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Regen auffangen, Sommersonne fernhalten, Wintersonne einfangen. Das Gemeindezentrum in Wylie (Texas/USA) wurde nach allen Regeln der nachhaltigen Baukunst gebaut.

©  Reinhart Bünger

Ratgeber zu nachhaltigen Immobilien: Bau mit sieben Siegeln

Mit einem neuen Leitfaden erklären die Vereinten Nationen Immobilienunternehmen, worauf sie nachhaltig achten müssen.

Genau besehen sind Gebäude das Nachhaltigste, was es gibt. Jedenfalls wenn man nachhaltig mit „dauerhaft“ übersetzt. Gebäude können aber wie Wegwerfartikel sein. Nämlich dann, wenn sie mit schlechten Materialien gebaut sind, Energie verschwenden und ihre Nutzer nicht gern darin wohnen. So gesehen ist Nachhaltigkeit eine Umschreibung für Qualität und damit im ureigenen Interesse der Immobilieneigenümer. Wie sie ihren Besitz nachhaltig entwickeln und seine Qualität messen können, hat das Umweltprogramm der UN jetzt in einem Leitfaden zusammengefasst.

Bisher ist Nachhaltigkeit im Alltag von Immobilienunternehmen noch nicht wirklich angekommen, heißt es im Vorwort des englischsprachigen Ratgebers mit dem Titel „Sustainability Metrics“ („Nachhaltigkeit messen“). Dabei haben Immobilienunternehmen eine große Verantwortung: 70 Prozent der Vermögen weltweit sind in Gebäuden und Grundstücken angelegt, 30 Prozent des Klimagases Kohlendioxid stammen aus dem Bau und der Nutzung von Gebäuden, so der Leitfaden.

Die Hauptautoren sind David Lorenz und Thomas Lützkendorf vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Die Branche wird oft als Klimasünder und Umweltverschmutzer dargestellt“, sagt Lorenz, Professor für Immobilienwertermittlung und Nachhaltigkeit. „Sie kann aber auch einen sehr, sehr positiven Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Verbesserung der Lebensqualität in einer Gesellschaft leisten.“ Welche Eigenschaften ein Gebäude nachhaltig machen, ist schon gut geklärt, heißt es im Leitfaden. Rund zwei Dutzend Aspekte sind es. In Standards der internationalen Normung wurden sie schon weitgehend integriert, sagt Lorenz.

Nur wenige Unternehmen nutzen die Erkenntnisse aus Nachhaltigkeits-Checks

Unter technischen Gesichtspunkten müssen Gebäude beispielsweise sicher konstruiert sein und sich mit wenig Aufwand unterhalten lassen. Wenn es um die Aspekte der Funktionalität geht, müssen sie den Raum gut ausnutzen. Kulturell und sozial betrachtet müssen Gebäude eine ästhetische Qualität haben, die Nutzer brauchen einen gewissen Komfort, gesunde Innenraumluft und gesunde Baumaterialien. Zu den Umweltqualitäten zählen unter anderem der Energie-, Flächen- und Ressourcenverbrauch sowie der Ausstoß von Klimagasen.

Ökonomisch gesehen sollten Gebäude geringe Lebenszykluskosten aufweisen und möglichst wertstabil sein. Eine Befragung der KIT-Wissenschaftler ergab, dass 81 Prozent der Unternehmen einen Nachhaltigkeits-Check machen, bevor sie in Immobilien investieren. Nur 16 Prozent können die gewonnenen Informationen aber systematisch weiternutzen. Das Problem liegt in der Speicherung, dem Management und der Auswertung der Daten. Sie werden oft in verschiedenen Unternehmensabteilungen gesammelt und „wie in Silos“ verwahrt, berichtet David Lorenz.

Die Energie- und Wasserverbräuche etwa seien meist über die Betriebskosten bekannt. Die Informationen blieben aber oft auf der untersten Unternehmensebene hängen, dem Management der einzelnen Gebäude. Die Ebene darüber, das Asset-Management, sollte dafür sorgen, dass alle Daten kontinuierlich gesammelt und ausgewertet werden. So steht es am Ende des Leitfadens in den 24 Empfehlungen für ein nachhaltiges Management von Immobilienunternehmen.

Nachhaltige Immobilien bringen nur Vorteile

Bisher hat David Lorenz ein gutes Feedback auf den Ratgeber bekommen. „Die Unternehmen haben sich regelrecht gefreut, dass Nachhaltigkeit gar nicht so kompliziert ist“, berichtet er. Denn im Umlauf seien Hunderte von Systemen, um die Nachhaltigkeit von Gebäuden zu messen, auch eine ganze Reihe von Siegeln werde vergeben. Deren Berater profitierten von der Unübersichtlichkeit der Kriterien. Dies sei kein Widerspruch zu den bereits gesetzten Standards in der Normung, weil beide Systeme parallel laufen, erklärt Lorenz.

Befassen sollten sich Unternehmen aber unbedingt mit dem Thema, sagt er, „denn ökonomisch bringt es nur Vorteile“. Aus der Auswertung von internationalen Studien weiß David Lorenz, dass nachhaltige Immobilien sich schneller vermieten lassen, Mieterbindung und Wiederverkaufswert höher sind. Auch geänderte Wertermittlungsstandards kommen auf Immobilienunternehmen zu. „Sind sie künftig nicht in der Lage, Informationen zu nachhaltigkeitsrelevanten Eigenschaften ihrer Gebäude bereitzustellen, kann das als Risikofaktor Berücksichtigung finden“, warnt Lorenz.

Einen Leitfaden für Gutachter gibt es unter www.nuwel.ch. Der gesamte Ratgeber kann von der Website der Finanz-Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen heruntergeladen werden unter http://www.unepfi.org/fileadmin/publications/investment/UNEPFI_SustainabilityMetrics_Main_Web.pdf

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