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Verwaiste Lobby. Im Februar 2016 wurde das Hotel Oderberger als denkmalgeschütztes Boutique-Hotel wiedereröffnet. Der inhabergeführte Familienbetrieb vermietet seine Zimmer seit gut einer Woche als „Homeoffice“ – für 55 Euro pro Bürotag.

© Nicholas Kunz/Promo

Hotels in der Coronakrise: Kalte Dusche

Die Grenzen sind zu, Gästezimmer stehen leer. Eine Branche ohne Exit-Strategie sucht den Notausgang.

Das Ostergeschäft ist längst verloren. Was der Sommer 2020 an Gästen noch bringen mag, kann derzeit niemand vorhersagen. Hotels und Ferienwohnungen sind für Touristen geschlossen. Und bleiben es auch. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dämpfte am 28. April, Hoffnungen auf rasche Öffnungen im Hotel- und Gaststättengewerbe. „Das werden wir entscheiden, wenn es verantwortlich ist“, sagte er. Die Branche blickt in den Abgrund.

In der Coronakrise können viele Gewerbetreibende ihre Miete nicht mehr zahlen. Das zeigt eine Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Bereits im April verzeichneten mittelständische Immobilienunternehmen Mietausfälle in Berlin in Höhe von 20 Prozent. 70 Prozent davon stammten aus Verträgen mit Einzelhandel, Gastronomie und Hotels. Jetzt stehen die Mai-Mieten an.

Der Anteil an Hotelimmobilien interessierter Käufer hat sich von 38 auf 17 Prozent mehr als halbiert, fanden die Makler von Coliers International Deutschland auf der Grundlage einer Investorenumfrage heraus. 75 Prozent rechnen mit tendenziell sinkenden Hotelpachten, 77 Prozent mit sinkenden Kaufpreisen. Viele Hotelimmobilien werden durch institutionelle Investoren wie Volksbanken, Sparkassen, Pensionskassen und berufsständische Versorgungswerke gehalten, um die Altersversorgung zu sichern.

Homeoffice im Hotel. Das Hotel Oderberger bietet seinen Raum 304 als Homeoffice an. Kostenpunkt: 55 Euro pro Bürotag.
Homeoffice im Hotel. Das Hotel Oderberger bietet seinen Raum 304 als Homeoffice an. Kostenpunkt: 55 Euro pro Bürotag.

© Martin Nicholas Kunz/Promo

Die Hotelbranche hat Anpassungsstrategien entwickelt, die aber die Ausfälle nicht auffangen können. So stellen viele Hotelbetreiber auf Initiative des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Zimmer für „Homeoffice“-Arbeitsplätze zur Verfügung, die angemietet werden können (www.homeoffice-im-hotel.de).

Die Kaufkraft lässt nach

Knapp 40 Hotels beteiligen sich in Berlin an der Aktion, um der extrem schwachen Auslastung zu begegnen; bundesweit sind es um die 500 Häuser. Die Vermietung als Bürozimmer bringt den Hotels Gäste und Umsätze, die sie zu anderen Zeiten nicht haben. „Es ist aber nur ein Zubrot“, sagt Verena Jaeschke, Hoteldirektorin vom „Oderberger“. Das ehemalige Stadtbad Oderberger in Prenzlauer Berg wurde 2011 an das GLS Sprachenzentrum verkauft, dessen Gründerin und Inhaberin Barbara Jaeschke ist, die Mutter von Verena Jaeschke. „Der Bedarf für ein Homeoffice-Angebot in unserem Hotel scheint in diesen Zeiten da zu sein“, sagt Verena Jaeschke. Seit einer Woche ist ihr Angebot online. 55 Euro kostet das Zimmer pro Tag, 249 pro Woche – von 9 bis 17 Uhr. Wenn es eine Stunde später wird, ist das auch in Ordnung. Es gibt viele tageweise Vermietungen und Anfragen mehrerer Firmen, die mehrere Zimmer für eine längere Zeit anmieten wollen. Sie alle suchen nach Alternativen: zum Treiben in Großraumbüros ohne Sicherheitsabstände, zum unkonzentrierten Arbeiten im Homeoffice zu Hause. „Wir merken a

BFW-Präsident Andreas Ibel fordert deshalb staatliche Hilfen vor allem für Einzelhandel, Gastronomie und Hotellerie. „Hier sind nicht nur Soforthilfen, sondern längerfristige Maßnahmen für einen nachhaltigen Wiederaufbau gefragt. Ausfallbürgschaften für gestundete Mieten können dabei Sicherheit für Mieter und Vermieter schaffen.“ Vermieter und Finanzierungspartner tragen nach Angaben des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft ZIA jeden Monat Mietrisiken in Höhe von bis zu 300 Millionen Euro..

Auf internationale Gäste ausgerichtete Spitzenhotels wie das Berliner Hotel Intercontinental und andere Häuser werden nach Überzeugung von Sacher-Chef Matthias Winkler jahrelang brauchen, um sich vom Corona-Schock zu erholen. „Wir richten uns auf drei bis vier Jahre ein, bis wir die Zahlen aus der Zeit vor Corona erreichen“, sagte Winkler der Deutschen Presse-Agentur in Wien. Aktuell sei der Ausblick sehr düster. Eine für den 29. Mai in Aussicht gestellte Starterlaubnis für die Hotellerie in Österreich durch die Regierung nutze zwar den Saisonbetrieben, aber nicht unmittelbar der Stadthotellerie. Sie lebt vom Tourismus. „Eine Erlaubnis hat noch nichts mit Betriebswirtschaft zu tun“, sagt Sacher-Hotelier Winkler. Für diese Sparte der Hotels würde nur die Lockerung der Reisebeschränkungen etwas bringen. Gerade in der Spitzengastronomie und -hotellerie sei es wichtig, besonders geschultes Personal in der Krise weiter an das Unternehmen zu binden. Die Hotels in Österreich waren Ende März per Regierungserlass geschlossen worden. Kurzarbeit ist also auch hier das Gebot der Stunde.

Hygienevorschriften gab es schon vor Corona

Szenerien für den „Tag eins nach Covid-19“ gibt es hier wie dort. „Auch und gerade im Hotelbereich sind strenge Hygienevorschriften nicht erst seit Corona an der Tagesordnung“, sagt Dieter Müller, Gründer und Geschäftsführer der Hotelkette Motel One. Maßnahmen wie Zugangsbeschränkungen zur Lobby und den Restaurants oder die nochmals verstärkte Anwendung regelmäßiger Grundreinigungen könnten problemlos in die Tat umgesetzt werden. „Wir haben uns auch Gedanken gemacht, wie man einchecken kann, wie man Aufzüge nutzt, wie Zimmer nach der Nutzung vernebelt und desinfiziert werden können.“

Motel-One-Mann Müller ist mit dem Zentralen Immobilienausschuss ZIA für die Wiederaufnahme der Hoteltätigkeit in Deutschland unter Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen. Er würde sich wünschen, so Müller, dass die Politik eine breit aufgestellte Taskforce benenne, die nicht nur aus Virologen bestehe. ZIA-Präsident Andreas Mattner plädiert dafür, dass in diesem Expertengremium Vertreter von Handelsimmobilien wie auch aus dem Rat der Immobilienweisen, dem Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), aus Bund, Ländern und Kommunen präsent sein sollten.

Laut Dehoga stehen aktuell rund 70 000 Hotel- und Gastronomiebetriebe vor der Insolvenz – das betrifft fast jedes dritte Unternehmen. Den gut 223000 Betrieben der Branche gingen bis Ende April rund zehn Milliarden Umsatz verloren. Wöchentlich verliert die Branche zirka 750 Millionen Euro Umsatz. 250 000 Mitarbeiter befinden sich in Kurzarbeit.

ZIA fordert Staatshilfen

„Wir müssen noch mehr über Lösungen mit Hilfe des Staates nachdenken“, sagte Mattner in dieser Woche. In Schweden und in Kanada würden bereits staatliche Programme aufgelegt, die Hotels beim Thema Mieten unterstützen. Der Eigner der Hotelkette Holiday-Inn hat nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters unterdessen nach einem 25-prozentigen Umsatzeinbruch je Zimmer im ersten Quartal Staatshilfe erhalten. 600 Millionen Pfund (686 Millionen Euro) seien von der Bank of England als Darlehen im Rahmen des staatlichen Coronavirus-Hilfsprogramms geflossen.

Die Mieten sind den Angaben des ZIA zufolge neben den Personalkosten mit einem Volumen von 20 bis 30 Prozent des Umsatzes einer der höchsten Kostenfaktoren in der Hotellerie. „Wir appellieren an das Parlament, erst einmal eine Anhörung zu organisieren. Denn wir haben hier ein doppeltes Problem – betroffen sind Hotellerie und Hotelimmobilienwirtschaft. Ganze Stadtlandschaften können von der Bildfläche verschwinden.“

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