sich Gas im Energiemix mit dem geplanten Ausstieg aus den fossilen Energien? Forderte nicht der Papst in seiner jüngsten Enzyklika, ohne Verzug aus Kohle und Öl und in geringerem Maße auch aus Gas auszusteigen?

Das langfristige Ziel einer weitgehend dekarbonisierten Energiewelt sei nicht das Ende von Gas, meint Timm Kehler. Langfristig könne aus Wasser und regenerativem Überschussstrom Wasserstoff produziert werden, der wiederum in Brennstoffzellen nutzbar sei. Das riesige Gasnetz könne als Speicher für die schwankende Stromerzeugung aus regenerativen Anlagen dienen. „Für eine Übergangsphase, die nicht einfach sein wird, macht Gas einen gewissen Sinn“, schloss Oliver Krischer von den Grünen.

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