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Die meisten Krankenkassen mussten ihre Zusatzbeiträge erhöhen. Verbraucherschützer kritisieren, wie sie das kommunizieren.

© picture alliance / dpa

Kritik von Verbraucherschützern: Wie die gesetzlichen Krankenkassen Zusatzbeiträge verstecken

Die gesetzlichen Krankenversicherungen müssen ihre Kunden über Zusatzbeiträge informieren - verstecken die Nachricht aber gerne im Werbesprech. Verbraucherschützer sehen darin eine bewusste Irreführung.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) hat die Art und Weise kritisiert, mit der gesetzliche Krankenversicherer ihre Kunden über die Erhöhung von Zusatzbeiträgen informiert und dadurch vom Wechsel zu anderen Anbietern abgehalten haben. „Die Krankenkassen reizen ihren Spielraum hier stark aus“, sagte VZBV-Gesundheitsexperte Kai Vogel dem Tagesspiegel. In den gesetzlich vorgeschriebenen Info-Schreiben sei die Beitragsanhebung oft „nur sehr versteckt“ kommuniziert worden. Das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde müsse, so forderte er, „da etwas genauer draufgucken“.

Zum Jahreswechsel hatten 77 der 117 gesetzlichen Kassen in Deutschland ihren Zusatzbeitrag erhöht. Betroffen sind davon 44 Millionen der insgesamt knapp 55 Millionen gesetzlich Versicherten. Dem Gesetz zufolge hatten diese Kassen ihre Mitglieder vorher in gesonderten Schreiben, also nicht nur in Mitgliederzeitschriften, über die Erhöhungen zu informieren. Und zwar mit Hinweis auf ihr Sonderkündigungsrecht, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitrages sowie auf eine im Internet befindliche Liste der Beitragssätze aller anderen Kassen. Und, wenn der Zusatzbeitrag der Kasse den Durchschnittssatz übersteigt, auch auf die Möglichkeit, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln.

Verbraucherschützer reden von dreiste Versteckspielen

Tatsächlich genügten viele Versicherer dieser Vorgabe nur auf verschwurbelte Weise. Die „dreistesten Versteckspiele“ hat die Hamburger Verbraucherzentrale aufgelistet. Die DAK – Deutschlands drittgrößte Kasse, die ihren Zusatzbeitrag gleich um 0,6 Punkte erhöht hat und damit nun fast alle anderen in der Beitragshöhe übertrifft – kam ihrer Informationspflicht unter der Überschrift „Fairer Beitrag – ausgezeichnete Angebote“ nach.

Die erste Texthälfte widmet sich ganz dem Selbstlob, erst nach 15 Sätzen kommt der Hinweis auf den steigenden Zusatzbeitrag für die mehr als sechs Millionen Versicherten. Für die Info zum Sonderkündigungsrecht braucht die Kasse noch länger, um in der nächsten Zeile wieder auf Eigenwerbung umzuschalten: „Sie haben die beste Krankenkasse an Ihrer Seite – davon sind wir überzeugt.”

Die Hanseatische Ersatzkasse (HEK) mit 450 000 Versicherten vermied in ihren Schreiben das Wörtchen Erhöhung sogar komplett. Selbst auf Nachfrage eines Mitglieds, ob sich der Zusatzbeitrag denn nun erhöhe oder nicht, versuchte sich die Kasse nach Angaben der Verbraucherzentrale noch auf den Hinweis zu beschränken, dass man sich mit einem Zusatzbeitrag von 1,0 Prozent noch um 0,1 Punkte unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag befinde. Erst auf nochmalige Anfrage sei die ehrliche Antwort gekommen: „... damit ist der Zusatzbeitrag um 0,2 Prozent für Sie gestiegen.“

Aufsichtsbehörde will keine Formulierungen vorgeben

Selbst der vorgeschriebene Hinweis auf das Sonderkündigungsrecht wurde bei der HEK zur Eigenwerbung umgemünzt. „Mit jeder Änderung des individuellen Zusatzbeitragssatzes“, so heißt es in ihren Schreiben lapidar, „entsteht auch ein Kündigungsrecht. Deshalb empfehlen Sie uns gerne Freunden und Verwandten, die ebenfalls von den Vorteilen der Business-K(l)asse profitieren möchten.”

Auch bei der BKK Herkules, einer kleineren Betriebskrankenkasse mit etwa 25 000 Mitgliedern und Sitz in Kassel, kein Hinweis auf eine Erhöhung des Satzes. Nicht mal der bisherigen Beitragssatz, aus dem sich ja die Erhöhung indirekt ergäbe, findet Erwähnung. Das geballte Eigenlob der Kasse wird lediglich durch die Bemerkung ergänzt, dass der Zusatzbeitrag ab 2016 bei 1,1 Prozent und damit im Bundesdurchschnitt liege.

Die Briefe zeigten, „dass hier die Rechts- und Marketingabteilungen lange an der Frage getüftelt haben, wie die Anforderungen des Gesetzgebers erfüllt werden können, ohne dass die Mitteilung als Erhöhung auffällt“, resümierten die Verbraucherschützer – und wandten sich an die Aufsichtsbehörde. Von der bekamen sie dann erst mal grundsätzlich mitgeteilt, dass man „lediglich die Rechtmäßigkeit des Handelns der Krankenkassen überprüfen“ könne, „nicht jedoch die Zweckmäßigkeit und die damit verbundene Frage, ob eine andere Formulierung der Schreiben sinnvoller gewesen wäre“.

Im Endeffekt reichte es dann gerade mal für eine kleine Rüge an die HEK. Deren Ausführungen zum Sonderkündigungsrecht könnten missverstanden werden, heißt es in dem BVA-Antwortschreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt. „Wir werden daher mit der Kasse eine Optimierung ihres Musterschreibens für künftige Fälle erörtern.“ Alles andere ist aus der Sicht der Aufsichtsbehörde nicht zu beanstanden.

Die Hamburger Verbraucherzentrale wertet diese Reaktion als „Armutszeugnis für eine Prüfinstanz“. Es gehe schließlich „um grob missverständliche Schreiben, die die Versicherten in die Irre führen können, vermutlich sogar sollen“. Mit ihrer Verschleierungstaktik hätten sich manche Kassen allerdings einen Bärendienst erwiesen, meint der Verbandsexperte Vogel. „Manche Kunden ärgern sich jetzt mehr über die Art der Information als über die Beitragserhöhung.“

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