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DGB-Vorstand Stefan Körzell (li.), ist enttäuscht, Arbeitgebervertreter Steffen Kampeter und die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld sind zufrieden.

© Chris Emil/Imago

Die Arbeitgeber gewinnen: Mindestlohn steigt nur leicht

Mit der Stimme der unparteiischen Vorsitzenden entscheidet die Mindestlohnkommission. Gewerkschaften sprechen von Skandal.

Lange Gesichter auf der Gewerkschaftsseite, Genugtuung bei den Arbeitgebern: Die Reaktion auf den Mehrheitsbeschluss der Mindestlohnkommission waren eindeutig. Der gesetzliche Mindestlohn steigt im kommenden Jahr von zwölf auf 12,41 Euro und Anfang 2025 auf 12,82 Euro. Das bleibt deutlich unter dem Ziel der Gewerkschaften von 13,50 Euro.

Stefan Körzell, der für den DGB in der Mindestlohnkommission sitzt, nannte es „beschämend“, dass die Arbeitgeber nicht bereit gewesen seien, auf die hohe Inflationsrate zu reagieren. Zwischen dem Vorschlag der Gewerkschaften und dem Mehrheitsbeschluss der Kommission klaffe eine Lücke von 7,5 Milliarden Euro, die „in den Taschen der Arbeitgeber bleibt“, meinte Körzell. Die Kommissionsvorsitzende Christiane Schönefeld hatte in der Nacht zu Montag mit den Arbeitgebern gestimmt und den Ausschlag gegeben.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BdA), freute sich über den Beschluss in einem „ausgesprochen schwierigen Umfeld“. Die Kommission, der jeweils drei Vertreter der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften angehören, sei ihrer „staatspolitischen Verantwortung“ gerecht geworden, meinte Kampeter.

Die Erhöhung ist eine bittere Enttäuschung für mehr als elf Millionen Beschäftigte.

Marcel Fratzscher, DIW-Präsident

Die Kommission beschließt alle zwei Jahre über die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns und gibt dem Bundesarbeitsminister eine entsprechende Empfehlung. Hubertus Heil (SPD) kündigte an, diese umsetzen zu wollen. Er wisse, dass sich Arbeitnehmer und Gewerkschaften einen höheren Mindestlohn gewünscht hätten, sagte Heil. Das Gesetz lasse aber nur die Umsetzung des Beschlusses zu – oder den Verzicht auf eine Erhöhung. Das sei „angesichts der Inflationsentwicklung nicht verantwortbar“, sagte Heil.

„Die Erhöhung des Mindestlohns ist eine bittere Enttäuschung für die mehr als elf Millionen Beschäftigten in Deutschland, die im Niedriglohnbereich arbeiten“, meinte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. 41 Cent oder 3,4 Prozent, könnten die Preissteigerungen nicht ausgleichen. „Menschen mit geringen Einkommen haben eine individuell deutlich höhere Inflation als der Durchschnitt, da sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für die Dinge ausgeben müssen, die sehr viel teurer geworden sind, allen voran Lebensmittel.“

Gewerkschaften hoffen auf EU

Die Gewerkschaften setzen nun auf die Umsetzung der EU-Mindestlohnrichtlinie in nationales Recht bis Ende 2024. Aufgrund der Brüsseler Vorgabe müsste die Lohnuntergrenze mindestens 60 Prozent des Medianlohns erreichen. Das „würde einem Mindestlohn in Höhe von mindestens 14 Euro entsprechen“, argumentieren die Gewerkschaften.

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